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385 Abgeordnete stimmten für das Gesetz.

© Foto: Michael Kappeler/dpa

Update

Union will Gesetz noch aufhalten: Bundestag stimmt für Bürgergeld-Reform

Für die Ampel ist es die große Sozialreform, für die Union ein völlig falsches Vorhaben. Nach einer hitzigen Debatte hat der Bundestag das Bürgergeld beschlossen.

Der Bundestag hat mit der Mehrheit der Ampel-Koalition für die Einführung eines Bürgergelds gestimmt. Es soll 2023 die Hartz IV-Leistungen ablösen. Die Regelsätze werden auf 502 Euro im Monat erhöht.

In namentlicher Abstimmung votierten 385 Abgeordnete für das Gesetz, 261 stimmten dagegen, 33 enthielten sich der Stimme. Der Bundesrat muss der Reform noch zustimmen. Die Union hat angekündigt, das Gesetz in der Länderkammer aufhalten zu wollen. 

In einer hitzigen Debatte im Bundestag hatte die Opposition die Ampel-Pläne scharf kritisiert. „Bis heute verweigern Sie jede Debatte über die grundsätzlichen Webfehler Ihres Gesetzes“, sagte der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, Hermann Gröhe (CDU), vor der Abstimmung über die Reform.

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Die Koalition wische Kritik am Gesetz etwa von Städtetag und Landkreistag beiseite. „Mit dieser Arroganz bringen Sie den Sozialstaat nicht nach vorne, mit dieser Arroganz werden Sie scheitern!“, sagte Gröhe.

„Das Bürgergeld hilft nicht denen, die arbeiten wollen, hilft nicht denen, die Leistung zeigen wollen. Das Bürgergeld unterstützt diejenigen, die nicht arbeiten wollen“, sagte der stellvertretende AfD-Fraktionschef Norbert Kleinwächter.

Das Bürgergeld ist nicht im Ansatz armutsfest.

Dietmar Bartsch, Co-Fraktionschef der Linken

Die Linke warf der Koalition dagegen vor, die Regelsätze zu spät und zu wenig erhöhen zu wollen. „Das Bürgergeld ist nicht im Ansatz armutsfest“, sagte Co-Fraktionschef Dietmar Bartsch. „Bürgergeld klingt und gut, aber real ist es eben keine Abkehr von Hartz IV, das System bleibt erhalten. In der Substanz ist es Hartz V.“

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Bundesarbeitsminister Hubertus Heil verteidigte den Plan. Es gehe beim Bürgergeld zum einen darum, Menschen zu schützen, die in existenzielle Not geraten seien, sagte der SPD-Politiker am Donnerstag im ARD-„Morgenmagazin“. Zum anderen gehe es darum, Menschen schneller und dauerhafter in Arbeit zu bringen.

„Im bisherigen Hartz-IV-System ist es so, dass zwei Drittel der Langzeitarbeitslosen, die keine abgeschlossene Berufsausbildung haben, mal in so einen Hilfsjob gebracht werden, aber das Jobcenter sieht die dann nach ein paar Monaten wieder“, sagte Heil. Das Bürgergeld ermögliche, dass Menschen einen Berufsabschluss nachholen könnten, um dauerhaft in Arbeit zu sein.

Kern der Reform ist ein Systemwechsel, weg vom Hartz 4.
Kern der Reform ist ein Systemwechsel, weg vom Hartz 4.

© Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa

„Das ist aktive Arbeitsmarktpolitik und ich will, dass das zum 1. Januar möglich ist.“ Die Ampel-Koalition habe dafür gesorgt, dass sich Arbeit weiterhin lohne - unter anderem durch die Erhöhung des Mindestlohns auf 12 Euro. Das sind die Pläne der Ampel.

Regelsätze

Der heutige Hartz-IV-Regelsatz von 449 Euro für Alleinstehende soll auf 502 Euro angehoben werden. Dass es mindestens so viel sein muss, ist wegen der stark gestiegenen Lebenshaltungskosten unstrittig.

CDU und CSU hatten vorgeschlagen, die Anhebung aus dem Bürgergeld-Gesetz herauszulösen, damit die Erhöhung zum 1. Januar umgesetzt werden kann. Über den Rest des Gesetzes könne man dann später diskutieren. Die Ampel-Koalition lehnt das ab.

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Systemwechsel weg von Hartz IV

Kern der Reform ist ein Systemwechsel: Vor 20 Jahren hatte der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) eine Kommission eingesetzt unter der Leitung von Ex-VW-Manager Peter Hartz. Aus deren Vorschlägen für Arbeitsmarkt- und Sozialreformen gegen die damalige Massenarbeitslosigkeit entstanden mehrere Gesetze: „Hartz I“ bis „Hartz IV“.

Der Druck auf Arbeitslose wurde erhöht, was zu Protesten führte und dazu, dass auch die Sozialdemokraten zunehmend unter Druck gerieten. Schröder verlor die Bundestagswahl 2005 und neben der SPD etablierte sich die Linkspartei. Nun soll Hartz IV weg.

SPD-„Traumabewältigung“? 

Dass die SPD das Bürgergeld nun zur „Traumabewältigung“ brauche, wie es in der Union heißt, nennt Arbeitsminister Heil im aktuellen Podcast der SPD-Bundestagsfraktion „Quatsch“.

„Wir hatten damals Massenarbeitslosigkeit, wir reden heute über Arbeitskräftemangel.“ Deshalb brauche es eine grundlegende Reform mit „Entbürokratisierung, Befähigung, Qualifizierung und verlässliche(r) Absicherung“.

Arbeitslose sollen den Plänen zufolge künftig weniger durch angedrohten Leistungsentzug (Sanktionen) unter Druck gesetzt und dafür bei Weiterbildungsmaßnahmen stärker unterstützt werden. Zudem sollen Vorgaben zur erlaubten Vermögenshöhe und zur Wohnungsgröße bei Leistungsbeziehern gelockert werden.

„Vertrauenszeit“ und „Karenzzeit“

Zwei der Schlagwörter im Bürgergeld-Gesetz. Man wolle niemanden unter Generalverdacht stellen, heißt es von der Ampel. Deshalb sollen Leistungen in den ersten sechs Monaten des Bürgergeldbezugs („Vertrauenszeit“) nur in Ausnahmefällen gekürzt werden, wenn jemand beharrlich mit dem Jobcenter nicht kooperiert.

Für die ersten beiden Jahre („Karenzzeit“) soll zudem niemand sein Vermögen antasten müssen, es sei denn, es ist „erheblich“ und liegt über 60 000 Euro, plus 30 000 Euro für jedes weitere Haushaltsmitglied. Auch ein Umzug in eine kleinere Wohnung soll in der Karenzzeit nicht nötig sein.

„Schonvermögen“

Auch nach zwei Jahren Bürgergeldbezug soll mehr Vermögen als bisher unangetastet bleiben. Das betrifft auch Anlagen zur Altersvorsorge oder Eigenheime bis 140 und Eigentumswohnungen bis 130 Quadratmetern.

Es geht um die Frage, dass Leute, die sich im Leben etwas erarbeitet haben, wenn sie in Not geraten, nicht alles auf den Kopf hauen müssen.

Hubertus Heil

Es gehe nicht um große Villen im Tessin, sagt Heil. „Es geht um die Frage, dass Leute, die sich im Leben etwas erarbeitet haben, wenn sie in Not geraten, nicht alles auf den Kopf hauen müssen.“

Betroffene sollten „den Kopf frei haben sich zu qualifizieren und weiterzubilden, neue Arbeit zu suchen und sollen sich nicht rumschlagen müssen mit dem Aufbrauchen von Vermögenswerten oder dem Auszug aus der bisher bewohnten Wohnung“, sagte SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert vor kurzem im Deutschlandfunk.

Weiterbildung

Zusätzlich zum Bürgergeld soll es 150 Euro Weiterbildungsgeld pro Monat geben, wenn jemand einen Berufsabschluss nachholt oder 75 Euro zusätzlich, wenn andere Weiterbildungsmaßnahmen angenommen werden. Den sogenannten Vermittlungsvorrang will die Ampel abschaffen.

Ziel soll es demnach künftig nicht mehr sein, Betroffene möglichst schnell in irgendeinen Job zu vermitteln, sondern durch Weiterbildung für eine dauerhafte Tätigkeit vorzubereiten. Hier wird auch mit dem Fachkräftemangel argumentiert.

Ich halte ein Bürgergeld für eine gute Idee. Sie hätte es verdient, gut vorbereitet eingeführt zu werden. So wird sie in unserem undurchschaubaren ‘Sozial-Flicken-Netzwerk’ ein neuer Flicken, der an verschiedenen Stellen nicht passt.

Schreibt Community-Mitglied FirstReader

Auf den Weiterbildungsteil im Gesetz legt vor allem die FDP in der Ampel wert, die mit einigen anderen Teilen des Bürgergelds auch ihre Bauchschmerzen hatte, wie die koalitionsinternen Beratungen im Sommer gezeigt hatten. (dpa, epd)

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