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Politik: Regierung streitet über Doppel-Pass

Jetzt will auch die FDP eine Reform des Staatsbürgerrechts – die Union ist aber strikt dagegen.

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Berlin - Pünktlich zum Wahlkampf hat Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) ein beinahe vergessenes Thema wieder hervorgeholt: die doppelte Staatsbürgerschaft. Die Liberale forderte bessere „Doppel-Pass“-Regelungen. „Integration kann auch durch doppelte Staatsbürgerschaft gefördert werden, wie die vielen Fälle von gut integrierten Bürgern mit Doppel-Staatsbürgerschaft zeigen“, sagte sie „Spiegel Online“. Dazu solle das geltende Optionsrecht reformiert werden. „Die Optionslösung gehört auf den Prüfstand, wenn sie dazu führt, dass sich Menschen von Deutschland abwenden.“ Die seit 2000 geltende Optionsregel besagt, dass in Deutschland geborene Kinder von ausländischen Staatsbürgern, die nicht aus EU-Staaten kommen, sich bis zur Vollendung ihres 23. Lebensjahres entscheiden müssen, welchen Pass sie behalten wollen – den deutschen oder den eines anderen Landes. Tun sie das nicht, verlieren sie automatisch die deutsche Staatsangehörigkeit.

In der Union wird der überraschende Vorstoß von Leutheusser-Schnarrenberger als Wahlkampfmanöver abgetan. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sieht keinen Anlass für eine Reform. „Aktueller gesetzgeberischer Handlungsbedarf ist nicht ersichtlich“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. „Im deutschen Staatsangehörigkeitsrecht gilt der Grundsatz der Vermeidung von Mehrstaatlichkeit.“ Auch im Ressort von Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) sieht man das so. Bei seiner Partei stößt das Thema auf besonders große Ablehnung. „Zur doppelten Staatsbürgerschaft sagen wir klar Nein. Die deutsche Staatsbürgerschaft ist kein Ramschartikel, den man billig verscherbelt“, sagte CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt dem Tagesspiegel. „Wer Deutscher werden will, soll sich vorbehaltlos zu unserem Land und unserer Grundordnung bekennen, da gibt es keinen Platz für Hintertürchen“, erklärte Dobrindt weiter. Ein bisschen Entgegenkommen, zumindest Gesprächsbereitschaft, signalisierte nur der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Michael Grosse-Brömer. Er sagte: „Wenn der Koalitionspartner anderer Auffassung ist, werden wir uns damit zu beschäftigen haben.“

Unterstützung erhielt die Justizministerin aus ihrer eigenen Partei. FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle sagte dem „Handelsblatt“, entscheidend sei nicht, ob jemand zwei Pässe habe, sondern ob er sich in Deutschland integriere und einbringe. „Qualifizierte Zuwanderung sichert unseren Wohlstand. Ich bin für eine Willkommenskultur“, sagte Brüderle. Er forderte „ideologische Abrüstung bei der Frage einer doppelten Staatsbürgerschaft“.

In der Opposition stößt die Justizministerin auf Zustimmung. Als Wahlkampfmanöver wird es trotzdem abgetan. „Die FDP ist bei diesem Thema vollkommen unglaubwürdig. Wir haben im Bundestag eine Debatte über die doppelte Staatsbürgerschaft geführt. Wenn die FDP damals mit der Opposition gestimmt hätte, hätten wir die doppelte Staatsbürgerschaft im Bundestag beschließen können. Die FDP hat sich aber verweigert“, sagte die Integrationsbeauftragte der SPD-Bundestagsfraktion, Aydan Özoguz, dem Tagesspiegel. Doch auch in der SPD ist das Thema nicht ganz unumstritten. Der Neuköllner Bürgermeister Heinz Buschkowsky erklärte in einer Kolumne für die „Bild“-Zeitung, hinter dem Wunsch nach mehreren Pässen stehe wohl das Ziel, „hier oder dort Vorteile im Sozialsystem, bei der Krankheits- und Altersversorgung oder beim Aufenthaltsrecht abzugreifen“. Auch ermöglichten mehrere Staatsangehörigkeiten „das Abtauchen, die Flucht und den Schutz vor Bestrafung für Missetaten“. Özoguz verteidigt dagegen die doppelte Staatsbürgerschaft. „In 19 europäischen Staaten gibt es die doppelte Staatsbürgerschaft und trotzdem entstehen dort keine rechtsfreien Räume. Das wollen wir auch nicht. Wir wollen aber der Lebenswirklichkeit der Menschen entgegenkommen.“

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