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„Reformerwartungen größer, als wir sie im Augenblick erfüllen“: Merz bittet Bürger bei Generaldebatte im Bundestag um Geduld
Mit der Generaldebatte finden die Haushaltsberatungen im Bundestag ihren Abschluss. Weidel greift die Bundesregierung scharf an, Merz widmet der AfD eher wenig Aufmerksamkeit.
Stand:
Im Bundestag läuft seit dem Morgen die Generaldebatte als Abschluss der Haushaltsberatungen. AfD-Partei- und Fraktionschefin Alice Weidel übte zu Beginn scharfe Kritik an der Bundesregierung und verglich sie mit der „Titanic“.
Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) reagierte darauf in seiner Regierungserklärung nur knapp. Er betonte, dass die Ukraine und Europa bei Friedensplänen mit Russland nicht ausgeklammert werden dürfen. Und er versprach, dass die Koalition das Reformtempo hoch halten wolle. Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann nannte die AfD eine Gefahr für die innere und äußere Sicherheit.
Lesen Sie unten die ersten Debattenbeiträge im Protokoll nach und sehen Sie die Generaldebatte hier im Livestream:
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10.50 Uhr: Linken-Fraktionschef moniert „goldene Zeiten“ für Rüstungsindustrie
Linken-Fraktionschef Sören Pellmann prangert die Prioritätensetzung bei der Ausgabenplanung der schwarz-roten Koalition an. Pellmann verweist auf die Kommunen, die trotz ihres Investitionsbedarfs bei Spielplätzen, Schwimmbädern, Sportvereinen oder Schultoiletten deutlich zu wenig bekämen.
„Diese Politik erzeugt Frustration und Hoffnungslosigkeit“, sagt Pellmann und wirft der Koalition vor, mit ihrer Haushaltspolitik den sozialen Frieden, den gesellschaftlichen Zusammenhalt und die Demokratie zu gefährden. „Es wird investiert, aber eben nicht in die von mir angesprochene Infrastruktur, sondern in die Aufrüstung“, sagt er und spricht von goldenen Zeiten für die Rüstungsindustrie.
10.35 Uhr: Miersch optimistisch bei Rentenreform
SPD-Fraktionschef Matthias Miersch zeigt sich zuversichtlich, dass der Koalition eine umfassende Rentenreform in Deutschland gelingt. Miersch verweist auf die Regierungskommission, die in diesem Jahr ihre Arbeit zu dem Thema aufnehmen und bis Sommer Ergebnisse liefern soll. Mit einem positiven Geist „können wir tatsächlich in dieser großen Koalition Großes bewirken und dieses Rentensystem auf zukunftsfeste Füße stellen“, sagt Miersch.
Der Bundeshaushalt für das kommende Jahr sei im Übrigen ein Rekordinvestitionshaushalt, betont Miersch. Auch an die Adresse der Grünen sagt Miersch, die Koalition investiere Milliarden in die Wirtschaft, für bezahlbare Energiepreise, in Infrastruktur und sozialen Wohnungsbau. Die AfD bezeichnet der SPD-Fraktionschef wegen ihrer offenen Haltung gegenüber Russland als „Sicherheitsrisiko für Deutschland“. Die Grünen zeigen sich unzufrieden mit der Verwendung von für Investitionen gedachten Milliardensummen durch die Regierung.
10.10 Uhr: Haßelmann appelliert an Merz: Frauen in Sicherheitsdebatte nicht vergessen
Haßelmann appelliert an den Kanzler, mehr auf seine Worte zu achten. „Ihre Worte, Herr Merz, wirken auf viele Menschen verletzend, ob bei der Stadtbild-Debatte oder bei Belém.“ Sie könne nicht akzeptieren und auch nicht verstehen, warum Merz das tue. „Sie müssten doch Ihren Anspruch, der Kanzler aller Menschen zu sein, sich um Zusammenhalt und das Miteinander zu kümmern, für alle Menschen zum Ausdruck bringen und nicht die Hälfte der Bevölkerung jeden Tag vor den Kopf stoßen.“ Sie betont, dass jeden dritten Tag in Deutschland eine Frau durch die Hand ihres Partners oder Ex-Partners sterbe. Auch das gehöre zur Sicherheitsdebatte, so Haßelmann.
