Politik: Teure Sprache
In der Türkei wird das Zuwanderungsgesetz kritisiert – viele können sich Deutschkurse nicht leisten
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In einem renovierten Altbau mitten in der Innenstadt Istanbuls pflegt man die Kunst der Konversation in deutscher Sprache. „Was habt ihr am Wochenende gemacht?“, fragt Lehrerin Dilek Basak die Teilnehmer eines Fortgeschrittenenkurses am Goethe-Institut. „Ich war im Kino“, kommt eine Antwort.
Wenn es nach dem im Bundeskabinett verabschiedeten Zuwanderungsgesetz geht, sollen in der Türkei bald alle nachziehenden Ehegatten zumindest ein wenig Deutsch lernen, bevor sie ihre Heimat verlassen. Besonders für die sogenannten Importbräute aus der Türkei wird das neue Zuwanderungsgesetz wichtig werden – aber wie und wo diese Frauen die neue Sprache lernen sollen, weiß niemand. Von einer angeblichen Bereitschaft der türkischen Regierung, die Deutschkurse zu bezahlen, ist in der Türkei auch nichts bekannt. Viele Türken vermuten deshalb, dass das Zuwanderungsgesetz in Wirklichkeit ein Instrument sein soll, um sie aus Deutschland fernzuhalten.
Umgerechnet etwa 200 Euro kostet ein zweimonatiger Lehrgang beim Goethe-Institut, das ist viel Geld in der Türkei. Für die Teilnehmer der Konversationsstunde im Goethe-Institut ist die Gebühr zwar kein großes Problem, aber bei ihnen handelt es sich auch nicht um Importbräute. Es seien die „Eliten von morgen“, die sich hier ausbilden ließen, bestätigt der stellvertretende Institutsleiter Christian Merten.
Zu Mertens Kursteilnehmern zählen zum Beispiel Studenten, die vielversprechende Karrieren in der Wirtschaft vor sich haben. Frauen, die sich auf ein neues Leben bei ihrem zukünftigen Ehemann in Deutschland vorbereiten, sind dagegen nicht darunter: „Das ist eine Zielgruppe, die sich die Kurse hier gar nicht leisten kann“, sagt Merten. Zudem sitzt diese „Zielgruppe“ nicht in Istanbuler Universitäten und Büros, sondern in anatolischen Kleinstädten und Dörfern, weit weg von Sprachschulen. Das Goethe-Institut könne zwar grundsätzlich auch in der anatolischen Provinz aktiv werden und Kurse anbieten, sagt Merten. Allerdings könne das Institut das nicht alleine leisten: „Die finanzielle Unterstützung der Regierungen“ sei erforderlich.
Das könnte teuer werden. Schätzungsweise 15 000 türkische Staatsbürger durften im vergangenen Jahr im Rahmen der Familienzusammenführung nach Deutschland ziehen. Die meisten sind Männer oder Frauen aus der Türkei, die einen in Deutschland lebenden Partner heiraten. In manch einem Fall besteht bei den deutschen Behörden der Verdacht, dass es bei den „Importbräuten“ nicht um die große Liebe geht, sondern um den von den Familien arrangierten Nachzug von Verwandten oder Bekannten.
Umgekehrt glauben viele Türken, dass das neue deutsche Zuwanderungsgesetz keine bessere Integration, sondern vielmehr neue Schranken für sie bringen wird. „Wie sollen wir denn Deutsch lernen?“ entrüstet sich der Istanbuler Straßenhändler Izzedin Demir, der aus dem südostanatolischen Siirt stammt. Demir selbst kommt zwar nicht für den Familiennachzug nach Deutschland in Frage, aber ausgesprochen falsch findet er die deutschen Pläne trotzdem: „Das ist eine große Gemeinheit.“ Sogar die Forderung nach verbindlichen Türkischkursen für Urlauber aus Deutschland ist auf den Straßen Istanbuls jetzt zu hören.
Schon bevor es überhaupt in Kraft treten kann, erhält das neue Zuwanderungsgesetz in der Türkei so den Ruf, ein Gesetz zur Verhinderung von Zuwanderung zu sein. So wie der Möbelschreiner Mahmut Coru denken viele. „Gerade die Deutschen schreien doch immer nach Demokratie, aber das verstößt ja wohl klar gegen die Menschenrechte“, schimpft der 53-Jährige. „Wenn das Integration sein soll, dann verzichten wir auf Integration.“
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