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Iran Präsident Hassan Rouhani beim Handschlag mit Chinas Präsident Xi Jinping (Archivbild von 2014).

© Mark Ralston/REUTERS

Seidenstraße in Nahost: China baut die Kooperationen mit Iran und Israel aus

Peking stößt in das Vakuum, das die USA hinterlassen. Verantwortung für regionale Sicherheit will China aber nicht übernehmen. Ein Gastbeitrag.

Shlomo Ben-Ami war israelischer Außenminister und ist Vize-Präsident des Toledo International Center for Peace.

US-Präsident Joe Biden hat angekündigt, dass er die amerikanischen Truppen bis zum 11. September aus Afghanistan abziehen wird. Damit beendet er nicht nur den längsten Krieg seines Landes.

Der Schritt bestätigt auch die Abwendung der Vereinigten Staaten vom Nahen Osten – eine Entwicklung, die sich seit Längerem abzeichnet. Aber wer wird ihren Platz in der Region einnehmen? 

China scheint sich Hoffnungen zu machen. Nur ein paar Wochen vor Bidens Ankündigung war der chinesische Außenminister Wang Yi in Teheran, um eine 25-jährige „Umfassende Strategische Partnerschaft" (CSP) mit dem Iran zu unterzeichnen, die eine wirtschaftliche, politische und sicherheitspolitische Zusammenarbeit enthält. Der Schritt hat die USA beunruhigt - und das aus gutem Grund. 

Chinas Partnerschaft mit Iran ist die erste mit einem langjährigen Gegner der USA

Zwar ist diese Art strategischer Partnerschaft ein standardmäßiges außenpolitisches Instrument Chinas, das Peking bereits mit anderen Ländern in der Region, darunter Irak und Saudi-Arabien, verbindet. Und der Umfang des Austauschs mit Iran wurde in den Medien wahrscheinlich übertrieben - angeblich sollen chinesische Investitionen in Höhe von 400 Milliarden Dollar im Iran geplant sein. Allerdings hat keine der beiden Parteien hat eine konkrete Zahl bestätigt. 

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Aber selbst wenn das neue Abkommen die Beziehungen zwischen China und dem Iran nicht auf ein völlig neues Niveau hebt, so ist es doch die erste Partnerschaft dieser Art, die China mit einem langjährigen Gegner der USA geschlossen hat. Gleichzeitig vertieft China aber auch die Beziehungen zu Amerikas engsten Verbündeten im Nahen Osten, darunter die Vereinigten Arabischen Emirate, Ägypten und sogar Israel

Im Moment scheint Chinas Motivation vor allem wirtschaftlicher Natur zu sein. Neben dem Zugang zu den Energieressourcen der Region kann China durch die Zusammenarbeit mit der israelischen High-Tech-Industrie sein Profil in zukunftsweisenden Bereichen stärken. Aus diesem Grund hat es - sehr zum Ärger der USA - seine Investitionen in Israel in den letzten Jahren stark erhöht.  

China ist an israelischer Technologie interessiert - hier ein medizinisches Gerät bei "Israeli Expo".
China ist an israelischer Technologie interessiert - hier ein medizinisches Gerät bei "Israeli Expo".

© Jack Guez/AFP

Zudem hat China Interesse an Israel, um seine internationalen Ambitionen auf dem Gebiet von Infrastruktur und Verbindungsstraßen voranzutreiben, wie sie auch in der "Belt and Road Initiative", dem neuen Seidenstraßenprojekt, zum Ausdruck kommen. So wie die Volksrepublik bereits anderswo in Asien und Europa die Kontrolle über Seehäfen übernommen hat, wird sie die Bewirtschaftung des neuen Hafens im israelischen Haifa übernehmen.

Zudem hat China, in Erwartung der neuen Ölversorgung durch den Iran, eine direkte Schiffsroute zum Hafen von Bandar Abbas an der Straße von Hormuz aufgebaut. 