Merz hatte mit umstrittenen Aussagen zur Migrationspolitik für Wirbel gesorgt, die zu einer sogenannten „Stadtbild“-Debatte führten. Zum anderen hatte er sich nach einem Gipfel zum Auftakt der Weltklimakonferenz in Belém in Brasilien nach seiner Rückkehr auf eine Weise über die sehr arme Stadt geäußert, die viele Brasilianer als beleidigend und abschätzig empfanden. Merz hatte gesagt, die deutsche Delegation sei froh gewesen, „von diesem Ort, an dem wir da waren, in der Nacht von Freitag auf Samstag wieder nach Deutschland zurückgekehrt“ zu sein.
Haßelmann kritisiert zudem, die Koalition nutze das Milliarden-Sondervermögen für Infrastruktur und Klimaschutz nicht in ausreichendem Maße für zusätzliche Investitionen. Die Grünen hatten dem Sondervermögen zugestimmt, das noch der alte Bundestag beschlossen hatte. Haßelmann sagt, die Koalition verschiebe Positionen aus dem Kernhaushalt in Sondervermögen, um Wahlgeschenke zu finanzieren wie die Ausweitung der Mütterrente.
10.06 Uhr: Haßelmann sieht AfD als Gefahr für innere und äußere Sicherheit
Nun ist die Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann an der Reihe. Sie kritisiert AfD-Chefin Alice Weidel scharf dafür, dass sie die Ukraine in der eigenen Rede komplett ausgeklammert hat. Deutschland stehe an der Seite der Ukraine. „Wir gehören zusammen und wer das nicht versteht, versteht nicht die Risiken und Gefahren, in denen wir uns in Europa befinden.“ Die AfD sei nicht nur eine Gefahr für die innere, sondern auch für die äußere Sicherheit.
Den „Friedensplan“ der USA bezeichnet Haßelmann als „Unterwerfungsplan“ für die Ukraine. Es dürfe nicht über den Kopf der Ukraine entschieden werden. Das sei auch für Deutschland wichtig, denn auch der Frieden der Bundesrepublik hänge davon ab.
10 Uhr: Marine-Veteranen ersetzen Schülergruppen auf Besuchertribünen
Friedrich Merz ist in seiner Rede inzwischen bei der Jugend angekommen. Sie sei in beispiellosem Wohlstand aufgewachsen, doch der geopolitische Horizont verdunkle sich. In dem Moment, in dem Merz der Jugend trotzdem eine gute Zukunft verspricht, werden die Schülergruppen auf den Besuchertribünen von Saaldienern zum Gehen aufgefordert. Noch während der Kanzler sich an die junge Generation wendet, nehmen stattdessen Marine-Veteranen Platz.
9.57 Uhr: Merz wirft AfD „unterkomplexe Antworten“ vor
Mit Blick auf die Wirtschaftskrise sagt der Kanzler: Die „Reformerwartungen“ seien „zum Teil größer, als wir sie im Augenblick erfüllen“, räumte er ein. Angesichts der Größe der Aufgaben wolle seine Regierung aber „nichts übers Knie brechen“.
„Die Bundesrepublik Deutschland ist ein hochkomplexes Land“ und dies erfordere hochkomplexe Antworten „und nicht unterkomplexe Antworten, wie wir sie heute Morgen gehört haben“, sagt Merz – ein Seitenhieb gegen Weidel.
Die Menschen in Deutschland stimmt der Kanzler auf weitere tiefgreifende soziale und wirtschaftliche Reformen ein. „Wir werden das Reformtempo hoch halten und da, wo notwendig, noch einmal mehr fordern“, sagt Merz. „Historische Zeiten sind Zeiten der Bewährung – nicht nur für eine gewählte Regierung, sondern für eine Gesellschaft im Ganzen, zumal für eine demokratische Gesellschaft.“
Ungeachtet des schwelenden Rentenstreits in der Union versichert Merz, die Regierung werde für einen „fairen Ausgleich zwischen den Generationen“ sorgen. Ein möglichst großer Teil der Gesellschaft solle generationenübergreifend zustimmen können. Zudem bekräftigt Merz, dass der Gesetzentwurf für die geplante Bürgergeldreform fertig sei und bald auf den Weg kommen solle. Bei der Rente ist ein Gesetzentwurf von Arbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) derzeit bei den Jungen Unionsabgeordneten umstritten.
