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Der ehemalige Bundeskanzler Schröder (Archivbild).

© REUTERS/Fabrizio Bensch

Update

Vor Scholz’ Besichtigungstermin in Mülheim: Schröder macht Siemens für fehlende „Nord Stream 1“-Turbine verantwortlich

Die Maschine hängt nach wie vor in Deutschland fest. Bundeskanzler Scholz plant, sie zu besichtigen. Zuvor meldet sich sein Amtsvorgänger Schröder zu Wort.

Altkanzler Gerhard Schröder macht im Streit über ausbleibende Erdgas-Lieferungen aus Russland Siemens für das Fehlen einer Turbine für die Pipeline Nord Stream 1 verantwortlich. „Die Turbinen, die man braucht, um das Gas überhaupt in die Pipeline zu bringen, kommen von Siemens und müssen regelmäßig gewartet werden“, sagte er dem Magazin „Stern“ und den Sendern RTL/ntv. „Aber Siemens hat die gerade viel debattierte Turbine aus der Wartung in Kanada nach Mülheim an der Ruhr gebracht. Warum sie dort ist und nicht in Russland, verstehe ich nicht.“

Dass gegenwärtig nur ein Fünftel der normalen Gasmenge durch die Pipeline fließen - pro Tag 30 Millionen Kubikmeter - sei technisch bedingt, erklärte Schröder weiter. „Es wären schon 60 Millionen, also doppelt so viel, wenn nur Turbine Nummer 2 verfügbar wäre. Das liegt in der Verantwortung von Siemens, wenn ich das richtig sehe.“

Gazprom hatte zuletzt die Lieferungen durch die ältere Pipeline Nord Stream 1 auf 20 Prozent der maximalen Auslastung gesenkt. Das Unternehmen begründet dies mit Reparaturarbeiten an einer Turbine, die durch die Sanktionen westlicher Staaten behindert würden.

Eine politische Motivation für die gedrosselten Lieferungen ist nach Schröders Darstellung nicht zu erkennen. Bei Gesprächen mit Verantwortlichen für die Energiewirtschaft in Moskau habe er erfahren: „Es gibt keine politische Ansage des Kreml, den Gasfluss zu drosseln.“ Schröder berichtete in dem Interview von einem weiteren Gespräch vorige Woche mit Präsident Wladimir Putin.

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Schröder ist Präsident des Verwaltungsrats bei Nord Stream 2. Er steht seit langem wegen seiner Nähe zu Putin und zur russischen Öl- und Gaswirtschaft in der Kritik. Die Bundesregierung hatte nach dem Beginn des russischen Angriffskriegs in der Ukraine die Inbetriebnahme von Nord Stream 2 ausgeschlossen.

Die Gaspipeline vor der Einweihungszeremonie für die erste der beiden 1.224 Kilometer langen Nord Stream-Gaspipelines durch die Ostsee in Lubmin, Nordostdeutschland. (Archivbild)
Die Gaspipeline vor der Einweihungszeremonie für die erste der beiden 1.224 Kilometer langen Nord Stream-Gaspipelines durch die Ostsee in Lubmin, Nordostdeutschland. (Archivbild)

© John MACDOUGALL / AFP

„Wenn man Nord Stream 2 nicht benutzen will, muss man die Folgen tragen. Und die werden auch in Deutschland riesig sein“, sagte Schröder. Jeder, der mit Gas heize, bekomme das schon jetzt zu spüren.

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„Für uns, die wir hier sitzen, ist das unangenehm, aber es ist zu schaffen. Aber für ganz viele Leute, die mit jedem Cent rechnen müssen, wird das richtig hart“, erklärte Schröder weiter. „Und dann wird man in Deutschland fragen: Warum verzichten wir eigentlich auf das Gas aus der Pipeline Nord Stream 2? Warum?“

Scholz wird Turbine besichtigen

Die Turbine für die Gaspipeline Nord Stream 1 befindet sich nach wie vor in Deutschland. Bundeskanzler Olaf Scholz sollte sie im Laufe des Mittwochs bei Siemens Energy in Mülheim an der Ruhr besichtigen. Dort stehe die in Kanada gewartete Turbine für den Weitertransport nach Russland bereit, wie der Energietechnik-Konzern am Dienstag mitteilte. Siemens Energy hatte mehrmals die russische Darstellung zurückgewiesen, für Verzögerungen verantwortlich zu sein.

Im Interview mit der kanadischen Zeitung „The Globe and Mail“ verteidigte Scholz die Lieferung, die wegen der Umgehung von Sanktionen umstritten ist. „Mit der Lieferung der Turbine haben wir Putins Bluff auffliegen lassen“, sagte er. „Er kann diesen Vorwand nicht mehr verwenden und keine technischen Gründe mehr für ausbleibenden Gaslieferungen ins Feld führen.“

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Den wegen der Turbinen-Lieferungen unter Druck geratenen kanadischen Premierminister Justin Trudeau nahm Scholz in Schutz. „Für mich entbehrt die Kritik an Justin Trudeau und seiner Regierung jeglicher Grundlage“, betonte er. „Bei der Entscheidung, die Turbine zu liefern, handelt es sich wohl kaum um eine Gefälligkeit gegenüber Gazprom, sondern vielmehr um ein starkes Zeichen der Unterstützung für Deutschland und Europa.“

Nach der Turbinen-Besichtigung des Kanzlers absolviert Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) am Mittwoch ihren Antrittsbesuch in Kanada - ungewöhnlicherweise nicht in der Hauptstadt Ottawa, sondern in Montreal, der Heimatstadt von Außenministerin Melanie Joly.

In der Metropole der Provinz Quebec wurde die Turbine gewartet, ein Besuch der Ministerin in dem dortigen Werk von Siemens Energy ist aber nicht geplant.

Die Wartung und Verschiffung der Nord-Stream-1-Turbine hatte in den vergangenen Wochen in Kanada für Wirbel und Druck auf Premier Justin Trudeau gesorgt. Ottawa umging mit der Auslieferung seine eigenen Sanktionen gegen Moskau und verärgerte damit auch die ukrainische Führung. Nach Angaben von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck befindet sich die Turbine seit dem 18. Juli in Deutschland.

Politisches Druckmittel des Kremls

Seit Juni hat Russland die Gaslieferungen über die Ostseepipeline Nord Stream 1 zurückgefahren. Der Energiekonzern Gazprom begründete dies mit einer wegen der Sanktionen fehlenden Turbine von Siemens Energy.

Vergangene Woche hatte das Unternehmen unter Verweis auf weitere Reparaturarbeiten die Gaslieferungen noch einmal gedrosselt, so dass inzwischen nur noch 20 Prozent der maximal möglichen Menge durch die Röhren fließen. In Europa gilt die Begründung als Vorwand.

Die Turbine ist nach Angaben des russischen Energiekonzerns Gazprom wichtig, um den nötigen Druck zum Durchpumpen des Gases aufzubauen. Gazprom hatte seinem Vertragspartner Siemens Energy wiederholt vorgeworfen, nicht die nötigen Dokumente und Informationen zur Reparatur der Maschine übermittelt zu haben. Siemens Energy hatte die Vorwürfe von Gazprom zurückgewiesen.

Nach Kremlangaben hofft Russland angesichts der gedrosselten Gaslieferungen durch die Pipeline auf eine rasche Rückkehr der reparierten Gasturbine. Die Turbine solle dann in die Gasverdichterstation Portowaja eingebaut werden, danach könnten die Arbeiten für die Wiederinbetriebnahme laufen, hatte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Donnerstag gesagt. (dpa, Reuters, AFP)

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