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Der Fraktionschef der Sozialisten im EU-Parlament, der Italiener Gianni Pittella.

© dpa/Patrick Seeger

Griechenland: "Schäuble zündelt gern"

Die jüngsten Äußerungen von Finanzminister Wolfgang Schäuble zu Griechenland kommen beim Fraktionschef der Sozialisten im EU-Parlament, Gianni Pittella, nicht gut an.

Herr Pittella, Bundeskanzlerin Angela Merkel hat jüngst erklärt, dass sie als Antwort auf die Herausforderungen für Europa eine EU der verschiedenen Geschwindigkeiten für sinnvoll hält. Wie bewerten Sie den Vorschlag?
Das Europa der verschiedenen Geschwindigkeiten existiert doch bereits: beim Euro, beim Schengen-Raum. Was bedeutet es also, wenn Merkel jetzt erneut ein Europa der verschiedenen Geschwindigkeiten ins Gespräch bringt? Heißt es, dass es in den Augen von Merkel zwei Europas gibt – ein gutes und ein schlechtes? Ein Europa der Sparsamkeit und eines der Haushaltssünder? Falls sie eine solche Art der Unterscheidung vorgenommen haben sollte, so sind wir dagegen. Aber wenn die Idee darin besteht, eine gemeinsame EU-Haushaltspolitik zu stärken oder auf dem Feld der europäischen Verteidigungs- oder Sozialpolitik voranzukommen, dann wäre das begrüßenswert.
Ihnen geht es also darum, dass es zu keinen weiteren Zerwürfnissen im Euro kommt. Was schlagen Sie zur Weiterentwicklung der Währungsunion vor?
Die Euro-Zone braucht einen eigenen Finanzminister, der Mitglied der EU-Kommission ist. Aber nicht nur das: Die Euro-Zone braucht auch einen eigenen Haushalt zum Schutz einzelner Staaten vor unvorhergesehenen wirtschaftlichen Schocks sowie Euro-Bonds zur Vergemeinschaftung der Schulden...
...Euro-Bonds dürften mit Deutschland, zumal im Wahljahr, kaum zu machen sein...
...Ja, aber als politische Führungspersönlichkeiten müssen wir Mut zeigen – und nicht nur der öffentlichen Meinung nachlaufen. Mein Freund und früherer Parlamentskollege Martin Schulz hat dabei übrigens auch in Deutschland eine ganz wichtige Aufgabe. Für uns ist es entscheidend, dass sich die politische Landschaft in Deutschland ändert. Ein Sieg von Martin Schulz bei der Bundestagswahl wäre ein Wendepunkt.
Im Fall einer Wahl der Rechtsextremen Marine Le Pen zur französischen Präsidentin wären all Ihre Überlegungen allerdings Makulatur.
Ich hoffe, dass Marine Le Pen nicht gewinnt. Ich denke, dass die Franzosen über genügend Intelligenz verfügen, um ihre politischen Vorschläge zurückzuweisen. Sie sind sehr gefährlich für Frankreich und die EU. Mit einem Austritt aus dem Euro und der EU, wie sie von Le Pen vorgeschlagen werden, würde sich Frankreich nur selbst schaden.
Frankreich scheint wie Ihr Heimatland Italien auf die Hilfe der EU-Partner angewiesen zu sein, damit sich politischer Extremismus dort nicht noch weiter ausbreitet.
Das stimmt. Wie groß das Risiko ist, haben uns im vergangenen Jahr das Brexit-Votum in Großbritannien und die Wahl von Trump zum US-Präsidenten gezeigt. Auf europäischer Ebene sind in der Vergangenheit etliche Fehler gemacht worden: Die blindwütige Sparpolitik, die von Falken wie dem deutschen Finanzminister Schäuble verfolgt wird, wirkt wie Sauerstoff für die anti-europäischen Kräfte. Wir können gegen die Anti-Europäer gewinnen, wenn wir den Entwurf eines neues Europas glaubhaft darstellen: mit der Schaffung von Arbeitsplätzen und einem entschiedenen Vorgehen gegen Sozial- und Steuerdumping.
Schäuble fordert, dass Griechenland wettbewerbsfähig werden muss. Anderenfalls könne Hellas nicht in der Währungsunion bleiben. Was halten Sie davon?
Schäuble zündelt gern, wann immer es um Griechenland geht. Athen hat erhebliche Anstrengungen unternommen. Jetzt müssen Griechenlands Euro-Partner ihren Verpflichtungen nachkommen, die laufende Reformüberprüfung abschließen und eine spürbare Schuldenerleichterung einleiten. Wie immer versucht Schäuble, Griechenland zu destabilisieren, um in der deutschen Innenpolitik zu punkten. Dies ist unverantwortlich und gefährlich – gerade vor dem Hintergrund von Trumps Verbalattacken auf Europa.

Das Gespräch führte Albrecht Meier.

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