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Nicht zu unterschätzen: die persönliche Zuwendung im Krankenhaus.

© Halfdark/fStopImages/imago

Schließung von Krankenhäusern: Gesundheitspolitik darf nicht Angst machen

Je weniger Krankenhäuser, desto rapider nimmt die Landflucht zu. Allein aus psychologischen Gründen sollten möglichst viele erhalten bleiben. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Gerd Appenzeller

Ein klarer Widerspruch: Vor wenigen Tagen präsentierten der Bundesinnenminister von der CSU, die Landwirtschaftsministerin von der CDU und die Familienministerin von der SPD ihre Ideen für gleichwertige Lebensverhältnisse in Deutschland. Kern der Vorstellungen von Horst Seehofer, Julia Klöckner und Franziska Giffey ist der Ausbau einer flächendeckenden ländlichen Infrastruktur, zu der zwingend die Gesundheitsversorgung gehört. Nun stellt die Bertelsmann-Stiftung eine Studie vor, die rät, die Zahl von 1400 Akutkrankenhäusern in Deutschland auf unter 600 zu senken. Das würde zum massiven Abbau im ländlichen Raum führen.

Bislang verfolgen Krankenkassen und Politik gemeinsam ein Ziel: Jeder Erkrankte soll innerhalb von 30 Minuten ein Krankenhaus der Grundversorgung erreichen können sollte. Die Bertelsmann-Studie hält dem entgegen, dass die Fahrzeit nur eine der relevanten Größen bei der Planung sei. Weit entscheidender für den Erfolg der Versorgung im Krankenhaus seien Erfahrung und Qualifikation der Ärzte. Es könne besser sein, mit dem Krankenwagen in eine entferntere, aber auf den jeweiligen Fall spezialisierte Klinik gebracht zu werden.

Analysen zeigen tatsächlich, dass die Zahl der Komplikationen nach Operationen bei erfahrenen Chirurgen und Klinikpersonal deutlich sinkt. Die Krankenkassen erstatten die Kosten komplizierter Eingriffe denn auch nur noch, wenn sie an Kliniken mit ausreichend großen Fallzahlen durchgeführt werden.

Unbestritten ist aber, dass ein schnell erreichbares Krankenhaus und Ärzte für die Bewohner ländlicher Regionen so selbstverständlich ein Teil der Daseinsfürsorge sind wie Schulen, Einzelhandel, Behörden und ein zuverlässiger Nahverkehr. Je mehr es daran mangelt, umso rapider nimmt die Landflucht zu.

In den Ballungsräumen gibt es dann ganz andere, noch dramatischere Konflikte. Von denen ist der Kampf um bezahlbaren Wohnraum nur der offenkundigste. Wer also der Entvölkerung des ländlichen Raumes entgegen wirken will – dass die Bundesregierung dies versucht, ist lobenswert – muss alles unterlassen, was die soziale Infrastruktur schwächt.

Das Krankenhaus in der Nähe ist unverzichtbar

Vor diesem Hintergrund sollte man die Bertelsmann-Studie ernst, aber nicht als reine Lehre nehmen. Medizinische Grundversorgung bei Geburten und der Behandlung altersbedingter Krankheitsbilder benennt die Deutsche Krankenhausgesellschaft zutreffend als unverzichtbar. In einem solchen Krankenhaus kann in der Aufnahme auch entschieden werden, ob eine Patientin oder ein Patient besser in eine Schwerpunktklinik verlegt wird, und wie schnell das geschehen muss. Es geht also weniger um die Schließung von Kliniken, als um deren Zusammenarbeit.

Die Aufrechterhaltung einer solchen Versorgungsstruktur in der Fläche ist teuer. Deshalb hat Gesundheitsminister Jens Spahn angekündigt, an 120 Kliniken in ländlichen Regionen jährlich jeweils 400.000 Euro Budgethilfe zu zahlen.

Den Drang der Menschen in die großen Städten kann die Politik kaum stoppen. Bessere Ausbildungs- und Arbeitsplatzangebote dort verstärken diese Entwicklung. Aber die Politik muss alles unterstützen, was das Leben außerhalb der Großstädte weiter zufriedenstellend macht. Und dazu gehört zwingend das Krankenhaus in der Nähe. Mit dessen Schließung zu drohen, ängstigt die Menschen.

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