
© Britta Pedersen/dpa
Reform des Wahlrechts: Union droht wegen Ampel-Vorschlag mit Verfassungsklage
Die Ampel-Fraktionen wollen zügig Eckpunkte für eine Wahlrechtsreform beschließen. Die Union hält wenig davon - und droht mit Verfassungsklage.
Stand:
Die Ampel will an diesem Dienstag die Wahlrechtsreform einen Schritt voranbringen. Den Fraktionen von SPD, Grünen und FDP liegt als Beschlussvorlage ein Eckpunktepapier vor, in dessen Mittelpunkt das zuvor im Rahmen der Wahlrechtskommission des Bundestags vorgestellte Ampel-Reformmodell steht. Durch die Zustimmung der drei Fraktionen liegt dann endgültig eine mehrheitsfähige Lösung vor, wie eine weitere Aufblähung des Bundestags vermieden und dauerhaft die Größe von 598 Sitzen eingehalten werden kann. Die AfD hat schon Zustimmung zu dem Modell signalisiert hat.
Das Wahlrecht kann mit einfacher Mehrheit verändert werden. Die Ampel-Fraktionen wollen jedoch auch Union und Linke „in die Ausgestaltung der Reform einbinden“ und signalisieren in dem Eckpunktepapier Gesprächsbereitschaft. Nach ihrem Vorschlag würden Überhänge von Parteien künftig durch Nichtzuteilung von Direktmandaten dieser Parteien reduziert, bis der Parteienproporz wieder erreicht ist.
[Wenn Sie die wichtigsten News aus Berlin, Deutschland und der Welt live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere runderneuerte App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]
Traditionell ist daher von Kappungslösung die Rede. Die Ampel begründet die Maßnahme nun damit, dass Direktmandate (die nach Erststimmen verteilt werden) eine Zweitstimmendeckung haben müssten. Ist das nicht der Fall, werden die Direktmandate mit den schwächsten Stimmenanteilen in den Wahlkreisen nicht zugeteilt. 2021 wäre das in 34 Fällen der Fall gewesen - zwölfmal bei der CDU, elfmal bei der CSU, zehnmal bei der SPD und einmal bei der AfD.
"Verstoß gegen Demokratieprinzip"
Die Union lehnt den Vorschlag ab. Sie hält das Vorgehen der Ampel für verfassungswidrig. Thorsten Frei, der Parlamentarische Geschäftsführer der Unions-Fraktion, hat dem Tagesspiegel erklärt, warum CDU und CSU nach Karlsruhe gehen werden, sollte die Ampel ihr Modell umsetzen. „Der Vorschlag der Ampel zur Wahlrechtsreform ist aus unserer Sicht verfassungswidrig, weil die Kappung von Direktmandaten dazu führen kann, dass mehrheitlich gewählte Abgeordnete keinen Sitz im Bundestag erhalten, was sowohl gegen die Wahlrechtsgrundsätze als auch gegen das Demokratieprinzip verstoßen könnte“, sagte Frei.
„Wenn für die Zuteilung eines Wahlkreismandats maßgeblich ist, wie viele Listenstimmen eine Partei prozentual gewonnen hat, ist für den einzelnen Wähler im Wahlkreis nicht abschätzbar, welchen Erfolgswert seine Stimmen haben wird.“ Laut Frei entscheidet sich dann maßgeblich nach dem Wahlverhalten der Wählerinnen und Wähler in anderen Wahlkreisen, ob in einem Wahlkreis einem gewählten Kandidaten ein Mandat zugeteilt werde.
"Ersatzstimme fragwürdig"
Zweitens würde die Unions-Fraktion einen weiteren Punkt im Ampel-Modell anfechten. SPD, Grüne und FDP haben vor, dass in Wahlkreisen, in denen wegen der Kappung Wahlkreissieger nicht zum Zuge kommen, über eine Ersatzstimme (oder dritte Stimme) das Direktmandat an einen Bewerber oder eine Bewerberin einer anderen Partei vergeben wird. Die Ersatzstimmen der Erstwähler des „gekappten“ Kandidaten würden dann auf die jeweiligen anderen Bewerber verteilt, wer dann die meisten Stimmen hat, bekommt den Zuschlag.
Frei hält das für fragwürdig. Das Konzept der Ersatzstimme sei „verfassungsrechtlich per se schon kritisch zu sehen“. Das Bundesverfassungsgericht habe im Zusammenhang mit der Fünf-Prozent-Klausel einmal entschieden, dass die Einführung einer Eventualstimme für den Fall, dass die über die Hauptstimme gewählte Partei an der Sperrklausel scheitert, verfassungsrechtlich problematisch sei.
„Die Argumente, die das Verfassungsgericht in dieser Entscheidung vorgetragen hat, sind auf das Ersatzstimmen-Konstrukt im Ampel-Modell übertragbar“, sagte Frei. Karlsruhe habe moniert, dass in solch einem Modell die Zählwertgleichheit der Wählerstimmen unterschiedlich sei, je nachdem, für wen man gestimmt habe. „Denn bei manchen Wählern wird nur die Erststimme gezählt, bei anderen zunächst Erst- und dann Ersatzstimme. Mit Blick auf den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Wahl kann die Ersatzstimme Probleme aufwerfen.“
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: