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Social-Media-Verbot für Jugendliche?: Schwarz-Rot ist sich uneins
Viele Jugendliche verbringen jeden Tag Stunden auf Instagram, TikTok und Co. Doch von einem Verbot, wie es CDU-Politiker Jens Spahn fordert, halten SPD und Experten nichts.
Stand:
Auf TikTok und Instagram folgen Jens Spahn viele Tausende Nutzer. Doch geht es nach dem Fraktionsvorsitzenden der Union im Bundestag, könnte er in Zukunft zumindest seine jüngeren Follower verlieren. Denn der CDU-Politiker zeigt sich offen für eine Altersgrenze bei der Nutzung von Social Media ab 16 Jahren und löst damit eine Debatte aus.
„Wir wägen noch ab“, sagte Spahn der „Neuen Osnabrücker Zeitung“, doch der Konservative scheint bereits eine klare Position gefunden zu haben. Schließlich würden Hirnforscher davon sprechen, dass das Belohnungssystem von Instagram und TikTok im Hirn eine ähnliche Wirkung habe wie Heroin.
„Wer schon mal versucht hat, einem Zwölfjährigen das Smartphone wegzunehmen, während der bei TikTok unterwegs ist, weiß um die Entzugserscheinungen“, sagte Spahn und ergänzte: „Wir verbieten Jugendlichen auch Alkohol und Nikotin, um das noch wachsende Gehirn zu schützen.“
Tatsächlich ist der Großteil der Jugendlichen in Deutschland täglich im Netz. Laut einer aktuellen Studie der Vodafone-Stiftung nutzen 69 Prozent der Jugendlichen täglich mindestens zwei Stunden die Angebote von TikTok, Instagram und Co. Bei 27 Prozent lag der Wert sogar bei mehr als fünf Stunden täglich.
Dass die Problematik unter Jugendlichen schon seit Jahren erkannt wurde, zeigt auch der Blick in die Liste der Jugendwörter des Jahres des Langenscheidt-Verlags. 2015 wurde dort das Wort „Smombie“ gewählt, das eine Person beschreibt, die durch die intensive Nutzung ihres Smartphones abgelenkt ist. Mit „Bildschirmbräune“ schaffte es bereits 2008 ein Wort auf Platz zwei, das die Blässe von Computerfreaks beschrieb.
In der Vodafone-Studie gaben 61 Prozent der befragten Jugendlichen an, dass sie zu viel Zeit in den sozialen Netzwerken verbringen würden – es sei ihnen aber nicht möglich, ihren Konsum zu reduzieren.
Ein Alarmsignal für die Politik. „Die Gefahren von Social Media für Kinder und Jugendliche sind längst nicht mehr zu übersehen. Gewaltverherrlichung, Mobbing, Suchtmechanismen und permanenter künstlich erzeugter sozialer Druck überfordern erwiesenermaßen schon Zwölfjährige“, sagt auch die Sprecherin der Unions-Fraktion für Jugend und Familie, Anne König, dem Tagesspiegel.
Kinder und Jugendliche müssen im Netz endlich wirksam geschützt werden. Ein pauschales Social-Media-Verbot ist aber der falsche Weg.
Arman Zorn, stellvertretender Vorsitzender der SPD-Fraktion
Sie befürwortet eine Altersgrenze für Social Media. „An der Frage der Altersverifikation arbeiten wir als Unionsfraktion bereits intensiv“, sagte König. Man habe Experten, etwa Psychologen und Juristen, angehört. Nun brauche es eine verpflichtende Altersverifikation auf nationaler oder europäischer Ebene.
Doch im Koalitionsvertrag hatten sich Union und SPD nur sehr vage zu dem Thema verständigt. „Die Auswirkungen von Bildschirmzeit und Social-Media-Nutzung bewerten wir schnellstmöglich wissenschaftlich und erarbeiten ein Maßnahmenpaket zur Stärkung von Gesundheits- und Jugendmedienschutz.“ Die Auswertung liegt bislang offenbar nicht vor.
SPD will Kompetenz stärken
Und so blickt man in der Koalition unterschiedlich auf das Problem. „Kinder und Jugendliche müssen im Netz endlich wirksam geschützt werden. Ein pauschales Social-Media-Verbot ist aber der falsche Weg“, sagte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD, Armand Zorn, dem Tagesspiegel. Alterskontrollen würden in der Theorie gut klingen, seien in der Praxis aber kaum effektiv.
Zorn sieht die Plattformen in der Pflicht, konsequenter gegen Hass, Hetze und Desinformation vorzugehen. „Darüber hinaus müssen wir die digitalen Kompetenzen von Kindern und Jugendlichen gezielt stärken, um ihnen einen souveränen Umgang mit den Plattformen zu ermöglichen.“
Von Alkoholwerbung bis hin zu pornografischen Inhalten gibt es kaum wirksamen Schutz für Kinderaugen.
Die Grünen-Politikerin Linda Heitmann fände eine Altersbeschränkung für Social Media gut.
Auch Experten sind skeptisch. „Ein solcher Schritt würde zu weit führen, weil er gleich mehrere Grundrechte tangiert: die Meinungsfreiheit, Informationsfreiheit und das Recht auf digitale Teilhabe“, sagte Franco Rau, Inhaber des Lehrstuhls für Schulpädagogik mit dem Schwerpunkt Digitalisierung im Unterricht, dem Evangelischen Pressedienst. Wenn 16-Jährige unvorbereitet in die Social-Media-Welt entlassen würden, dann wären neue Probleme vorprogrammiert.
In der Opposition begrüßt man dagegen die Entwicklung in der Union. „Ich halte eine ernsthafte Diskussion über Beschränkungen von Social Media für Kinder und Jugendliche seit Langem für überfällig“, sagte Linda Heitmann, Gesundheitspolitikerin der Grünen, dem Tagesspiegel. Anders als in der realen Welt gebe es im digitalen Raum keine Schutzmechanismen. „Von Alkoholwerbung bis hin zu pornografischen Inhalten gibt es kaum wirksamen Schutz für Kinderaugen“, sagte Heitmann.
Auch die Grünen können sich eine Altersbeschränkung ab 16 Jahren vorstellen. Jugendliche sollten für Arbeits- und Recherchezwecke aber trotzdem Zugang zum Netz erhalten, sagte Heitmann. „Aber sie dürfen dabei auf keinen Fall mit jugendgefährdenden und suchtgefährdenden Inhalten und Algorithmen in Berührung kommen.“
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