9.49 Uhr: Merz betont: Ohne Europäer und Ukrainer kein tragfähiger Frieden
Nachdem der US-Plan für ein Ende des Ukrainekrieges in den vergangenen Tagen für viel Wirbel gesorgt hat, sagt der Kanzler nun: „Ja, wir wollen, dass dieser Krieg so schnell wie möglich endet.“ Aber ohne die Ukraine und Europa werde es keinen tragfähigen Frieden geben. „Über europäische Angelegenheiten kann nur im Einvernehmen mit Europa entschieden werden. Europa ist kein Spielball, sondern eigener Akteur für seine Interessen und Werte“, sagt Merz.
„Der Krieg könnte morgen enden, wenn Russland seine Angriffe einstellen und seine Truppen zurückziehen würde“, so der Kanzler. „Damit echte Verhandlungen möglich werden, muss Putin die Aussichtslosigkeit seines Krieges vor Augen geführt werden.“ Und deshalb werde Deutschland die Ukraine auch im Haushalt 2026 weiter sehr intensiv unterstützen. Die AfD habe indes keinerlei Wort über die Ukraine verloren. Auch das sei ein Zeichen, wie wenig die AfD das Schicksal der Ukrainer wahrnehme.
9.36 Uhr: Nun spricht der Kanzler
Nun darf der Kanzler reagieren. Friedrich Merz (CDU) nimmt die Unterschiede der Parteien in den Blick – und den 12-Punkte-Plan der AfD, den Weidel zuvor vorgestellt hatte. Der Kanzler spricht diesem Plan ab, die gefährliche geopolitische Lage zu beachten. Insgesamt aber widmet er der scharfen Kritik von Weidel keine größere Aufmerksamkeit.
Merz betont die Herausforderungen, mit denen die Bundesregierung konfrontiert ist. „Wir müssen neue sicherheitspolitische Grundlagen schaffen für die Bewahrung unserer Sicherheit in Europa.“ Der Kanzler spricht sich dafür aus, zu einem neuen Konsens der Gerechtigkeit zu finden. Er wolle nicht, dass jeder für sich lebe, sondern dass das Zusammenleben neu ausgerichtet werde.
9.33 Uhr: SPD kontert Weidels „Titanic“-Vergleich
Die SPD weist den „Titanic“-Vergleich von AfD-Chefin Alice Weidel zurück. Das Schiff Deutschland sei zweifelsohne gerade auf hoher See mit einigen Herausforderungen, sagt der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Dirk Wiese im Anschluss an Weidels Rede.
„Die große Herausforderung für das Schiff Deutschland ist aber, dass es Menschen im Maschinenraum gibt, aus Ihrer Partei, die versuchen Löcher in das Schiff Deutschland reinzuhauen, weil sie nicht deutsche Interessen vertreten, sondern russische Interessen vertreten“, fügt er hinzu. Wiese verwies etwa auf Russlandreisen von AfD-Politikern.
9.31 Uhr: Klöckner setzt Weidels Rede ein Ende
Als Weidel sagt, die AfD sei die einzige Partei „mit offenen Kanälen zu den USA, zu Donald Trump und nach Russland“, kommt es zu Hohn und Gelächter in den Reihen des Bundestags. Weidel sagt: „Wir haben immer genau das gefordert, was Donald Trump heute umsetzt.“ Kurz danach ist ihre Zeit abgelaufen. Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU) setzt Weidels Rede ein Ende.
