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Seltenes Bild der Eintracht: Im Frühjahr stand Kanzler Scholz dem von Strack-Zimmermann geleiteten Ausschuss Rede und Antwort.

© Imago/photothek

Strack-Zimmermann versus Scholz : Sie lässt dem Kanzler keine Ruhe

Die FDP-Verteidigungsexpertin greift den Kanzler in Sachen Ukraine regelmäßig an. Manchen gilt sie als einsame Ruferin, aber sie hat Rückendeckung.

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Sie gibt einfach keine Ruhe, auch nicht zwischen den Jahren. Der Kanzler hat ein paar Tage frei, die Frau, die ihm fast das ganze Jahr schon eine unzureichende Unterstützung der Ukraine vorhält, eigentlich auch. Vor den Weihnachtstagen im Düsseldorfer Familienkreis hat Marie-Agnes Strack-Zimmermann jedoch ein Interview hinterlassen, das keine Besinnlichkeit aufkommen lässt – wieder einmal.

Sie sei „die Ausreden, warum wir keine Panzer liefern können, so was von leid“, hat die FDP-Politikerin dem Redaktionsnetzwerk Deutschland gesagt. Wer sein Nein mit der Sorge vor einer Eskalation begründe, erzähle „die Geschichte des Aggressors, nicht die der Opfer“.

Schwere Vorwürfe richtet Strack-Zimmermann auch an Olaf Scholz’ Berater, die sich ihrer Meinung nach bei Waffenlieferungen „immer hinter der Welle“ befinden und „überhaupt nicht strategisch“ denken.

Besuche in der Ukraine haben sie geprägt

Am Telefon berichtet die 64-jährige Katholikin, wie sie am Fernseher einen Weihnachtsgottesdienst in Kiew verfolgte, bei dem wieder der Strom ausfiel. Sie berichtet von ihren beiden Aufenthalten in der Ukraine nach Kriegsbeginn, einer Nacht in der Hauptstadt, in der sie die Angst der Menschen am eigenen Leib spürte, und einem Lazarett: „Ich habe ukrainische Soldaten ohne Arme und Beine besucht, deren Mütter am Krankenhausbett um sie geweint haben“. Da ist der Gedanke an die eigenen Söhne nicht weit.

Marie-Agnes Strack-Zimmermann erzählt das, um zu begründen, warum sie den Regierungschef ihrer eigenen Ampelkoalition immer wieder frontal attackiert. „Ich kann nicht schweigen, solange wir in Deutschland nicht wirklich alles Mögliche tun, um der Ukraine beizustehen.“ Aktuell will sie die Ukraine besser gegen „Russlands bevorstehende Großoffensive, die Putin angekündigt hat“ wappnen.

Nur Freunde macht sich die Liberale damit nicht. Der SPD-Außenpolitiker Ralf Stegner, mit dem sie sich gern auf Twitter anlegt, mag zwar „selbstbewusste Abgeordnete“, findet aber, „dass Frau Strack-Zimmermann manchmal zu forsch auftritt und vorschnelle Urteile abgibt – etwa zum Raketeneinschlag in Polen“. Tatsächlich machte sie Mitte November Russland verantwortlich – und musste den Tweet löschen, als sich Abfanggeschosse der Ukraine als Ursache entpuppten.

Im Kanzleramt wird gelästert, sie habe „ein Geschäftsmodell“ aus der Kritik an Scholz gemacht. Er selbst ging im Frühjahr indirekt auch Strack-Zimmermann an, als die sich mit dem Sozialdemokraten Michael Roth und dem Grünen Anton Hofreiter für schwere Waffen einsetzte: „Manchen von diesen Jungs und Mädels muss ich mal sagen: Weil ich nicht tue, was ihr wollt, deshalb führe ich.“

Ein wenig hat auch Strack-Zimmermann geführt. Zumindest trägt der Bundestagsbeschluss von Ende April, dem die Lieferung von Geparden, Haubitzen und des Flugabwehrsystems Iris-T folgte, ihre Handschrift. Da wurde der Kanzler erfolgreich gedrängt.

Den nächsten Schritt aber, den die FDP-Politikerin mit der Lieferung westlicher Kampfpanzer gerne ginge, will er seit Monaten partout nicht mitgehen. Er wisse, so Scholz’ Sprecher Steffen Hebestreit noch vor Weihnachten, „nicht von Überlegungen, dass sich das in Kürze ändern sollte“. 

Gelegentlich wird ihr zu Zurückhaltung geraten

Steht Strack-Zimmermann mittlerweile also auf verlorenem Posten, weil sie in der Regierung kein Gehör mehr findet? Gehören ihre Forderungen quasi nur noch zum medialen Beiwerk, da sich die Entscheidungsträger im Bundessicherheitsrat, auch die der Liberalen, in ihrer etwas vorsichtigeren Haltung einig sind?

Tatsächlich heißt es in Kreisen des Bundesvorstands, dem sie angehört, „dass sie dem Koalitionsfrieden zuliebe gelegentlich um etwas Zurückhaltung gebeten wird“. Zugleich wird ihr dort attestiert, „Sprachrohr einer verbreiteten Stimmung in der FDP wie in der Bevölkerung“ zu sein.

In dieser Rolle hat ihr auch der Parteivorsitzende gerade Rückendeckung gegeben, obwohl er bei Panzern wie Scholz auf die US-Politik verweist. Eine Vorsitzende des Verteidigungsausschusses habe, so Christian Lindner, „nicht dem Bundeskanzler oder dem Kanzleramtschef oder einem anderen Regierungsmitglied zu gefallen“.

Ich sehe mich nicht als einsame Ruferin.

Strack-Zimmermann über ihre eigene Rolle

Sie selbst fühlt sich in der Rolle der wortgewaltigen Antreiberin durchaus wohl, auch wenn es häufiger an einflussreichen öffentlichen Mitstreitern zu fehlen scheint: „Ich sehe mich nicht als einsame Ruferin, sondern weiß meine Partei, eine große Mehrheit im Verteidigungsausschuss und Bundeswehrgeneräle hinter mir, die sich nicht so exponieren können oder wollen.“

Versuche der stilleren Einflussnahme soll es auch gegeben haben – so berichtet die Liberale von Gesprächen mit Scholz’ außenpolitischem Berater Jens Plötner und seinem Kanzleramtsminister. „Wolfgang Schmidt hat mir gesagt, Olaf Scholz mache zu, wenn er öffentlich kritisiert werde“, erzählt sie, „aber meine Aufgabe als Parlamentarierin ist es nicht, die Nerven des Kanzlers zu schonen.“ Sie wird es wohl auch 2023 nicht tun.

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