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Ukraine-Invasion Tag 265: Nach Aussagen des US-Topgenerals – Washington versucht Kiew zu beschwichtigen
Lawrow reist frühzeitig vom G20-Gipfel ab, Raketenangriffe in der gesamten Ukraine, Kiew spricht von tausenden verschleppten Kindern. Der Überblick am Abend.
Stand:
Es waren Worte, die nachhallten - so wie man es von einem ranghohen Militär erwartet. Vergangene Woche hatte der oberste Soldat der USA, Generalstabschef Mark Milley auf einer Veranstaltung in New York gesagt, dass der kommende Winter eine Gelegenheit für eine Friedensinitiative böte. Die Ukraine habe so viel erreicht, wie zu erreichen sei. In den nächsten Monaten würde der Konflikt wohl einfrieren.
Milley verband seinen Aufruf mit einem Hinweis auf den Ersten Weltkrieg: Damals hätten die Kriegsparteien den Moment verpasst, an dem keine militärischen Erfolge mehr möglich gewesen seien. Das sei der Zeitpunkt für eine politische Lösung gewesen. Wäre diese ergriffen worden, hätten viele Leben gerettet werden können.
Kein Wunder, dass Milley mit seinen Aussagen nicht nur in Kiew für Aufmerksamkeit sorgte, sondern auch in Washington. Dort ist man zumindest im Außenministerium bemüht, Kiew zu versichern, dass nur die Ukraine entscheide, wann das Land Friedensverhandlungen aufnehme (Quelle hier). Die militärische Unterstützung werde ohne Unterbrechung weitergehen, heißt es. Jetzt sei nicht der Zeitpunkt, um Putin die Hand auszustrecken.
Im US-Verteidigungsministerium scheinen zumindest einige Beamte Milleys Einschätzung zu teilen. Dass die Ukraine am Ende zum Beispiel auch die Krim zurückerobern könne, hält man dort für unwahrscheinlich. Militärisch sei zurückgeholt worden, was vernünftigerweise zurückzuholen sei. Offiziell wollte das Verteidigungsministerium die Äußerungen von Milley nicht kommentieren.
Die wichtigsten Nachrichten des Tages
- Auf dem G20-Gipfel: Selenskyj erneuert Forderungen für Kriegsende – Infantino schlägt Waffenstillstand während der WM vor. Mehr hier.
- Der russische Außenminister hat Bali vorzeitig verlassen. Lawrow sagte vor seiner Abreise am Dienstag, „alle Probleme“ hinsichtlich etwaiger Friedensverhandlungen lägen „bei der ukrainischen Seite“. Mehr hier.
- Moskau könnte Rückzug aus Cherson verzögert haben: Ein Bericht legt nahe, dass der Rückzug zunächst geheim gehalten wurde. Russland habe der US-Regierung keinen Vorteil verschaffen wollen. Mehr hier.
- Die ukrainische Hauptstadt Kiew ist nach Angaben ihres Bürgermeisters am Dienstag von russischen Raketen beschossen worden. Bürgermeister Vitali Klitschko teilte im Onlinedienst Telegram mit, nach ersten Informationen seien drei Wohngebäude im Innenstadtbezirk Petschersk getroffen worden. Die ukrainische Luftabwehr habe mehrere Raketen über Kiew abgefangen. Über Angriffe wurde auch aus den Gebieten Odessa, Tscherkassy, Kirowohrad, Chmelnyzkyj, Charkiw, Lwiw und Dnipropetrowsk berichtet. Mehr in unserem Liveblog.
- Beim Abzug der russischen Truppen sind in der südukrainischen Großstadt Cherson laut Polizei Hunderte Mordverdächtige und andere Schwerverbrecher aus dem Gefängnis geflohen. Von insgesamt über 450 Flüchtigen seien 166 wieder festgenommen worden, sagte Polizeichef Ihor Klymenko am Dienstag im ukrainischen Fernsehen.
- Die Ukraine wirft Russland vor, Häftlinge aus afrikanischen Ländern an die Front in der Ukraine zu schicken. Russlands Präsident Wladimir Putin schicke in Russland inhaftierte Afrikaner „in den Krieg“, schrieb der Sprecher des ukrainischen Außenministeriums, Oleh Nikolenko, am Dienstag auf Twitter. Zuvor war bei Kämpfen in der Ukraine ein Student aus Sambia getötet worden, der eine Haftstrafe in einem Gefängnis bei Moskau verbüßte.
- Der Füllstand der Erdgasspeicher in Deutschland hat die 100-Prozent-Marke geknackt. Dies ging am Dienstag aus im Internet veröffentlichten Daten des europäischen Gasspeicherverbandes GIE hervor. Demnach wurden nach jüngsten Angaben am Montagmorgen in den Speichern 245,44 Terawattstunden Erdgas registriert.
- Im Ukraine-Krieg beschädigte deutsche Waffen werden künftig in der Slowakei repariert. „Das kann sofort losgehen. Die Vereinbarung ist getroffen“, sagte Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) am Dienstag am Rande eines Treffens mit ihren EU-Amtskollegen in Brüssel.
- Das russische Militär versucht, die eingezogenen Rekruten mit Abschussprämien und Kopfgeldern im Krieg gegen die Ukraine zu motivieren. Der Armeesender „Swesda“ veröffentlichte am Dienstag eine Preisliste auf seinem Telegram-Kanal. Demnach wird der Abschuss eines ukrainischen Flugzeugs mit umgerechnet 5000 Euro vergütet, ein Hubschrauber mit etwas mehr als 3200 Euro, ein Kampfpanzer mit gut 1600 Euro.
- Deutschland beginnt mit der Ausbildung tausender ukrainischer Soldaten im Rahmen einer neuen EU-Mission. „Wir planen, bis nächsten Juni alleine eine Größenordnung von 5000 Soldaten auszubilden in den unterschiedlichsten Fähigkeiten, also im Brigade-Format“, sagte Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) am Dienstag am Rande eines Treffens mit ihren EU-Kollegen in Brüssel.
- In der Ukraine sind Kriegsgefangene nach Erkenntnissen von UN-Menschenrechtsexperten sowohl auf russischer als auch auf ukrainischer Seite misshandelt und gefoltert worden. Das berichtete die Leiterin der UN-Menschenrechtsdelegation in der Ukraine, Matilda Bogner, am Dienstag via Videolink aus Kiew nach Genf.
- Nach dem Rückzug der russischen Truppen sieht das britische Verteidigungsministerium die südliche Hafenstadt Henitschesk am Asowschen Meer als „temporäres Zentrum“ der russisch besetzen Gebiete. Diese Entscheidung deute darauf hin, dass Russland seinen militärischen Fokus auf die südlichen Regionen der Ukraine verschiebt, wie das Ministerium auf Twitter schreibt.
- Die Ukraine sucht internationale Hilfe bei der Rückholung Tausender Kinder, die nach Kiewer Angaben nach Russland verschleppt worden sein sollen. Es gehe mindestens um 11.000 Kinder, deren Namen bekannt seien, sagte Präsident Wolodymyr Selenskyj am Montag in seiner abendlichen Videoansprache. „Aber das sind nur die, von denen wir wissen. In Wahrheit sind mehr verschleppt worden.“
- Das ukrainische Militär wird nach Worten seines Oberkommandierenden Walerij Saluschnyj keine Kompromisse bei der Befreiung des Landes von der russischen Besatzung akzeptieren. Das teilte Saluschnjy nach einem Telefonat mit US-Generalstabschef Mark Milley mit. „Unser Ziel ist es, das gesamte ukrainische Land von der russischen Besatzung zu befreien“, schrieb Saluschnyj am Montag auf Telegram. Auf diesem Weg werde man nicht stehen bleiben.
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