9.22 Uhr: Weidel fordert Rückkehr zu „Solidaritätsprinzip“ bei Sozialsystemen
Alice Weidel fordert in ihrer Rede eine Rückkehr zum Solidaritätsprinzip bei den sozialen Sicherungssystemen. Nur wer einzahle, dürfe auch Hilfen erfahren, so die AfD-Vorsitzende. „Sie zahlen nicht einmal Steuern“, kommt ein Zwischenruf aus der Linksfraktion. Wohl ein Hinweis darauf, dass Weidel ihren Hauptwohnsitz in der Schweiz hat.
9.20 Uhr: Weidel sieht nationales Interesse an russischem Gas
Weidel stellt einen 12-Punkte-Plan der AfD vor. Zunächst kommt sie auf die Energiewende zu sprechen, die sie als „gescheitertes Experiment“ bezeichnet. Die Zerstörung der Kernkraftwerke müsse sofort rückabgewickelt werden. „Erdgas und Öl müssen wir wieder dort kaufen, wo es am günstigsten ist: in Russland. Das ist im nationalen Interesse“, sagt Weidel. Und die Amerikaner würden das angeblich auch wollen. Dass die Abhängigkeit von russischem Gas und Öl wegen des Angriffskrieges gegen die Ukraine beendet wurde, lässt sie außer Acht.
9.16 Uhr: Auch Scholz schaut vorbei
Der Ex-Kanzler schaut auch vorbei: Gut 15 Minuten spricht Oppositionschefin Alice Weidel bereits und zieht über Union und SPD her. Nun gesellt sich auch Ex-Kanzler Olaf Scholz zur Generaldebatte. In der zweitletzten Reihe nimmt er Platz und scherzt mit Fraktionskollegen. Offenbar interessiert sich Scholz mehr für die Ausführungen seines Nachfolgers als für die Rede von Weidel.
9.14 Uhr: Weidel nimmt SPD ins Visier
Weidel nimmt nun die SPD ins Visier. Die Sozialdemokraten steckten angeblich tief im „ideologischen Morast“. Sie wirft der Partei „primitives Antifa-Geschrei“ und „stumpfsinnige, demokratiefeindliche Verbotsfantasien“ vor, die „bei Ihnen den politischen Parteienwettbewerb“ ersetzten, so Weidel in Richtung SPD. Eine Zwischenfrage lässt Weidel nicht zu.
9.11 Uhr: Weidel greift Bundesregierung massiv an
AfD-Chefin und Oppositionsführerin Alice Weidel greift die Bundesregierung scharf an. „Diese Koalition im Endstadium erinnert immer stärker an die Brücke der „Titanic“. Deutschland hat Schlagseite, die Schotten laufen voll“, sagte Weidel und sprach von einem „Narrentheater“. Die Regierung lasse „die Bordkapelle die immer gleichen Beruhigungsmelodien spielen“. Die Krise sei da und es sei nicht nur ein Eisberg, es seien mindestens fünf, „die unserem Staatsschiff den Rumpf aufreißen.“
Weidel kritisiert vor allem die hohen Kosten der Sozialsysteme. Diese liefen aus dem Ruder und seien nicht mehr finanzierbar. Dabei sei der demografische Wandel lange absehbar gewesen.
Die AfD-Chefin spricht zudem weiter von einer Migrationskrise. „Millionen Menschen sind in den letzten Jahren unkontrolliert ins Land geströmt“, sagt Weidel. Sie seien in die Sozialsysteme eingewandert. Und die Folgekosten trügen die Steuerzahler, kritisiert sie.
8.58 Uhr: Glückwünsche vor Generaldebatte
Auf der Regierungsbank gibt es kurz vor der Generaldebatte viele fröhliche Gesichter. Grund dafür ist der 37. Geburtstag von Bauministerin Verena Hubertz. Nicht nur die SPD-Minister Lars Klingbeil und Boris Pistorius gratulieren, auch Bundeskanzler Friedrich Merz schüttelt seiner Ministerin, die in einigen Monaten ihr erstes Kind erwartet, die Hand.
Für die Aussprache sind dreieinhalb Stunden angesetzt, danach werden noch die Etats für Auswärtiges, Verteidigung und Entwicklung diskutiert. (mit dpa/AFP)
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