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Andrea Nahles, bisherige Vorsitzende der SPD, verlässt nach Ihrem Rücktritt vom Parteivorsitz in der außerordentlichen Klausurtagung des SPD-Vorstands die SPD-Parteizentrale, das Willy-Brandt-Haus.

© Wolfgang Kumm / dpa

SPD-Experiment Doppelspitze: Auf der Suche nach dem neuen Sisyphos

Nun ist klar, dass sich die SPD noch monatelang mit sich selbst beschäftigen wird. Das Experiment Doppelspitze kann gelingen, muss aber nicht. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Georg Ismar

Seit Bildung der dritten großen Koalition unter Führung von Angela Merkel steht das Wort „ergebnisoffen“ bei vielen SPD-Mitgliedern auf dem Index. Denn viele mutmaßten nicht zu Unrecht, dass vor allem Olaf Scholz und Andrea Nahles den Prozess eben nicht ergebnisoffen gestalteten, sondern den Gang in eine weitere Groko nach dem Scheitern der Jamaika-Gespräche als demokratische Pflicht ansahen. Der SPD hat das wenig Frieden gebracht - und Nahles ist als Parteichefin über all den Frust in der Partei böse gestürzt.

Nun wagt man ein Experiment, das wirklich ergebnisoffen ist. Als Tandem können sich Genossen für die Nachfolge von Andrea Nahles bewerben. Eine Doppelspitze ist möglich. Oder wie bisher eine Person als Parteichef. Die Mitglieder können mit entscheiden – aber das letzte Wort hat ein Parteitag. Dieser müsste für eine Doppelspitze zudem erst noch die Satzung ändern. Bewerber sollen sich in 20 bis 30 Regionalkonferenzen vorstellen. Aber bitte erst nach den Landtagswahlen in Sachsen und Brandenburg. Alles klar? Die Partei ist so verunsichert, dass sie sich nun Monate vor allem mit sich selbst beschäftigen wird.

Und man muss kein Prophet sein: Nach den erwartbaren Pleiten bei den Wahlen in Ostdeutschland dürfte der Chor jener anschwellen, die „Raus aus der Groko - sofort!“ singen. Die Partei hat kein klares Machtzentrum, alles ist im Fluss. Ob der sich lange hinziehende Casting-Wettbewerb wirklich neues Interesse wecken kann? Die CDU hat es mit einem kleinen Bewerberfeld und acht Regionalkonferenzen in 15 Tagen geschafft, einen komprimierten Wettstreit zu organisieren. Da ging es zwar in Umfragen bergauf. Aber „mehr Basis wagen“ birgt auch Risiken: Das knappe Ergebnis hat die CDU am Ende polarisiert statt geeint, Annegret Kramp-Karrenbauer ist die Leitragende. Mehr Glück haben die Grünen mit ihrer neuen Doppelspitze.

Fakt ist: Die SPD ist rat- und ideenlos wie selten. Mehr denn je wäre eine Klärung inhaltlicher Konflikte notwendig – wofür steht die Partei noch? Das fehlende Vertrauen ist der Hauptgrund für den Niedergang, dazu die personelle Auszehrung. Die SPD ist der Sisyphos der deutschen Politik, immer den Stein für ein besseres Leben aller Bürger den Berg hinauf rollend, Rückschläge erleidend. Nun wird ein neuer Sisyphos in einem der komplizierten Situation angemessenen Verfahren gesucht. Ergebnis offen.

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