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Weniger Verkaufsreden: FDP-Chef Christian Lindner bemühe sich um mehr Sachlichkeit, heißt es in der Partei.

© dpa/Bernd von Jutrczenka/

Umfragehoch der Liberalen: Kann Christian Lindner die FDP auf Erfolgskurs halten?

Vor 20 Jahren riefen die Liberalen 18 Prozent als Wahlziel aus. Heute ist die FDP so nah dran wie nie. Doch das plötzliche Umfragehoch birgt Risiken.

Auf die Wortwahl haben sich Union und FDP bereits verständigt. Ein „Entfesselungspaket“ will CDU-Chef Armin Laschet schnüren, falls er Bundeskanzler wird. Er will Steuern senken, den Soli abschaffen, die Wirtschaft ankurbeln – also genau das, was die Freien Demokraten fordern. Das Wort „entfesseln“ verwenden auch die Liberalen gerne, schon länger taucht es in ihren Beschlüssen und Reden auf. Deutschland müsse seine wirtschaftlichen Potenziale freilegen, lautet die Botschaft.

Dass auch die CDU für den Wahlkampf voll auf Wirtschaftsthemen setzt, sei „vom Spirit eine erfreuliche Überraschung“, sagt FDP-Chef Christian Lindner. „Für uns ist das eine Einladung, die Union nicht mit den Grünen alleine zu lassen.“ Sein Ziel: Schwarz-Grün verhindern und selbst mitregieren.

Dass die Liberalen das erreichen, dafür stehen die Chancen nicht schlecht. Gerade erleben sie in den Umfragen einen Höhenflug. 13 Prozent erreichen sie in einer aktuellen Forsa-Umfrage. Das sind nur fünf Punkte unter dem oft belächelten Wahlziel von 18 Prozent, das der einstige Parteichef Guido Westerwelle 2001 ausgab.

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Die Stimmung in der Partei ist drei Monate vor der Bundestagswahl entsprechend gut – vor allem, weil die Freidemokraten einen langen, schwierigen Weg hinter sich haben: vier Jahre „außerparlamentarische Opposition“, dann 2017 das Aus der Jamaika-Gespräche, schließlich die sinkende Zustimmungswerte in der Hochphase der Pandemie. Inzwischen sind die Liberalen in den Umfragen stabil zweistellig und damit zurück sind auf der politischen Bühne. Woher kommt das plötzliche Umfragehoch? Wie nachhaltig ist es? Was will die FDP daraus machen?

Kaum noch Kritik an Lindner

Die Umfragen stärken vor allem Lindner den Rücken. „Er bietet kaum noch Anlass für Kritik“, sagt einer aus dem FDP-Vorstand. Früher sei der Parteichef intern teils als „flatterhaft“ kritisiert worden – als einer, der zu viele Themen gleichzeitig bespielen wolle. Zu Beginn der Coronakrise schüttelten manche Parteifreunde den Kopf über den Vorsitzenden: Seine teils scharfen Attacken auf die Regierung kamen nicht überall gut an. Inzwischen halte Lindner aber „weniger Verkaufsreden“, bemühe sich um einen seriösen Ton, sagt ein ranghoher Funktionär. Tatsächlich tritt Lindner seit einiger Zeit betont staatstragend auf.

Das kommt nicht nur in der FDP gut an, sondern offenbar auch bei den Wählerinnen und Wählern. „Die FDP macht einen geschlossenen und einheitlichen Eindruck“, sagt Politikwissenschaftler Uwe Jun von der Uni Trier. Das nutze der Partei. Die hohen Zustimmungswerte hätten aber noch weitere Gründe. „Die Liberalen profitieren von unzufriedenen CDU-Anhängern, die statt Armin Laschet lieber Friedrich Merz als Parteichef gesehen hätten“, sagt Jun.

Auch manche Wählerinnen und Wähler, die das Coronamanagement der Bundesregierung kritisch sehen, wechselten von der Union zur FDP. „Hinzugewinnen können die Liberalen auch, weil sie sich in den vergangenen Monaten inhaltlich breit aufgestellt haben, etwa mit dem Thema Rechtsstaatlichkeit. Das kommt vor allem bei den Jüngeren gut an“, sagt Jun.

Nicht so zahm wie die Grünen, nicht so scharf wie die AfD

In der Hochphase der Pandemie hatte die FDP viel Energie in das Thema Grundrechte gesteckt – und in die „seriöse Oppositionsarbeit“, wie Parteivize Johannes Vogel sagt. „Wir haben das Virus stets ernstgenommen, aber auch die Regierung für das kritisiert, was schief gelaufen ist.“ Nicht so zahm wie die Grünen, aber auch nicht so scharf wie die AfD, könnte man die Linie beschreiben.

Johannes Vogel (l) ist Generalsekretär der FDP in Nordrhein-Westfalen und seit Mai stellvertretender FDP-Bundesvorsitzender.
Johannes Vogel (l) ist Generalsekretär der FDP in Nordrhein-Westfalen und seit Mai stellvertretender FDP-Bundesvorsitzender.

© Foto: Imago/Sven Simon

Im Wahlkampf will die FDP vor allem über die „Entfesselung“ der Wirtschaft reden. Dass die CDU auf dasselbe Thema setzt, ist einerseits gut für die Liberalen – das könnte eine Koalition später erleichtern. Anderseits sei der Wirtschaftsfokus der CDU „nicht ungefährlich für die FDP“, sagt Jun. „Die Union könnte damit ihre Wähler davon abhalten, zur FDP zu wechseln.“

Ein strategisches Risiko steckt auch in einer anderen Machtoption: der Ampel, einer möglichen Koalition mit Grünen und SPD. Ob Lindner bereit wäre, Grünen-Chefin Annalena Baerbock zur Kanzlerin zu wählen? Um eine klare Antwort darauf drückt man sich in der FDP. Es komme auf Inhalte an, man schließe nichts aus. „Wir führen den Wahlkampf aus strategischer Unabhängigkeit heraus, das ist doch auch die neue Normalität im veränderten Parteiensystem“, sagt Vogel.

Eine grün geführte Bundesregierung ist für viele FDP-Anhänger ein Horrorszenario, die Ampel „nicht gerade das Lieblingsmodell“, sagt Jun. Die FDP müsse deshalb einen „Balanceakt“ wagen, rät der Politologe. „Sie muss sich alle Optionen offen halten, auch die Ampel, ohne damit aber die klassisch bürgerlichen Wähler abzuschrecken.“

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Die Abgrenzung zu Grünen und SPD hat Lindner bereits vor einigen Wochen mit vollzogen, indem er Steuererhöhungen ausschloss. Doch auch hier lauere eine Gefahr, sagt einer aus dem Vorstand. Die FDP könne am Schluss als die ewige „Steuersenkungspartei“ dastehen, als die „kaltherzigen“ Liberalen von früher.

FDP-Vizechef Vogel will dafür sorgen, dass das nicht passiert. „Ich arbeite mit daran, für eine breite inhaltliche Aufstellung zu sorgen – von einer fairen Rentenpolitik über Auftstiegschancen bis hin zur Vielfalt in der Einwanderungsgesellschaft“, sagt er. Progressiver als die Union will die FDP sein – ohne jedoch in den Verdacht zu geraten, sich auf Ampel-Kurs zu befinden.

Dass es zu solch einem Bündnis kommt, hält Lindner aber ohnehin für so gut wie ausgeschlossen. Der Regierungsauftrag werde im September an die Union gehen, sagt er – und zwar „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“.

Dann will die FDP nach Möglichkeit mit am Verhandlungstisch sitzen.

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