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Streit um die Kopfpauschale: Rösler kontert Merkel

Unnachgiebig verteidigt der Minister sein Konzept der Gesundheitsfinanzierung gegen Anwürfe der Kanzlerin. Einen schrittweisen Systemumbau hält er für durchaus bezahlbar.

Der gesundheitspolitische Sprecher der Unions-Fraktion, Jens Spahn, hat die Kritik von Gesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) an den Extrabeiträgen zurückgewiesen. "Der Zusatzbeitrag ist nicht unsozial", sagte Spahn der Rheinischen Post. Er verwies darauf, dass das von der Großen Koalition eingeführte Finanzierungsinstrument eine Überforderungsklausel beinhalte. Oberhalb von acht Euro darf die Prämie demnach maximal ein Prozent des Einkommens des Mitglieds betragen. Zudem bestehe für betroffene Mitglieder die Möglichkeit eines Kassenwechsels.

"In der jetzigen Form sind die Zusatzbeiträge unsozial", sagte hingegen Rösler der Bild-Zeitung. Weil bis zur Höhe von acht Euro monatlich kein Sozialausgleich stattfinde und Gering- und Gutverdiener dieselbe Summe zu zahlen hätten, würden die Menschen diese Maßnahme als ungerecht empfinden. Zugleich betonte der Minister, jede Krankenkasse stehe in der Pflicht, Zusatzbeiträge möglichst zu vermeiden. Die Versicherten müssten selbst entscheiden, ob sie die jeweilige Kasse verließen. Mitte der Woche hatten die ersten großen Krankenkassen Zusatzbeiträge von acht Euro zu Februar angekündigt. Mit dem zusätzlichen Geld wollen sie ihre Defizite unter Kontrolle halten.

Röslers Reformpläne sehen die Einführung einer einkommensunabhängigen Beitragspauschale für Arbeitnehmer in der gesetzlichen Krankenversicherung vor. Für Geringverdiener soll es einen sozialen Ausgleich aus dem Steuersystem geben. Kritiker halten die Reform für nicht finanzierbar.

Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte Rösler wegen seines Eintretens für die Pauschale vor Unionspolitikern kritisiert. In geschlossenem Kreis der Fraktionssitzung im Bundestag soll sie Anfang der Woche gesagt haben, es habe keinen Sinn, immer wieder mit Vorschlägen für die Einführung einer Kopfpauschale voranzupreschen. Merkel verwies darin auf die ab 2011 geltende, im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse gegen ein weiteres Anwachsen des Staatsdefizits. "Dann soll Herr Rösler mal schauen, wie er das haushaltsneutral hinbekommt", sagte die Kanzlerin über ihren Minister. 

Der Koalitionsvertrag sieht langfristig eine Einführung von einkommensunabhängigen Krankenkassenbeiträgen vor. Weil ein konkreter Zeitpunkt fehlt, hatten sich Union und FDP darüber zerstritten.

Scharfe Kritik an den Plänen von Rösler übten nicht nur die Oppositionsparteien, sondern auch CSU-Chef Horst Seehofer. Er bezeichnete die vom Gesundheitsminister angestrebte Kopfpauschale als "völligen Nonsens" und kündigte entschiedenen Widerstand an. Bei der Einführung eines für alle Versicherten gleichen Beitrag werde für den Sozialausgleich aus Steuergeldern ein zweistelliger Milliardenbetrag notwendig. "Das ist blanke Illusion." Er werde dagegen " genauso wie 2004 Sturm laufen". Damals hatte Seehofer im Streit mit Merkel um die Kopfpauschale sein Amt als Unions-Fraktionsvize niedergelegt.

Ähnlich wie Seehofer argumentierten auch SPD, Grüne und Linke in einer aktuellen Stunde im Bundestag. Sie warfen der Koalition vor, die von den Kassen geplanten Zusatzbeiträge seien der "Einstieg in die Kopfpauschale". Der von Rösler angekündigte Sozialausgleich sei nicht finanzierbar. Um die Arbeitgeber und Gutverdienenden zu entlasten, würden dann vielmehr die Geringverdiener auch noch steuerlich zusätzlich belastet, sagte der gesundheitspolitische Sprecher der SPD, Karl Lauterbach. In der Bevölkerung gebe es für das neue Finanzierungsmodell keine Unterstützung.

Grünen-Fraktionsvize Fritz Kuhn nannte die Zusatzbeiträge eine "weitere Entsolidarisierung des Gesundheitswesens". Rösler müsse jetzt nur noch dafür sorgen, dass die Begrenzung auf ein Prozent des Bruttoeinkommens aufgehoben werden, um zu seiner Kopfpauschale zu kommen. Kuhn warf allerdings auch der SPD "Heuchelei" vor, weil sie die Möglichkeit der Zusatzbeiträge in der Gesundheitsreform von 2006 mitbeschlossen habe.

Der CDU-Gesundheitspolitiker Jens Spahn warf der SPD gleichfalls vor, sie mache sie "politisch vom Acker". Er kündigte a, die Koalition werde die Zusatzbeiträge so weiter entwickeln, dass daraus eine Gesundheitsprämie mit einem echten Sozialausgleich werde. Seine FDP-Kollegin Ulrike Flach sagte, die von Rösler eingesetzte Kommission werde dazu bis zum Sommer Vorschläge vorlegen. Außerdem werde man sich Einsparmöglichkeiten ansehen.

Quelle: ZEIT ONLINE

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