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Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU, links) und Vizekanzler Lars Klingbeil (SPD).

© IMAGO/Bernd Elmenthaler/IMAGO/ESDES.Pictures, Bernd Elmenthaler

Ständiger Streit in der Koalition: Schwarz und Rot bringen die Demokratie in Not

Der Unmut über die Bundesregierung ist groß. Und kein Kanzler war so schnell so unbeliebt wie Friedrich Merz. Es braucht endlich eine klare Umsetzung von Vorhaben ohne Querelen.

Stephan-Andreas Casdorff
Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Stand:

Was muss noch geschehen, damit sie endlich verstehen? Diese Koalitionäre bleiben ja nicht nur hinter den Erwartungen zurück – sie enttäuschen auf ganzer Linie. Schwarz und Rot bringen die Demokratie in Not.

Die allgemeine Wahrnehmung ist Streit und ein anhaltender Mangel an Zusammenarbeit. Mehr als zwei Drittel der Deutschen sind unzufrieden mit der Regierungsarbeit, knapp die Hälfte glaubt, dass Union und SPD vor dem Ende der Legislaturperiode scheitern.

Groß ist auch der Unmut über Friedrich Merz als Bundeskanzler. Keiner war nach so kurzer Zeit so unbeliebt. Wie sagt Merz: „Die Lage ist schwierig.“ Das hat Chancen auf den Titel „Untertreibung des Jahres“.

Nur, wo sich die Zusammenarbeit nicht reibungslos gestaltet, wo eine Koalition als ewig uneinig wahrgenommen wird, zeigt sich nach geringer Handlungsfähigkeit umso mehr viel Unsicherheit.

Dabei ist der Haushalts- und Reformdruck hoch. Für 2027 und die folgenden Jahre gibt es im Bundesetat große Finanzierungslücken – die Koalition muss sparen oder Reformen durchsetzen. Das betrifft bekanntermaßen insbesondere die Sozialversicherungssysteme; und SPD und CDU/CSU kommen hier einfach nicht zusammen.

Zum Beispiel: Bei der gesetzlichen Krankenversicherung besteht eine Lücke von mehreren Milliarden Euro, Beitragserhöhungen sind noch nicht vom Tisch. Bei alledem ist der „Fahrplan“ aber weiter unklar, stattdessen drohen Belastungen für die Bürger.

Wer welche Belastung übernimmt, welche Reformen kommen – Konfliktlinien gibt es überall. Aber ohne klare Kompromisse und gemeinsame Strategien kann die Koalition intern zerfasern. Nach außen sowieso.

Stephan-Andreas Casdorff

Das drückt nicht nur aufs Gemüt, sondern verringert die Akzeptanz von Politik – und von Politikern. Zumal die Wirtschaft auch nicht auf die Beine kommt. Der Mittelstand beklagt nach wie vor fehlende Planungssicherheit und Handlungsfähigkeit.

Heißt: Die Legitimation der Regierung wird in existenzieller Weise herausgefordert, wenn vieles angekündigt, aber weniger sichtbar umgesetzt wird.

Union und SPD sind auf verschiedenen Wegen

Dabei sind Union und SPD auf unterschiedlichen Wegen unterwegs, bei den Wirtschaftslasten, bei der Reform des Sozialstaates, dem Bürgergeld. So geht Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas, die SPD-Chefin, davon aus, dass schärfere Sanktionsmöglichkeiten für Transfergeld-Empfänger in der neuen Grundsicherung 2026 lediglich zu Einsparungen von 86 Millionen Euro führen werden. 2027 sollen es nur noch 69 Millionen Euro sein. Danach rechnet das Ministerium sogar mit steigenden Kosten – während der christdemokratische Bundeskanzler noch im September ein Sparpotenzial von fünf Milliarden Euro pro Jahr genannt hatte.

Oder: Die bisher von den Ressortchefs bei Digitalminister Karsten Wildberger eingereichten Vorschläge zur Reduzierung der Bürokratie bleiben weit hinter allen Erwartungen zurück. So liegt das bisherige Einsparvolumen bei gerade einmal knapp 300 Millionen Euro. Viel zu wenig. In der Regierung hatte man auf einen Wert deutlich über einer Milliarde gehofft.

Das heißt: Wer welche Belastung übernimmt, welche Reformen kommen – Konfliktlinien gibt es überall. Aber ohne klare Kompromisse und gemeinsame Strategien kann die Koalition intern zerfasern. Nach außen sowieso.

Was helfen könnte? Bürger stärker in politische Entscheidungsprozesse einzubeziehen, etwa durch Foren oder digitale Plattformen, um das Gefühl von Einfluss und Verantwortung zu erhöhen und damit das Vertrauen in die Politik zu stärken. Und in die Politiker.

Und dann das Vertrauen sichern! Aber wie? Durch eine klare und konsequente Umsetzung von Vorhaben ohne ständige Richtungswechsel. Ohne fortlaufende Querelen. Ohne Eifersüchteleien. Ohne Eigenwilligkeiten. All das kommt vor, nahezu jeden Tag, innerhalb der Koalition, innerhalb der sie tragenden Parteien.

Da sind die Vorsitzenden in nie gekannter Weise gefordert. Entsprechend müssen sie sich verhalten: diszipliniert. Plappern ist nicht. Von der Spitze der Regierung angefangen.

Wenn die Koalition das nicht versteht und wenn sie das nicht vermag, ist ihr nicht zu helfen. Dann wird sie in schwere Not geraten – und mit ihr die Demokratie.

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