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SPD-Streit um Sicherheitspaket: Droht Scholz mit der Vertrauensfrage? Juso-Chef wirft ihm Einschüchterung vor
Gegen das geplante Sicherheitspaket gibt es Widerstand in den Ampel-Fraktionen. Trotzdem rechnen SPD und Grüne mit einer klaren Mehrheit.
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Kurz vor der anstehenden Bundestagsabstimmung über das sogenannte Sicherheitspaket der Koalition ist die SPD-Spitze wegen des Widerstands in den eigenen Reihen besorgt. Bei einer Probeabstimmung der von Rolf Mützenich geführten Fraktion votierten etwa 20 bis 25 der 207 SPD-Abgeordneten dagegen, wie Teilnehmer danach am Dienstagabend berichteten.
Das Gesetzespaket der Ampel soll zur Eindämmung der irregulären Migration beitragen und die innere Sicherheit stärken. Der Bundestag hat die Abstimmung für Freitag auf die Tagesordnung gesetzt.
SPD und Grüne rechnen mit klarer Mehrheit
Die SPD rechnet trotz etlicher Abweichler in den eigenen Reihen mit einer klaren Zustimmung der Ampel zum Sicherheitspaket. „Ich habe keine Zweifel, dass am Freitag eine Mehrheit steht“, sagte die Parlamentarische Geschäftsführerin der Bundestagsfraktion, Katja Mast, am Mittwoch in Berlin.
Es habe am Dienstag eine „lebhafte“ Debatte in der Fraktion gegeben. Aber die Zahl der Abweichler in der SPD werde „deutlich weniger“ sein als die 45 Mitglieder aus den Reihen der Fraktion, die einen kritischen Brief zu dem Thema unterzeichnet hätten. Ihr hätten noch während der Fraktionssitzung Abgeordnete signalisiert, dass sie in der Fraktion mit Nein, am Freitag aber mit Ja stimmen würden.
Auch seitens der Grünen werde die Mehrheit trotz einiger Kritiker stehen, sagte die Parlamentarische Geschäftsführerin Irene Mihalic. „Eine übergroße Mehrheit der Fraktion wird diesem Sicherheitspaket zustimmen“, so Mihalic. Die Grünen hätten noch „fundamentale Verbesserungen“ am Entwurf erreicht, etwa bei der Frage, unter welchen Umständen Leistungskürzungen für sogenannte Dublin-Flüchtlinge möglich seien, oder auch bei den digitalen Befugnissen.
Hat Scholz mit der Vertrauensfrage gedroht?
Zuvor soll Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) die eigenen Abgeordneten mit deutlichen Worten zur Zustimmung ermahnt haben. In der Fraktionssitzung sagte er den Teilnehmern zufolge, dass er notfalls „von seinen Möglichkeiten Gebrauch machen“ wird, wenn die eigene Mehrheit der Koalition in Gefahr gerät. Zuerst hatte der „Spiegel“ darüber berichtet.
Der designierte SPD-Generalsekretär Matthias Miersch wies die Wahrnehmung zurück, dass Scholz damit die Vertrauensfrage gemeint haben könnte – also seinen Verbleib im Amt mit der Frage verknüpft haben könnte. Auch Mast wies diese Wahrnehmung zurück.
„Er hat nicht mit der Vertrauensfrage gedroht“, sagte Miersch in der ARD-Talksendung „Maischberger“. Auch im Umfeld des Kanzlers hieß es, eine solche Interpretation sei „etwas übertrieben“. Scholz habe eher an die Fraktionsregel erinnern wollen, dass man intern diskutiere und dann geschlossen abstimme für das, was die Mehrheit wolle.
Miersch sagte, das Abstimmungsergebnis sei „sehr, sehr deutlich“ gewesen. Es sei aber eine „durchaus lebendige Diskussion“ vorangegangen. Dies halte er bei dem Thema auch für angesagt, denn es gehe auch um die Frage, „wie gehen wir mit Grundrechten um“. Jetzt sei der „Appell an alle, dass die sogenannte Fraktionsdisziplin gilt“.
Juso-Chef wirft Scholz Einschüchterung von Kritikern vor
Die Ampel-Fraktionen hatten zwar das Sicherheitspaket bereits überarbeitet und wesentliche Punkte entschärft. Dennoch schrieben die Jusos alle SPD-Abgeordneten an und warben für eine Ablehnung.
„Vor allem die weiterhin vorgesehenen Kürzungen von Sozialleistungen unter dem Existenzminimum für bestimmte Schutzsuchende sind weiterhin abzulehnen. Eine „Brot, Bett und Seife“-Politik ist eine Politik gegen die Menschenwürde und darf nicht durch Sozialdemokrat*innen beschlossen werden“, heißt es in dem der Deutschen Presse-Agentur vorliegenden Schreiben. Auch Sozialdemokraten von der Parteibasis hatten sich bereits in einem offenen Brief gegen das Vorhaben gewandt.
Juso-Chef Philipp Türmer warf Scholz vor, seine Kritiker unter Druck zu setzen. „Ich hoffe, dass sich niemand, der gegen das Paket stimmen will, davon einschüchtern lässt und kann nur allen sagen: Lasst Euch nicht unterkriegen“, sagte er dem Magazin „Stern“. Er sei froh, dass es in der Fraktion Widerstand gegen dieses Paket gebe.
„Das Paket der Ampel schikaniert Geflüchtete statt Islamisten, das ist das Grundproblem“, sagte der Juso-Chef. Es sorge „für eine massive Diskursverschiebung nach rechts, weil der Kampf gegen Islamismus zu einem Kampf gegen Geflüchtete gemacht wird. Das ist falsch“, fuhr Türmer fort.
Sicherheitshalber will die Koalition im Plenum nun namentlich abstimmen lassen, wie das Portal „Table.Media“ in seinem „Briefing“ berichtet. Dies würde den Druck auf potenzielle Abweichler erhöhen, sich der Fraktionsdisziplin zu unterwerfen.
Merz sieht „Anfang vom Ende“ der Kanzlerschaft von Scholz
Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz sieht Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) durch den Widerstand in der SPD-Fraktion gegen das sogenannte Sicherheitspaket geschwächt. Eine derartige Schwächung sei „der Anfang vom Ende der eigenen Regierungszeit“, sagte Merz am Mittwoch in den Sendern RTL und ntv mit Blick auf Scholz. Er bezog sich dabei auf die indirekte Drohung des Kanzlers mit der Vertrauensfrage am Vortag.
„Das droht man nur einmal an“, sagte Merz. „Beim nächsten Mal muss man es machen.“ Sollte sich der Kanzler einer eigenen Mehrheit tatsächlich nicht sicher sein, müsse er zum Instrument der Vertrauensfrage im Bundestag greifen.
Worum es beim Sicherheitspaket geht
Die Koalitionsfraktionen SPD, Grüne und FDP im Bundestag hatten sich nach dem islamistischen Anschlag von Solingen auf das Sicherheitspaket verständigt. Dort waren bei einem mutmaßlich islamistischen Messerangriff auf einem Stadtfest im August drei Menschen getötet und acht verletzt worden. Der tatverdächtige Syrer hätte 2023 nach Bulgarien abgeschoben werden sollen, was aber scheiterte.
Mit dem Gesetzespaket wird ein allgemeines Verbot von Messern auf öffentlichen Veranstaltungen eingeführt. Ausreisepflichtigen Asylbewerbern sollen Leistungen gestrichen werden, wenn nach den sogenannten Dublin-Regeln ein anderes EU-Land für sie zuständig ist und einer Ausreise nichts entgegensteht.
Bei Terror-Ermittlungen soll ein Abgleich biometrischer Daten im Internet möglich werden, wenn der Präsident des Bundeskriminalamts (BKA) dies von einem Gericht genehmigen lässt. (dpa, AFP, Reuters)
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