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Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier wäre am Zug, wenn die Groko nicht gelingen sollte. Zunächst müsste ihn die Kanzlerin amtlich über die Lage unterrichten.

© Guido Bergmann/dpa

Groko-Abstimmung: Und was, wenn die SPD-Basis doch Nein sagt?

Weder Union noch die Sozialdemokraten haben einen konkreten Plan B, falls die SPD-Basis Nein zur Groko sagt. Bisher gibt es lediglich Gedankenspiele.

Von
  • Hans Monath
  • Robert Birnbaum

Die Regierungsbildung schreitet geschäftsmäßig voran. Am Donnerstagnachmittag trafen sich die Groko-Partner in spe im Kanzleramt, um im Kreis der Spitzen von CDU, CSU und SPD Details der künftigen Kabinettsstruktur festzulegen. Es ging um den präzisen Zuschnitt von Horst Seehofers Superinnenbauheimatministerium, um die parteipolitische Zuordnung von Parlamentarischen Staatssekretärsstellen und Ähnliches. Der Gedanke, dass alles für die Katz gewesen sein könnte, soll gar nicht erst aufkommen.

Nur – die SPD-Basis ist unberechenbar. In Union wie SPD gibt es für den Fall der Fälle zwar keinen regelrechten Plan B. Aber natürlich hat dieser und jener sich schon mal Gedanken gemacht, wie man mit einem Nein zum Koalitionsvertrag umgehen würde. Die geschäftsführende Kanzlerin hat zum Beispiel schon wissen lassen, dass sie sich auch in dem Fall im Bundestag zur Wahl stellen würde, um nach dem vom Grundgesetz vorgeschriebenen Verfahren den Weg zur Minderheitsregierung und zu Neuwahlen frei zu machen.

Wie lange die Republik eine Minderheitskanzlerin Angela Merkel erleben würde, ist nicht ganz leicht vorherzusagen. Merkel könnte versuchen, erst ein paar termingebundene Entscheidungen zu treffen, bevor sie über eine verlorene Vertrauensfrage Neuwahlen in die Wege leitet. Sie hat schließlich selbst mehrfach die Mahnung wiederholt, dass die Welt nicht auf Deutschland wartet.

Die EU-Agenda wartet nicht auf Merkel

Der Hinweis gilt vor allem für Europa. Die Minderheitskanzlerin könnte also versuchen, mit Union, SPD und Grünen im Rücken Pflöcke beim neuen EU-Haushalt oder bestimmten Reformfragen einzuschlagen. Auch für einige innenpolitische Initiativen fänden sich sicher Mehrheiten entlang der Linien der Jamaika- und Groko-Verhandlungspapiere.

Doch erstens riskierte Merkel damit, zu den wirklich entscheidenden Daten auf der EU-Agenda immer noch halb gelähmt irgendwo zwischen Minderheit, Wahlkampf und nächster Koalitionssuche festzustecken.

Und zweitens drängen CSU-Wortführer jetzt schon auf schnelle Neuwahl. Minister einer Minderheitsregierung würde einer genau so lange sein, dass es für eine Grabinschrift reiche, sagt CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt vorher. Dahinter steckt die Sorge, dass eine etwas spätere Bundes-Neuwahl dicht ans Datum der Bayernwahl am 14. Oktober rücken könnte. Dann geriete aber das CSU-Wahlkampfkonzept empfindlich durcheinander, die Bayernwahl zur reinen Heimatveranstaltung zu erklären, in der „Berlin“ allenfalls als Popanz einer Chaos-Metropole vorkommen soll.

Die CSU wäre von einem Nein direkt betroffen

Auch sonst hoffen manche in der CSU noch viel inniger auf die staatsbürgerliche Vernunft der SPD-Basis als in der CDU. Die Christdemokraten fühlen sich nach Merkels cleveren Personalrochaden und ihrem allseits gelobten Parteitag für alle denkbaren Schlachten gerüstet. In der CSU aber würde ein SPD-Nein sofort wieder die Machtfragen aufreißen, die das Groko-Konstrukt eines Superministers Seehofer unter der Decke hält. Wer würde Bundes-Spitzenkandidat? Wer erbt Seehofers Parteivorsitz? Wer könnte dem Bayern-Hoffnungsträger Markus Söder den Zugriff verweigern?

In der SPD stünden sie im Fall der Fälle vor sehr ähnlichen Fragen, nur dass die Antworten dort noch ungewisser scheinen. Viel sagt die designierte SPD-Vorsitzende denn auch nicht zu einem möglichen Scheitern des Mitgliederbegehrens. Sollte die Basis die neue große Koalition am Sonntag ablehnen, „müssen wir alle zusammen sehr tapfer sein“, erklärt Andrea Nahles am Donnerstag den Zeitungen der Funke Mediengruppe. „Aber meine Instinkte sagen mir, dass es gut ausgehen wird“, fügte Nahles hinzu und warf dann doch noch einen Blick in den Abgrund: Bei einem Nein werde es „früher oder später“ Neuwahlen geben.

Das Schiff darf einfach nicht kentern

Mit dem Gedanken an ein Nein-Votum der Basis will sich die SPD-Spitze gegenwärtig nicht lange aufhalten. Parteivize Ralf Stegner, der aus Schleswig-Holstein kommt, begründet das mit einem maritimen Vergleich: „Wir lenken alle Energie darauf, das Schiff sicher in den Hafen zu steuern und beschäftigen uns nicht mit Überlegungen, was passiert, wenn es doch kentert“, sagte er dem Tagesspiegel. Einen Plan B, versichern auch andere wichtige Sozialdemokraten, gebe es in ihrer Partei ebenfalls nicht.

Eine Ankündigung von Nahles freilich hat viele in der SPD aufhorchen lassen: Die designierte Parteichefin verbindet ihr persönliches Schicksal ausdrücklich nicht mit dem Ausgang des Mitgliederentscheids. Darin steckt offenbar ein psychologisches Kalkül. Von Rücktrittsdrohungen ihres Spitzenpersonals für den Fall, dass dieses ihre Vorstellungen nicht durchsetzt, hat die SPD die Nase voll. Sie würden Trotzreaktionen provozieren statt Unentschlossene zum Ja zu bewegen.

Manche in der SPD-Spitze lesen die Trennung, die Nahles zwischen Basis-Votum und eigener Zukunft vornimmt, allerdings zugleich als Ankündigung, dass sich die Fraktionschefin auch dann am 22. April zur Parteichefin wählen lassen, will, wenn es am Sonntag schiefgeht. Zwar wirbt die gesamte Parteispitze für ein neues Bündnis mit der Union und würde scheitern, wenn sie die Basis nicht vom Wert des Koalitionsvertrages überzeugen könnte. Doch der Rücktritt der gesamten Spitze ließe eine steuerungslose Partei zurück. Und dass der gefeierte Groko-Gegner und Juso-Chef Kevin Kühnert schon reif wäre für eine Kanzlerkandidatur, glaubt er selber nicht.

Wehners Warnung von 1982 gilt immer noch

Neuwahlen – eher früher als später – erwartet die gesamte SPD-Spitze. Über die Chancen der SPD macht sich keiner Illusionen. Denn vor den Wähler würde eine Partei treten, die sich dem Regieren gerade verweigert hat – und das mit Themen wie jenen, die sie gerade in den Koalitionsvertrag hineinverhandelt hatte. Schon jetzt liegt die SPD in Umfragen weit unter 20 Prozent, gleichauf oder gar hinter der AfD. Öffentlich reden nur ehemalige Spitzen-Genossen darüber, was ein Nein für die eigene Führung bedeuten würde. Alle in der SPD-Spitze würden „abgestraft und müssten sich fragen, ob sie an derselben Position bleiben könnten“, sagt etwa Ex-Parteichef Björn Engholm der Nachrichtenseite ntv.de. Der frühere Ministerpräsident von Schleswig-Holstein erinnert seine Partei auch an eine Vorhersage Herbert Wehners vor dem Sturz des SPD-Kanzlers Helmut Schmidt im Jahre 1982: „Herbert Wehner hat uns damals gewarnt: Wenn die – also die Union – Fuß fassen, sind wir für zwölf Jahre außen vor.“

Tatsächlich erwies sich der legendäre SPD-Fraktionschef noch als viel zu optimistischer Prophet: Für die Sozialdemokraten wurden es 16 lange Jahre in der Opposition.

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