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Koalition: Steuerfluch(t): FDP wittert Verrat durch die CDU

Beim zentralen Koalitionsziel Entlastung fürchtet die FDP, dass ihre Wähler in Nordrhein-Westfalen bis zur Landtagswahl im Mai im Zweifel darüber bleiben, ob die Liberalen die Steuersenkungen durchsetzen kann.

Berlin - Es war vor ungefähr zwei Wochen. Der Streit der schwarz-gelben Koalitionäre über ihre eigene Steuerpolitik tobte gerade einem vorläufigen Höhepunkt entgegen – da tauchte im Finanzministerium urplötzlich das Gerücht von einer Verschiebung der Steuerschätzung im Mai auf. Nicht, wie ursprünglich geplant, am 6. Mai werde man erfahren, mit welchen Steuereinnahmen der Staat in den nächsten drei Jahren rechnen kann, lautete es, sondern wahrscheinlich erst eine Woche später. Woher das Gerücht kam, war zunächst nicht recht auszumachen. Und so unvermittelt, wie es die Runde machte, schlief es kurz darauf auch wieder ein.

Einen plausiblen Kern hatte es auf jeden Fall: Denn just drei Tage nach der Veröffentlichung der Schätzergebnisse sind am 9. Mai die Wähler im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen zur Wahlurne gerufen. Und auch wenn das von Berliner und Düsseldorfer Politikern noch so oft dementiert wird: Die Landtagswahl in NRW ist so etwas wie eine kleine Bundestagswahl. Acht Monate nach der Abstimmung über die Bundesregierung wird auch über die Performance der schwarz-gelben Bundesregierung in Sachen Steuersenkung zu richten sein – und zwar in aktuellster Kenntnis der finanziellen Rahmenbedingungen für dieselbe. Und was noch entscheidender ist: Verliert das gleichfarbige Bündnis von Jürgen Rüttgers (CDU) und Andreas Pinkwart (FDP) die Wahl, dann stehen Angela Merkel (CDU) und ihr Vizekanzler Guido Westerwelle (FDP) in Berlin plötzlich ohne Mehrheit in der Länderkammer da. Ihre Pläne von den Steuersenkungen – ein zentrales Koalitionsziel – wären dann kaum noch etwas wert.

Auch deshalb warnte Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU) noch vor dem Spitzentreffen der Koalition am Sonntag vor einem Kommunikationsdesaster des noch jungen Regierungsbündnisses. Und er drohte, auf dass jeder die Tragweite auch verstehe, via „Bild“-Zeitung mit dem Schlimmstmöglichen. Nämlich mit einer Wiederholung des Fiaskos, das Rot-Grün mit Hartz IV erlebt hat, wenn fortan das Herumgegackere über die eigene Politik in der Koalition nicht aufhört.

Dass damit nach dem Treffen von Kanzlerin, Vizekanzler und CSU-Chef Horst Seehofer plötzlich Schluss sein wird, ist indes wenig wahrscheinlich. Denn bis in die letzten Stunden vor dem von allen Seiten als „Routinetreffen“ heruntergespielten Krisengipfel herrschte Misstrauen im Lager. Zumindest bei den Liberalen, angefeuert durch den Wunschpartner CDU. Schließlich bewegen sich die Regierungspartner in der Sache seit Tagen voneinander weg statt aufeinander zu – aus Sicht der FDP zumindest.

Weil die Liberalen das grundsätzliche Koalitionsziel, die Steuerzahler bis zum Ende der Legislaturperiode 2013 um insgesamt 24 Milliarden Euro (Jahreswirkung) zu entlasten, unter allen Umständen retten wollen, gaben Pinkwart und der Finanzexperte Hermann Otto Solms schon mal bekannt, eine Verschiebung der Steuersenkung von 2011 auf 2012 sei für die Liberalen kein Problem.

Die CDU aber fällt in Interviews der letzten Tage und in ihrer „Berliner Erklärung“ vom Ende der Woche sogar hinter die Steuerbeschlüsse des Koalitionsvertrages zurück. Von einer Gesamtentlastung im Umfang von 24 Milliarden Euro, wie sie der Koalitionsvertrag verzeichnet, ist nun nämlich nirgendwo mehr die Rede. CDU-Finanzminister Wolfgang Schäuble, der sich im „Tagesspiegel“ vor Wochenfrist noch ausdrücklich zu der Entlastungshöhe bekannt hatte, sagt nun, eine Woche später, „Focus“, „ob, wann und wie viel“ Steuern gesenkt werden, „das entscheiden wir Mitte 2010“. Und in der „Berliner Erklärung“ taucht die Zahl 24 überhaupt nicht mehr auf. Dafür aber werden die Notwendigkeit wirtschaftlicher Voraussetzungen und die Einhaltung der Schuldenbremse als Steuersenkungs-Bedingungen betont.

Die Liberalen wittern nun so etwas wie Verrat. Sie fürchten, ihre Wähler in NRW werden bis zur Landtagswahl im Zweifel darüber bleiben, ob es die FDP in Berlin überhaupt schaffen wird, Steuersenkungen durchzusetzen. Und sie fürchten, dass die Ergebnisse der Steuerschätzung drei Tage vor dem Urnengang diesen Eindruck bei potenziellen FDP-Wählern noch verfestigen – und damit das Wahlergebnis in NRW am 9. Mai negativ beeinflussen werden. Weshalb sie als Folge des Spitzengespräches der Koalition am gestrigen Sonntag eine Art „Gewissheitssignal“ der Union erwarteten. So etwas wie eine Kommission vielleicht, die bis zur Steuerschätzung den Fahrplan und die Details der Steuerreform erarbeitet. Und über deren Ergebnisse dann nach der NRW-Wahl im Lichte der Steuerschätzung entschieden werden kann.

 Antje Sirleschtov

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