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Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Bündnis 90/Die Grünen).

© dpa

Flüchtlingspolitik: Streit um sichere Herkunftsstaaten

Soll die Liste der sicheren Herkunftsstaaten erweitert werden? Ministerpräsident Kretschmann sagt "Ja, aber . . .". Das verärgert die Union.

Der menschenrechtspolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, Tom Koenigs, hat Baden-Württembergs Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann (Grüne) verteidigt. Die Debatte um sichere Herkunftsstaaten sei eine um Symbole: "Wir müssen uns stattdessen damit befassen, wie wir Integration schaffen", sagte Koenigs dem Tagesspiegel.  Die Altfälle, die der Stuttgarter Regierungschef für ein Ja zu weiteren Herkunftsstaaten lösen wolle, seien "teils abenteuerlich". Oft würden Menschen abgeschoben, die seit zehn Jahren in Deutschland seien und deren Kinder ausschließlich deutsch sprächen. "Es gibt keinen Grund, vom Verrat grüner Prinzipien zu sprechen, wenn man darüber verhandelt. Es ist gut, dass Winfried Kretschmann das tut." 

Koenigs kritisierte zugleich das Konzept der sicheren Herkunftsstaaten: "Es dient weder der Sache, noch ist es rechtlich tragbar." Entscheidend seien die Gerichte. Dies lasse sich an den Asylanträgen von Staatsangehörigen der Balkanländer sehen, die schon vor der Einstufung als sichere Herkunftsstaaten zu 99 Prozent abgelehnt worden seien. Andererseits gebe es in Marokko Menschenrechtsverletzungen, "deren Opfer sicherlich in Deutschland Asyl bekämen".

Die Debatte um die Erweiterung der Liste sicherer Herkunftsstaaten um Marokko, Tunesien und Algerien stellt Union und SPD vor Probleme bei der Umsetzung von Beschlüssen ihrer Regierung. CDU und CSU warfen dem Koalitionspartner am Dienstag in Berlin vor, einen entsprechenden Gesetzentwurf nicht schon in dieser Woche behandeln zu wollen. Grund sei Rücksicht auf die Grünen sowie auf SPD-Ministerpräsidenten mit grünen Koalitionspartnern.

Die Union verspricht sich von der neuen Einstufung der drei Länder die Eindämmung des Flüchtlingsandrangs, weil Abschiebungen erleichtert würden. Asylbewerber aus den genannten Ländern hätten ohnehin nur eine Anerkennungsquote von einem Prozent. Die Koalition ist im Bundesrat aber auf die Zustimmung mindestens einer Landesregierung mit grüner Beteiligung angewiesen.

Vor allem die CSU wehrt sich gegen Zugeständnisse an die Grünen wie eine liberale Altfallregelung und eine Beschwerdestelle für abgelehnte Asylentscheidungen. Die CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt sagte: "Das kann man in diesem Zusammenhang nicht verlangen." Unionsfraktionsgeschäftsführer Michael Grosse-Brömer (CDU) zeigte sich dagegen bereit, über die Forderungen der Grünen zu reden. Und zwar dann, wenn das Gesetz eingebracht sei. Andere Politiker halten einen Kompromiss mit den Grünen vorher für sinnvoll.

Der baden-württembergische Ministerpräsident Kretschmann sagte dem Sender n-tv, Leute zurückzuschicken, die in Deutschland schon Wurzeln geschlagen hätten, sei unvernünftig. Es sei an der Zeit, die Situation von lange geduldeten Menschen in Deutschland mit einer Altfallregelung zu verbessern. Das würde aus seiner Sicht auch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) entlasten. Anfang Februar hatte Grünen-Parteichef Cem Özdemir ähnliche Forderungen zur Bedingung für einen weiteren Asylkompromiss im Bundesrat gemacht.

Die Duldung ist eigentlich nur eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung von Ausländern, die zur Ausreise verpflichtet sind. Derzeit leben etwa 193.000 Menschen in Deutschland, die eigentlich ausreisen müssten. Der Großteil davon (fast 142.000) sind Geduldete. Sie können oft nicht abgeschoben werden, weil sie krank sind oder keine Papiere haben.

Das grün-rot regierte Baden-Württemberg hatte 2014 schon die umstrittene Änderung des Asylrechts mit der Ausweitung der sicheren Herkunftsländer auf Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina ermöglicht. Bei vielen Grünen stieß das auf massiven Widerspruch. (mit dpa)

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