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Palästinenser-Präsident Mahmud Abbas bei der Pressekonferenz am Dienstag im Kanzleramt.

© Jens Schlüter / AFP

Protokoll der Pressekonferenz auf „bundesregierung.de“: Regierung veröffentlicht Abbas‘ Holocaust-Vergleich – ohne Kommentar

Versehen oder Routine? Die umstrittenen Worte des Palästinenser-Präsidenten haben es in das offizielle Web-Portal geschafft, trotz laufender Ermittlungen

Stand:

Trotz laufender strafrechtlicher Ermittlungen wegen Volksverhetzung publiziert die Bundesregierung die umstrittenen Äußerungen von Palästinenser-Präsident Mahmud Abbas zum Holocaust unkommentiert auf ihrem Netzportal „bundesregierung.de“. Die Darstellung auf der offiziellen Webseite erfolgt ausdrücklich „im Wortlaut“ ohne Einfügungen oder Ergänzungen und ist als „Mitschrift Pressekonferenz“ frei zugänglich.

Zugleich wird bei „bundesregierung.de“ – an anderer Stelle, vorn auf der Homepage – eine Stellungnahme von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) wiedergegeben, wonach dieser die Äußerungen von Abbas zurückweist: „Unsere Haltung ist klar, wir verurteilen jeden Versuch, den Holocaust zu leugnen oder zu relativieren.“ Abbas Worte werden zudem als „unsägliche Äußerungen“ gerügt. Eine Anfrage des Tagesspiegels, wie die beiden Darstellungen im Portal zusammenpassen, ließ die Regierung zunächst unbeantwortet.

„50 Massaker, 50 Holocausts“

Abbas hatte bei der Pressekonferenz im Kanzleramt am Dienstag israelische Angriffe auf palästinensische Siedlungen mit dem Holocaust verglichen. Wörtlich sagte er nach der vom Simultandolmetscher übernommenen Fassung auf „bundesregierung.de“: „Seit 1947 bis zum heutigen Tage hat Israel 50 Massaker in 50 palästinensischen Dörfern und Städten begangen, in Dair Jassin, Tantura, Kafr Kassim und vielen weiteren, 50 Massaker, 50 Holocausts.“

Im Anschluss wurden Scholz und Regierungssprecher Steffen Hebestreit dafür kritisiert, Abbas nicht unmittelbar noch in der laufenden Pressekonferenz widersprochen zu haben. Hebestreit erklärte dazu am Mittwoch, der Bundeskanzler sei „empört und entsetzt über die Worte von Herrn Abbas“. Eine Relativierung des Holocausts mit seinen mehr als sechs Millionen Toten sei völlig inakzeptabel. Er selbst sehe es als „Fehler“, die Pressekonferenz nach Abbas‘ Rede beendet zu haben. „Ich war nicht schnell und nicht aufmerksam genug, um darauf zu reagieren“.

Ein Service der Bundesregierung

Die Veröffentlichung von Pressekonferenz-Mitschriften ist ein Service der Bundesregierung. Wann genau die Niederschrift vom 16. August im Netz erstmals publiziert wurde, ist bisher nicht bekannt. Es ist zudem fraglich, wie die Darstellung unkommentiert ins Netz gelangen konnte, obwohl Scholz und Hebestreit ihr Versäumnis nach eigenen Angaben unmittelbar mit Abschluss der Pressekonferenz deutlich gewesen sein soll. Nun bleiben die Worte von Abbas – wie schon in der Pressekonferenz selbst – auch bei der dauerhaften Wiedergabe der Mitschrift unwidersprochen.

Ob es zur Strafverfolgung kommt, ist offen

Wie die Berliner Staatsanwaltschaft auf Anfrage bestätigt, prüft sie derzeit, ob ein von der Polizei eingeleitetes Ermittlungsverfahren wegen Volksverhetzung weitergeführt wird. Nach Paragraf 130 Strafgesetzbuch ist es strafbar, den Massenmord an Jüdinnen und Juden in der Nazizeit zu verharmlosen. Ob Abbas deswegen verfolgt werden kann, ist allerdings offen. Eine Regelung im Gerichtsverfassungsgesetz bestimmt, dass Repräsentanten anderer Staaten, die sich auf amtliche Einladung der Bundesrepublik in Deutschland aufhalten, nicht der deutschen Gerichtsbarkeit unterliegen. Ob Abbas in diesem Sinne als Repräsentant eines Palästinenserstaats angesehen werden kann, ist fraglich. Die Bundesregierung unterhält zwar diplomatische Beziehungen, erkennt Palästina aber nicht als Staat an.    

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