Peking hat will Ruhe, aber den Frieden nicht sichern

Keine Sorge müssen sich die USA – zumindest im Moment – darüber machen, dass China Konflikte im Nahen Osten schüren könnte. In dem neuen strategischen Abkommen mit Iran ist zwar auch von einer Sicherheitskooperation die Rede, aber es ist kein Militärbündnis. Und China ergreift in keinem militärischen Konflikt der Region Partei. Schließlich führt China auch militärische Übungen mit dem Erzrivalen des Iran, Saudi-Arabien, durch. 

Das Letzte, was China braucht, ist ein regionaler Flächenbrand, der die Ölexporte unterbricht oder seine Investitionen in der Region zerstört. Das macht China zu einem verantwortungsvollen Akteur. Allerdings ist China nicht bereit, für die Sicherheit im Nahen Osten zu bürgen. Militärische Allianzen sind generell nicht Chinas bevorzugtes Werkzeug in seinem globalen Wettbewerb mit den USA. 

China hat sehr darauf geachtet, nicht in die langanhaltenden Konflikte der Region hineingezogen zu werden. Zwar hat China kürzlich angedeutet, dass es direkte Gespräche zwischen Israelis und Palästinensern ausrichten würde, doch dem sollte man nicht zu viel Glauben schenken. Die Volksrepublik ist sich sehr wohl bewusst, dass sie ihren wirtschaftlichen Einfluss in Afghanistan und im Irak nur ausweiten konnte, weil die USA dort militärisch und wirtschaftlich engagiert waren. Das ist nicht die Art von Investition, an der es interessiert ist. 

Letztlich ist Chinas wirtschaftlichen Interessen am besten gedient, wenn das etablierte, von den USA geführte Sicherheitssystem des Nahen Ostens intakt bleibt. Das erklärt zum Teil, warum Chinas Hauptpartner im Nahen Osten US-Verbündete sind.

China machte eine Ausnahme, als es das CSP mit dem Iran unterzeichnete, aber auch das war vor allem wirtschaftliches Kalkül: Es will damit den bilateralen Handel wiederbeleben, der stark gelitten hat, seit die USA 2015 aus dem Iran-Atomabkommen ausgestiegen sind und 2018 wieder Sanktionen gegen Iran eingeführt haben. 

Peking wollte Irans Position vor Gesprächen mit den USA stärken

Tatsächlich wurde die Idee der „umfassenden strategischen Partnerschaft“ mit Teheran erst nach der Wiedereinführung der US-Sanktionen geboren. Der Zeitpunkt der Unterzeichnung des Abkommens – in dem Augenblick, als die Biden-Administration versucht, den Atomdeal neu zu verhandeln und ihm wieder beizutreten - war eine kalkulierte Entscheidung Chinas, um die Verhandlungsposition des Irans zu stärken. Dadurch soll die Aufhebung der Sanktionen beschleunigt werden, so hofft man. 

Der Iran wird jedoch einen hohen Preis für seine Partnerschaft mit China zahlen. Peking hat die wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Partners ausgenutzt, um sich stark verbilligte Öllieferungen zu sichern. Während der Verhandlungen gab es in Iran durchaus Warner, die fürchteten, dass China ein ähnlich ausbeuterisches Abkommen wie mit Sri Lanka anstrebe: Dort übernahm China schließlich die Kontrolle über Sri Lankas Hambantota-Hafen. 

Auch Irans mächtiger Stellvertreter in Libanon, die Hisbollah, sollte sich vor China in Acht nehmen. Insbesondere wird die Hisbollah ihre Drohung, den israelischen Hafen von Haifa mit ballistischen Raketen anzugreifen, überdenken müssen, denn dieser ist nun faktisch im Besitz Chinas. 

Was die USA betrifft, so wird ihre militärische Überlegenheit im Nahen Osten wahrscheinlich noch einige Zeit unangefochten bleiben. Aber militärische Macht wird nicht ausreichen, um Chinas strategischen Aufstieg in der Region und darüber hinaus aufzuhalten. Dazu müssen die USA auch ihre politische Durchsetzungskraft stärken, ihr wirtschaftliches Engagement und ihren kulturellen Einfluss. Ansonsten wird China „uns ausbooten“, wie US-Präsident Biden im Februar warnte.

Shlomo Ben-Ami

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