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CDU-Chef Merz will keine weiteren Menschen aus Syrien Zentrale Erstaufnahmeeinrichtung für Asylbewerber (ZABH), wie diese des Landes Brandenburg in Eisenhüttenstadt, sehen.

© dpa/Patrick Pleul

Regierung lehnt Merz-Vorschlag ab: Aufnahmestopp für Syrer wäre „Verfassungsbruch“ – auch Nouripour skeptisch

Morgen wollen Olaf Scholz und Friedrich Merz über Migrationspolitik sprechen. Dabei dürfte es auch um den Vorschlag des Oppositionsführers gehen, keine Syrer mehr aufzunehmen. Ginge das überhaupt?

Stand:

Die Bundesregierung hält Forderungen nach einem generellen Aufnahmestopp für Geflüchtete aus Syrien und Afghanistan für nicht verfassungsgemäß. „Das würde gegen das Grundgesetz und mutmaßlich auch gegen EU-Menschenrechtsverordnungen verstoßen“, sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit am Montag in Berlin. Er bezog sich dabei auf Forderungen von CDU-Chef Friedrich Merz, ohne diese allerdings ausdrücklich zu bewerten.

„Regierungen sind nie gut beraten, Verfassungsbruch zu begehen“, sagte Hebestreit dazu weiter. Er betonte die Bedeutung des individuellen Asylrechts als „eine der zentralen Errungenschaften des deutschen Grundgesetzes“. Daran wolle „niemand“ ernsthaft herangehen. Auf jeden Fall erkenne er „keine Bestrebungen von denjenigen, die die Regierung tragen, an diesem Grundgesetz-Artikel etwas zu ändern“.

Am Sonntag hatte Merz den Kanzler in einem offenen Brief zu einer Kehrtwende in der Migrationspolitik aufgefordert. Unter anderem sprach sich Merz darin für einen Aufnahmestopp für Menschen aus Syrien und Afghanistan aus.

Dem stehen neben Hebestreit auch andere Vertreter der Regierungsparteien kritisch gegenüber. SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert sagte im ARD-„Morgenmagazin“, viele von Merz Vorschlägen ständen dem Grundgesetz entgegen. Auch Grünen-Chfef Omid Nouripour zeigte sich skeptisch. „Ich würde gerne von der CDU hören, wie sie das dann machen wollen in einem Grundrecht, was hochindividuell ist und auf das Schutzbedürfnis der Leute eingeht und nicht auf die Herkunft“, sagte Nouripour nach Beratungen des Bundesvorstands.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Oppositionsführer Merz wollen einem Medienbericht zufolge bei einem Treffen am Dienstag über den Kurs in der Migrationspolitik sprechen. Das für den Morgen angesetzte Treffen im Kanzleramt sei seit längerem anberaumt gewesen, berichtete das „Handelsblatt“ unter Berufung auf CDU-Kreise. Nun aber werde es vor allem um Konsequenzen aus dem Anschlag von Solingen und einen Kurswechsel in der Migrationspolitik gehen.

„Herr Bundeskanzler, wir sehen uns ohnehin in dieser Woche“, schrieb er. „Ich fordere Sie auf, mit uns zusammen schnell und ohne weitere Verzögerungen Entscheidungen zu treffen, die konsequent darauf ausgerichtet sind, weitere Terroranschläge wie den vom letzten Freitag in unserem Land zu verhindern“. Hebestreit wollte sich auf Nachfragen zu dem offenbar geplanten Treffen nicht äußern. Er verwies auf die Vertraulichkeit solcher Gespräche, auch wenn immer wieder „die Transparenz auf der Gegenseite deutlich größer ist“.

Regierungssprecher verweist auf verschärfte Abschieberegeln

Auf jeden Fall sei aber Scholz grundsätzlich gesprächsbereit, sagte der Regierungssprecher. Es müsse aber „vernünftig und zielführend sein, was man miteinander vereinbaren kann“. So müsse es Vorschläge geben, „die nicht gegen das Grundgesetz verstoßen oder die UN-Menschenrechtscharta“. Diese müsse „eine Regierung immer berücksichtigen in ihrem Handeln“.

Hebestreit betonte, es sei natürlich das gute Recht des Oppositionsführers, Forderungen aufzustellen. Die Bundesregierung habe nach Gesprächen mit den Bundesländern, darunter auch den unionsregierten Ländern bereits im Frühjahr „massive Veränderungen vorgenommen, um rechtliche Hürden für Abschiebungen aus dem Weg zu räumen“. Im Fall des Messerangriffs von Solingen sei es allerdings offensichtlich eher um die Umsetzung bereits geltenden Rechts gegangen.

Faeser hofft weiter auf Abkommen mit Syrien und Afghanistan

Bundesinnenministerin Nancy Faseser (SPD) setzt derweil weiterhin auf Abschiebe-Abkommen mit Syrien und Afghanistan. Die Ministerin sei der Überzeugung, dass es Mittel und Wege gebe, dies zu ermöglichen, sagte eine Sprecherin ihres Ministeriums in Berlin. Verhandlungen mit unterschiedlichen Staaten seien im Gange. Gemeinsam mit den Ländern arbeite man intensiv daran, „Abschiebungen gerade von Gefährdern und Gewalttätern nach Afghanistan und Syrien“ wieder durchsetzen zu können. „Für die Ministerin und uns stehen deutsche Sicherheitsinteressen ganz klar an erster Stelle.“

Nach Einschätzung des Auswärtigen Amts würden sich solche Abschiebungen aber schwierig gestalten. In Syrien komme es in allen Landesteilen zu schweren Menschenrechtsverletzungen, sagte ein Sprecher.

Am Freitagabend waren bei der Messerattacke während eines Stadtfestes drei Menschen getötet und acht weitere verletzt worden. Der mutmaßliche Täter, ein 26-jähriger Syrer, stellte sich am Samstag und wurde festgenommen. Der Generalbundesanwalt ermittelt wegen Terrorverdachts.

Am Samstag hatte die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) die Tat bereits für sich reklamiert. Am Sonntagabend verbreitete der IS dann ein angebliches Bekennervideo, das den Täter zeigen soll. Es zeigt einen vermummten Mann, der eine Stichwaffe in der Hand hält.

Der Mann beschuldigt „Kreuzritter“, in Bosnien, Palästina, Syrien, Libanon und im Irak „Massaker“ begangen zu haben. „So Gott will, werde ich euch in Stücke schneiden“, heißt es weiter. In einem anderen Videoausschnitt, sagt der Mann, der nun nun mit verpixeltem Gesicht gezeigt wird: „Es sind nur noch wenige Augenblicke (...) Bitte betet für mich.“

Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU) mahnte bei der Bewertung des Videos zur Vorsicht. Die Auswertung sei „sehr kompliziert“, sagte er. (AFP)

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