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Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD, l.) und Unions-Fraktionschef Friedrich Merz (CDU) im Bundestag.

© dpa/Hannes P Albert

Scholz gegen Merz: Kann das Fernseh-Duell die Stimmung drehen?

Am Sonntagabend treffen Olaf Scholz und Friedrich Merz live aufeinander. Die Wirkung solcher TV-Duelle wird oft überschätzt, sagen Experten. Diesmal könnte es jedoch anders sein.

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Wenn Olaf Scholz und Friedrich Merz am Sonntagabend im Fernsehduell von ARD und ZDF aufeinandertreffen, steht für beide eine Menge auf dem Spiel. Die Augen und Ohren wohl etlicher Millionen Bundesbürger werden auf die beiden Kanzlerkandidaten gerichtet sein. Es ist ihre Chance, mit Schwung in den Schlussspurt des Wahlkampfs zu starten.

In den letzten Umfragen punktete vor allem CDU-Chef Friedrich Merz. Im ARD-Deutschlandtrend konnte er seine persönliche Beliebtheit um vier Prozentpunkte auf 32 Prozent steigern. Olaf Scholz kommt auf 23 Prozent. Die Union steht im Durchschnitt der Umfragen bei etwa 30 Prozent, während die SPD bei etwa 16 Prozent liegt.

Gelingt Scholz der Stimmungswechsel?

Für Merz ist das anstehende Duell eine Gelegenheit, seine Unterstützung zu stabilisieren. Kanzler Scholz kann hingegen einen letzten Versuch unternehmen, die Stimmung im Land zu drehen. Doch haben TV-Duelle überhaupt einen Einfluss darauf, wo die Bürger am Wahltag ihr Kreuz setzen? Der Tagesspiegel hat mit drei Experten über diese Frage gesprochen.

„Normalerweise können TV-Duelle keine Wahl entscheiden“, sagt Frank Brettschneider, Professor für Kommunikationswissenschaft an der Universität Hohenheim: „Diesmal könnten sie aber einen wichtigen Beitrag leisten.“

In der Regel seien viele Zuschauer schon vor dem Duell auf einen Kandidaten festgelegt, sagt Brettschneider. „Sie holen sich während der Sendung also nur eine Bestätigung dafür ab, dass sie den Richtigen unterstützen.“ Anders verhalte es sich, wenn ein großer Teil der Wähler noch unentschlossen sei.

Viele Unentschiedene, viele Unzufriedene

Das ist vor der Bundestagswahl am 23. Februar eindeutig der Fall. In einer Ende Januar erschienenen YouGov-Umfrage gab knapp ein Drittel der Befragten an, sich noch für keine Partei entschieden zu haben. „Auf diese Gruppe haben TV-Duelle einen größeren Einfluss“, sagt Jürgen Maier, Professor für politische Kommunikation an der Rheinland-Pfälzischen Technischen Universität Kaiserslautern-Landau.

Der Experte verweist auf einen weiteren Faktor, der die Wirkung des TV-Duells steigern könnte: „Alle vier Kandidaten sind diesmal ziemlich unbeliebt. Viele Wähler wissen nicht, wer ihnen überhaupt zusagt.“ Die Duelle könnten das ändern.

Tatsächlich ist es um das Ansehen der Kanzlerkandidaten nicht gut bestellt. In der sogenannten K-Frage werden Bürger befragt, wen sie zum nächsten Kanzler wählen würden. Einer Tagesspiegel-Übersicht zufolge, die Daten verschiedener Umfrageinstitute auswertet, liegt CDU-Chef Merz aktuell mit 24 Prozent vorne.

24
Prozent der Wähler würden CDU-Chef Friedrich Merz zum nächsten Bundeskanzler wählen. Auf Platz zwei folgt Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne).

21 Prozent sprechen sich für Robert Habeck (Grüne) und 17 Prozent für die AfD-Kandidatin Alice Weidel aus. Bundeskanzler Scholz liegt mit 15 Prozent auf dem vierten Platz. Übrig bleiben 23 Prozent, die von keinem der Kanzlerkandidaten überzeugt sind.

Zum Vergleich: Im ARD-Deutschlandtrend von September 2021 bekundeten noch 43 Prozent der Befragten, sich Olaf Scholz als nächsten Bundeskanzler zu wünschen. CDU-Kandidat Armin Laschet kam damals auf 16 Prozent.

Löst das Kanzler-Duell einen Domino-Effekt aus?

Zusätzliche Bedeutung gewinnt das anstehende Duell durch seinen Zeitpunkt. „Je näher die Debatten am Wahltag liegen, desto größer ist der Einfluss auf die Wähler, weil sie sich stärker daran erinnern“, sagt Christoph Bieber. Er ist als Professor für Politikwissenschaft am Forschungszentrum Center for Advanced Internet Studies in Duisburg tätig.

Die Bundestagswahl am 23. Februar findet genau zwei Wochen nach dem Duell zwischen Merz und Scholz statt. Das ist nicht ungewöhnlich kurz, 2021 wurde das letzte Kanzler-Triell sogar nur eine Woche vor der Wahl übertragen. Allerdings bildet die Konfrontation zwischen Scholz und Merz diesmal nur den Auftakt zu einer Serie von Debatten, in denen sich die Kanzler- und Spitzenkandidaten in verschiedensten Konstellationen begegnen.

Auf drei Eigenschaften kommt es beim Kanzler-Duell an

„Das prägt die letzten beiden Wochen vor der Wahl entscheidend“, führt Bieber aus. „Die Medien werden aufgreifen, was in den Debatten passiert. Das beeinflusst wiederum die Wahrnehmung der Wähler – selbst wenn sie gar nicht alle Sendungen gesehen haben“, sagt er.

Das erste Duell könne eine Art Dominoeffekt auslösen, sagt Kommunikationsexperte Maier: „In den folgenden Debatten können sich Eindrücke, die man am Sonntag bekommt, verfestigen und so die Chancen eines Kandidaten erhöhen oder verringern.“

Sie gehören zur Debattenfolklore dazu.

Christoph Bieber, Politikwissenschaftler am Forschungszentrum CAIS, über Blitz-Umfragen, die kurz nach TV-Duellen einen Gewinner ausrufen.

Worauf müssen Scholz und Merz am Sonntag achten, um unentschlossene Wähler zu überzeugen und ihre Unterstützer zu mobilisieren? „Spitzenkandidaten werden anhand von drei Kriterien bewertet“, sagt Frank Brettschneider: „Sie müssen als inhaltlich kompetent, vertrauenswürdig und führungsstark wahrgenommen werden.“

Der Experte erwartet, dass Scholz seinen Rivalen Merz wegen dessen gemeinsamer Abstimmung mit der AfD angreifen wird. „So kann er Merz’ Vertrauenswürdigkeit beschädigen“, sagt Brettschneider. Merz werde dagegen versuchen, „Scholz nachzuweisen, dass er keine große Führungsstärke besitzt.“

Auf Blitz-Umfragen, die kurz nach dem Duell einen Gewinner bestimmen, sollte man wenig geben – darin sind sich die Experten einig. „Sie gehören zur Debattenfolklore dazu“, sagt Christoph Bieber. „Wissenschaftlichen Ansprüchen genügen sie aber nicht, weil es nur Momentaufnahmen sind.“

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