zum Hauptinhalt
CDU-Generalsekretär Linnemann pocht auf einen Umbau des Bürgergeldes. (Foto-Archiv)

© Kay Nietfeld/dpa

Update

Streit um Reform des Bürgergelds: Linnemann will beim Umbau „an die Substanz gehen“ – SPD blockt

Das Unterstützungssystem des Staates soll umgestaltet werden, so hat es sich die Regierung vorgenommen. Kritik an neuen Aussagen des CDU-Generalsekretärs kommt aus den Reihen des Koalitionspartners.

Stand:

Dissens in der Koaltion: CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann dringt auf tiefgreifende Veränderungen beim vereinbarten Umbau des Bürgergelds in der schwarz-roten Koalition. „Wir müssen wirklich an die Substanz des Systems gehen“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. „Wir können nicht wie in den vergangenen Jahren einfach nur irgendwelche neuen Sanktionen ankündigen, die dann in den Jobcentern vor Ort nicht umgesetzt werden können.“ 

Das Drängen Linnemanns stößt beim Koalitionspartner SPD auf deutliche Kritik. „Die Attacken auf den Sozialstaat werden jeden Tag mehr. Dabei ist er kein Kostenfaktor, den man einfach nach Kassenlage zusammenstreicht“, sagte die für Arbeit und Soziales zuständige stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Dagmar Schmidt der Deutschen Presse-Agentur. Die Sozialsysteme im Land seien das solidarische Fundament des Zusammenhalts in der Gesellschaft.

Wir brauchen hier einen Paradigmenwechsel.

Carsten Linnemann, CDU-Generalsekretär

Linnemann suche den engen Schulterschluss mit Arbeitsministerin Bärbel Bas (SPD), sagte der CDU-Generalsekretär, der als Unionsfraktionsvize für das Thema zuständig ist. „Wir haben beide ein Interesse daran, dass wir wieder ein gerechtes Sozialsystem bekommen.“ Generell sei der Eindruck entstanden, dass das Bürgergeld schon „eine Chiffre für Ungerechtigkeit in Deutschland“ geworden sei.

Der CDU-Politiker betonte: „Wir müssen uns auf einen ganz wichtigen Punkt einigen: Wenn jemand nachweislich wiederholt einen zumutbaren Job nicht annimmt, obwohl er offenkundig arbeiten kann, dann muss der Staat davon ausgehen, dass derjenige nicht bedürftig ist. Und dann bekommt er auch kein Bürgergeld mehr. Wir brauchen hier einen Paradigmenwechsel.“

Schmidt entgegnete: „Statt immer wieder die Gerechtigkeitsfrage allein bei denen zu stellen, die kleine, kleinste oder gar keine eigenen Einkommen haben, gilt es diejenigen stärker an der Finanzierung unseres Gemeinwesens zu beteiligen, die höchste Einkommen und Vermögen haben.“

Die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende fügte hinzu: „Und statt die Realitäten vieler Menschen zu ignorieren, die aufgrund von schwierigen Lebenslagen, Krankheit, Arbeitslosigkeit oder anderer Hürden diese Unterstützung brauchen, könnte man sich auch Gedanken darüber machen, wie man die Hürden abbaut und zielgerichtet und nachhaltig auf dem Weg in Arbeit unterstützt.“

Union und SPD haben im Koalitionsvertrag vereinbart, das Bürgergeld zu einer neuen „Grundsicherung für Arbeitssuchende“ umzubauen. Vermittlung in Arbeit soll bei arbeitsfähigen Menschen Vorrang haben und erleichtert werden. Außerdem sollen Mitwirkungspflichten und Sanktionen verschärft werden.

Linnemann sagte: „Wenn jemand nicht arbeiten kann, weil er körperlich oder aus welchen Gründen auch immer nicht dazu in der Lage ist, dann braucht er natürlich die volle Unterstützung der Solidargemeinschaft.“ Es müsse aber der Grundsatz gelten: Wer arbeiten kann, muss arbeiten gehen. „Niemand kann erwarten, dass Menschen für ihn bezahlen, die jeden Tag arbeiten gehen.“

Kritik an Linnemann auch aus CDU

Die Debatte ist nicht neu, steht jetzt aber unter anderem Vorzeichen, weil Union und SPD gemeinsam regieren. Im vergangenen Sommer hatte Linnemann in der Diskussion über einen Anstieg der Zahl der Bürgergeldempfänger und die stark gestiegenen Kosten für die Leistung schon einmal den Vorschlag in die Diskussion gebracht, mutmaßlich arbeitsunwilligen Bürgergeldempfängern die Grundsicherung komplett zu streichen. Gegenwind bekam er damals unter anderem von SPD. 

Auch der CDU-Sozialflügel bekräftigte seine Kritik an Linnemanns Vorstoß. Der Vize-Vorsitzende der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA), Christian Bäumler, sagte der Deutschen Presse-Agentur: „Das Bürgergeld ist für Carsten Linnemann eine politische Obsession.“ Sanktionen seien richtig, reichten aber nicht aus. „Unser Ziel muss es sein, Menschen in Arbeit zu bringen, nicht sie verhungern oder obdachlos werden zu lassen“, sagte Bäumler. Die vollständige Streichung der Grundsicherung dürfe nur die letzte Möglichkeit sein.

Die Ausgaben für Bürgergeld sind im vergangenen Jahr laut der Statistik der Bundesagentur für Arbeit (BA) auf fast 47 Milliarden Euro angestiegen. Im Jahr davor waren es rund 43 und ein Jahr davor rund 37 Milliarden Euro. Die BA fasst dies unter dem Begriff „Zahlungsansprüche“ zusammen.

Der Zahlungsanspruch sei der Betrag, welcher den Personen zustehe und der tatsächlich gewährt werde. Die Zahl der sogenannten Bedarfsgemeinschaften, also der Haushalte, in denen Bürgergeld bezogen wird, liegt aktuell bei rund 2,9 Millionen. (dpa)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })