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Schaulaufen der Bedenkenträger: Was spricht jetzt noch gegen ein AfD-Verbotsverfahren?
Die Mehrheit der Deutschen wünscht sich ein Verbotsverfahren gegen die AfD. Doch es gibt auch warnende Stimmen. Deren Argumente sind zum Teil abenteuerlich.

Stand:
Seit nun auch das Bundesamt für Verfassungsschutz in einem ausführlichen Gutachten dokumentiert hat, dass es sich bei der AfD um eine rechtsextreme und verfassungsfeindliche Partei handelt, wünscht sich die Mehrheit der Deutschen ein Verbotsverfahren. Allerdings melden einige Politiker weiterhin Bedenken an. Wie plausibel sind diese?
Zu den unlogischsten Argumenten gegen ein Verbotsverfahren zählt die Behauptung, man könne die AfD jetzt leider nicht verbieten, weil zunächst eine andere Maßnahme Vorrang habe. Davon gibt es tatsächlich viele: Man kann versuchen, der rechtsextremen Partei die staatliche Parteienfinanzierung zu streichen, radikale Mitglieder aus dem Staatsdienst zu entfernen oder die AfD durch gute Regierungsarbeit zurückzudrängen …
Das sind sinnvolle, lohnende Ansätze. Doch es gibt überhaupt keinen Grund, deshalb noch mit einem Verbotsverfahren zu warten. Selbstverständlich können alle Maßnahmen gleichzeitig angegangen werden. Kein Gericht wird sagen: Dieser radikale Polizist mit AfD-Parteibuch kann leider nicht aus dem Dienst entfernt werden, weil aktuell ein Verbotsverfahren gegen seine Partei läuft.
Es geht um Ämter, Gelder und Strukturen
Ein zweites Quatschargument lautet, ein Verbot der AfD bringe nichts, denn das rechtsextreme Gedankengut bliebe ja trotzdem in den Köpfen der Wähler bestehen. Dieses Argument ist so irreführend, dass es wütend macht. Natürlich kann man keine rechtsextremen Gedanken verbieten, aber dies ist doch gar nicht das Ziel.
Es geht vielmehr darum, den Rechtsextremen ihre Ämter, Strukturen, Gelder und öffentlichen Plattformen für ihre Propaganda zu nehmen. Und zu verhindern, dass die Rechtsextremen jemals an die Macht gelangen, sollte die Brandmauer fallen und sollten sich irgendwann jene Stimmen in der Union durchsetzen, die die AfD als „normale Partei“ behandeln wollen. Hierfür ist ein Parteiverbot äußerst effektiv.
Andere Bedenkenträger behaupten, man solle ein Verbotsverfahren besser nicht starten, weil es mehrere Jahre und somit viel zu lange dauern würde. Das ist ungefähr so, als würde sich ein Student bewusst dazu entscheiden, seine Masterarbeit lieber erst gar nicht zu beginnen, weil doch klar sei, dass diese einige Zeit in Anspruch nehmen werde. Je früher man beginnt, desto früher ist man am Ziel.
Vollkommen falsch ist die Annahme, ein Verbotsverfahren sei undemokratisch, weil das Verbot auf Grundlage eines geheimen Gutachtens erfolgen würde, das die AfD gar nicht zu Gesicht bekommt. Wer so etwas behauptet, hat vom Ablauf keine Ahnung und offenbar auch kein Interesse, sich zumindest einmal zu informieren, bevor er solch steile Thesen raushaut.
Selbstverständlich wird die AfD in einem Verbotsverfahren, in dem das Gutachten des Verfassungsschutzes eine Rolle spielt, Einblick in das Dokument erhalten. Die Partei wird dann zu jedem einzelnen Vorwurf Stellung nehmen können. Sie kann versuchen, die Vorwürfe zu entkräften. Frühere Gerichtsprozesse haben allerdings gezeigt, dass der Verfassungsschutz bei seinen Gutachten zur AfD präzise und gründlich vorgeht.
Weiterhin behaupten manche, man könne die AfD nicht verbieten, da sie inzwischen zu viele Wähler habe. Diese Aussage ist gerade mit Blick auf die deutsche Vergangenheit bizarr. Die NSDAP holte bei Wahlen schließlich bis zu 44 Prozent der Stimmen. Im Jahr 1945 verfügte sie über mehr als acht Millionen Parteimitglieder (zum Vergleich: Die AfD hat bislang nur 52.000). Trotzdem gingen die ehemaligen NSDAP-Mitglieder bei der ersten Bundestagswahl 1949 nicht auf die Barrikaden, sondern entschieden sich für eine jener Parteien, die zur Wahl zugelassen waren. Exakt so liefe es auch bei einem AfD-Verbot.
Eine erste Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Insa hat auch bereits ermittelt, welchen Parteien sich die AfD-Wähler nach einem Verbot ihrer Partei zuwenden würden. Ergebnis: Alle demokratischen Parteien würden profitieren. Die FDP käme sogar wieder in den Bundestag.
Ein Scheitern des Verfahrens wäre kein Triumph für die AfD
Bleibt die Frage, was passiert, sollte ein Verbotsverfahren auf den Weg gebracht werden, am Ende aber vor dem Bundesverfassungsgericht scheitern. Die Bedenkenträger fürchten, dies käme einem Triumph für die AfD gleich. Wie genau sich dieser Triumph auswirken würde, verraten die Bedenkenträger jedoch nicht. Das können sie auch gar nicht.
Als 2003 das Verbotsverfahren gegen die rechtsextreme NPD scheiterte, führte das nicht etwa zu einem Stimmenzuwachs der Partei. Die Bevölkerung kam natürlich nicht auf die Idee, die NPD plötzlich für eine demokratische Partei zu halten. Vielmehr haben das Verfahren und die dort vorgelegten Beweise der deutschen Öffentlichkeit verdeutlicht, wie radikal diese Partei wirklich war. Von einem Triumph für die NPD konnte keine Rede sein.
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