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Friedrich Merz nach seiner holprigen Wahl zum Kanzler am 6. Mai im Bundestag.

© REUTERS/LIESA JOHANNSSEN

„Seine vielleicht wichtigste Rede des Jahres“: Das muss Friedrich Merz in seiner ersten Regierungserklärung liefern

Am Mittwoch muss der Kanzler beweisen, dass er mehr kann als Opposition. Was Experten sich von Merz’ Rede erwarten – und warum sie wegweisend sein dürfte.

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Die Erwartungen kleinzuhalten, ist nicht gerade die Stärke der aktuellen CDU-Führung. Daher passt es ins Bild, dass Generalsekretär Carsten Linnemann seinem Chef vergangene Woche vorauseilend eine kleine Hypothek mitgab.

Friedrich Merz, so Linnemann, werde in seiner ersten Regierungserklärung als Kanzler nicht nur sein Programm, in Anlehnung an seinen SPD-Vorgänger Gerhard Schröder „Agenda 2030“ getauft, vorlegen. Nein, es werde „vielleicht eine seiner wichtigsten Reden in diesem Jahr“.

Und es stimmt ja auch. Wenn Merz am Mittwoch um 13 Uhr ans Rednerpult im Bundestag tritt, wird er zeigen müssen, dass er mehr kann als Opposition. Er wird der verunsicherten Bundesrepublik einen Plan aufzeigen, wird nach innen einend und nach außen entschlossen auftreten müssen. Er muss Kanzler sein. Und zwar für alle.

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Eine beträchtliche Fallhöhe

Die Rahmenbedingungen dafür könnten kaum schwieriger sein. Merz hat sich einerseits mit seinem eigenen Vorpreschen in der Migrationspolitik eine beträchtliche Fallhöhe geschaffen. Nachdem er das Thema indirekt zum Gradmesser seiner Kanzlerschaft erhoben und Ergebnisse am ersten Tag versprochen hat, wollen die Menschen nun genau das sehen: Ergebnisse.

Gleichzeitig geht Merz bereits beschädigt in seine Kanzlerschaft. Er hat eines seiner zentralen Wahlversprechen, die Bewahrung der Schuldenbremse, in Windeseile gebrochen und wurde als erster Kanzler überhaupt vom Bundestag nicht im ersten Wahlgang gewählt. Obendrein ist er laut Umfragen der in der Bevölkerung unbeliebteste Neukanzler in der bundesrepublikanischen Geschichte.

Aber was genau wird der Sauerländer am Mittwoch liefern müssen, um das Momentum auf seine Seite zu ziehen?

Er muss beweisen, dass er der Kanzler aller Deutschen ist.

Politikberater Rainer Faus über seine Erwartung an Merz’ Regierungserklärung

„Am wichtigsten wird sein, dass Merz den Umschaltknopf findet“, sagt Rainer Faus, Geschäftsführer der Meinungsforschungs- und Politikberatungsagentur Pollytix. „Er muss beweisen, dass er der Kanzler aller Deutschen ist.“

Dabei geht es für Faus vor allem darum, verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen: „Wir sehen in der Forschung, dass es eine große Enttäuschung wegen seiner gebrochenen Versprechen gibt“, sagt Faus. „Aber die Deutschen wünschen sich, dass er Erfolg hat, denn sie wissen, dass sich das Land kein Scheitern leisten kann.“

Deshalb wünscht sich Faus eine versöhnliche Rede: „Die Deutschen blicken gerade mit großer Sorge auf ihr Land, auf den gefühlten Abstieg“, sagt Faus. „Das muss sich dringend ändern und das geht nur über einen Fokus auf das, was uns eint und was wir zusammen schaffen wollen.“

Ende des Übergangs

Doch auch im Ausland wird Merz’ erste Regierungserklärung mit Spannung erwartet. Schließlich erlaubte sich Deutschland in Zeiten globaler Umwälzungen zuletzt eine Art Kunstpause: Mehr als ein halbes Jahr war das zentrale Land der Europäischen Union auf der internationalen Bühne gehemmt – mit einem de facto abgewählten Kanzler und einem gefühlt endlosen Übergang.

Thomas Kleine-Brockhoff ist vor diesem Hintergrund vor allem erleichtert, dass diese Zeit zu Ende ist, wie er sagt: „Merz hat schnell das Vakuum namens Deutschland besetzt“, sagt der Chef der Deutschen Gesellschaft für auswärtige Politik (DGAP). „Das war sehr wichtig.“

Grundsätzlich ist Kleine-Brockhoff zuversichtlich, dass Merz außenpolitisch die passenden Worte finden könnte – auch wegen des unmittelbaren Starts seiner Amtszeit, bei dem der Kanzler am selben Tag nach Paris und Warschau reiste: „Merz hat seine Kanzlerschaft mit Außenpolitik begonnen und damit schon den Ton gesetzt“, sagt er.

Ich hoffe, dass er einen Plan formuliert, wie er den Herausforderungen zu begegnen gedenkt.

Außenpolitikexperte Thomas Kleine-Brockhoff

Er habe in diesem Rahmen ebenso den von ihm in der Vergangenheit artikulierten Willen zur europäischen Zusammenarbeit gezeigt, sagt Kleine-Brockhoff, wie die Absicht, wenn möglich auch mit US-Präsident Donald Trump Übereinstimmung zu suchen. Außerdem stehe Merz für einen robusten Kurs in der Auseinandersetzung mit Wladimir Putin.

„Ich hoffe, dass er bei seiner Regierungserklärung diesen Dreisatz in Worte gefasst bekommt und einen Plan formuliert, wie er den Herausforderungen zu begegnen gedenkt, denen er gegenübersteht“, sagt Kleine-Brockhoff.

Das werde jedoch alles andere als leicht: „Wir haben eine Situation strategischer Offenheit, wie sie die Bundesrepublik eigentlich noch nie erlebt hat“, sagt Kleine-Brockhoff. „Und Merz muss ohne Eingewöhnungszeit in der diplomatischen Arena Tritt fassen und auf die Fallstricke seiner Zeit eingehen.“

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