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Rückkehr zur Wehrpflicht?: Frei dringt auf baldige Entscheidung – Klingbeil bekräftigt Ablehnung
Wehrpflicht oder Freiwilligkeit? Union und SPD begegnen dieser Kernfrage für die Zukunft der Bundeswehr mit unterschiedlicher Dringlichkeit. Der Kanzleramtschef erhöht nun den Druck.
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Kanzleramtschef Thorsten Frei dringt auf eine baldige Entscheidung darüber, ob die angestrebte Vergrößerung der Bundeswehr über Freiwilligkeit oder nur über die Rückkehr zur Wehrpflicht erreichbar ist. „Wir haben nicht die Zeit, bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag zu warten“, sagte der CDU-Politiker in einem Interview der Deutschen Presse-Agentur. Die schwarz-rote Koalition müsse eine klare Verabredung treffen, „wann wir unsere Strategie verändern müssen, damit wir das allseits für notwendig erkannte Ziel auch erreichen können“.
Nach Einschätzung von Verteidigungsminister Boris Pistorius benötigt die Bundeswehr 50.000 bis 60.000 aktive Soldaten mehr, um der Bedrohung aus Russland gerecht zu werden. Derzeit gehören der Truppe etwas mehr als 180.000 Soldaten an. Die Zielgröße liegt heute bei 203.000 Soldaten - doch selbst die konnte bisher nicht über die freiwillige Rekrutierung erreicht werden.
Frei: Haben „so gut wie gar keine Zeit“
Frei hält es für nur schwer vorstellbar, dass die nun von Pistorius angestrebten 230.000 bis 240.000 Soldaten über einen freiwilligen Wehrdienst erreicht werden können, wie er im Koalitionsvertrag vorgesehen ist.
Man müsse sich nun zunächst darauf verständigen, bis wann die neue Zielgröße erreicht werden soll, sagte Frei. „Und dann muss man sich überlegen: Wie viel Zeit können wir uns lassen, dieses Ziel auf freiwilliger Basis zu erreichen? Meine persönliche Einschätzung ist, dass wir dafür eigentlich so gut wie gar keine Zeit haben, denn die Bedrohungslage ist enorm.“
Es wird keine Rückkehr zur alten Wehrpflicht geben, bei der alle jungen Männer eines Jahrgangs eingezogen werden.
Lars Klingbeil
Die Wehrpflicht für Männer war 2011 nach 55 Jahren ausgesetzt worden. In ihrem Koalitionsvertrag haben Union und SPD sich auf einen Wehrdienst verständigt, „der zunächst auf Freiwilligkeit basiert“.
Frei sagte der dpa, dass das den Absprachen in den Koalitionsverhandlungen widerspreche und sich auch nicht mit den Aussagen von Verteidigungsminister Pistorius (SPD) decke. Wenn der wunschgemäße Weg der Freiwilligkeit nicht zum Ziel führe, „dann entspricht es doch nur dem gesunden Menschenverstand, dass man nach einem anderen Weg sucht“.
Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD) erteilte den Unions-Forderungen unterdessen erneut eine klare Absage. „Es wird keine Rückkehr zur alten Wehrpflicht geben, bei der alle jungen Männer eines Jahrgangs eingezogen werden“, sagte Klingbeil den Zeitungen der Neuen Berliner Redaktionsgesellschaft (Freitagausgaben). Stattdessen müsse die Bundeswehr „deutlich attraktiver für junge Menschen werden“. Der SPD-Chef sprach sich im Zuge dessen erneut dafür aus, den kostenlosen Führerschein beim Bund zu integrieren.
Klingbeil zeigte sich einverstanden damit, dabei „jetzt schon die Voraussetzungen dafür“ zu schaffen, „dass auch verpflichtend eingezogen werden könnte“. Das soll für den Fall gelten, dass sich nicht genügend Freiwillige melden. (dpa/AFP)
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