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Bei den Oppositionsprotesten in den arabischen Staaten ist ein Ende der Gewalt nicht in Sicht.

© dpa

Libyen: Regierungsgebäude in Tripolis brennen

Das Regime von Muammar Gaddafi steht offenbar vor dem Ende. In der Hauptstadt Tripolis setzte eine wütende Menge Ministerien und Polizeistationen in Brand. Inzwischen sollen Mitglieder der Regierung von Gaddafi abgefallen sein.

Weniger als eine Woche nach dem ersten "Tag des Zorns" am Donnerstag haben die Unruhen jetzt auch Tripolis erfasst. Alle anderen Städte des Landes befinden sich bereits in den Händen der Aufständischen, neben der Hafenstadt Benghazi auch Sirte, wo Machthaber Gaddafi normalerweise in seinem Zelt residiert. Ganze Truppenteile haben sich den Demonstranten angeschlossen. Mitglieder der Regierung sollen nach Angaben libyscher Diplomaten von Gaddafi abgefallen sein. Justizminister Mustapha Abdel Jalil legte sein Amt aus Protest gegen das Morden an den Demonstranten nieder. Der Botschafter Libyens bei der Arabischen Liga in Kairo erklärte, er schließe sich den Aufständischen an. Aus der Grenzstadt al-Zawiya zu Tunesien vertrieben die Bewohner die gesamte Polizei. In anderen Städten feierten die Menschen bereits das Ende des Gaddafi-Regimes, der sich am Montag aber offenbar noch innerhalb des Landes aufhielt. Andere Gerüchte wollten bereits wissen, der seit 42 Jahren regierende Machthaber habe sich inzwischen nach Venezuela abgesetzt. Zahlreiche Staaten, darunter Österreich, die Türkei, Italien und Russland, begannen, ihre Staatsangehörigen in Sicherheit zu bringen.

In der Hauptstadt setzte eine wütende Menge das staatliche Radio- und Fernsehgebäude sowie mehrere Ministerien, Polizeistationen und die Zentrale der so genannten Revolutionären Komitees in Brand. Zahlreiche Banken und öffentliche Gebäude wurden geplündert, die an allen Straßenecken stehenden Propaganda-Plakate des "Bruder Führers" zerstört. Soldaten schossen mit Maschinengewehren und Artillerie auf die Demonstranten. Im Hafen von Tripolis liefen am Morgen vier libysche Kriegsschiffe ein. Nach Angaben von lokalen und internationalen Menschenrechtsorganisationen sind seit Mitte letzter Woche mindestens 400 Menschen gestorben, wahrscheinlich jedoch wesentlich mehr. Allein in Tripolis gab es nach Augenzeugenberichten bis zum Nachmittag mehr als 60 Opfer. Die Führung der Regimegegner riefen die Menschen in Tripolis und Umgebung zu einem Million-Menschen-Marsch auf, um am Abend zu der schwer bewachten Militärbasis Bab al-Azizia zu gehen, wo sich Gaddafi aufhalten soll. Auf dem Grünen Platz im Zentrum skandierte eine aufgebrachte Menge "Komm raus Du Feigling, zeig dich, wenn du ein Mann bist".

Die Situation hatte sich in der Nacht zu Montag extrem verschärft nach einer aufgebrachten und provokanten Fernsehansprache von Saif al-Islam, dem zweiten Sohn Gaddafis. Dieser drohte den Menschen mit Blutbad und Bürgerkrieg. In scharfem Ton verurteilte er den Aufstand als eine "ausländische Verschwörung". Das Land stehe an einem Scheideweg, rief er mit erhobenem Zeigefinger. "Wir werden Libyen nicht aufgeben. Wir werden zu den Waffen greifen und bis zur letzten Patrone kämpfen." Man werde die abtrünnigen Elemente zerstören. Libyen sei nicht Ägypten und nicht Tunesien, fügte Saif al-Islam hinzu. "Jeder hat eine Waffe. Das bedeutet Bürgerkrieg. Und wir werden uns alle gegenseitig töten".

Jede Menge Plünderer seien auf den Straßen unterwegs, niemand aus der Familie sei am Montag zur Arbeit gegangen, berichteten Bewohner von Tripolis gegenüber AFP. "Wir beten, dass hier alles schnell ein Ende findet." Ein anderer berichtete, zahlreiche Autos seien angezündet worden. Von überall her seien Schüsse zu hören. "Wir brauchen kein Brot, wir haben genug davon", schilderte ein Einwohner aus der Hafenstadt Dernah die Stimmung unter den Protestierenden. "Wir wollen Demokratie essen. Wir wollen Freiheit trinken." Derweil schlug ein Mob von 500 Leuten auf der Baustelle einer südkoreanischen Firma nahe Tripolis alles kurz und klein. Dabei wurden nach Angaben des südkoreanischen Außenministeriums 15 Arbeiter als Bangla Desh sowie drei Südkoreaner verletzt.

In Benghazi berichtete der Chef der Intensivstation des Al-Jalae-Krankenhauses, allein am Sonntagnachmittag seien 50 Leichen mit Schusswunden eingeliefert worden. Mehr als 200 Menschen seien verletzt worden, die Hälfte von ihnen schwebe noch in Lebensgefahr. Soldaten einer im Stadtzentrum stationierten Eliteeinheit hatten zuvor mit Maschinengewehren und Panzerfäusten das Feuer auf einen Trauerzug eröffnet.

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