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Unions-Parlamentsgeschäftsführer besorgt: CDU-Politiker Wanderwitz will nicht mehr für den Bundestag kandidieren
Der ehemalige Ostbeauftragte der Bundesregierung Wanderwitz will wegen zunehmender Anfeindungen nicht mehr kandidieren. Thorsten Frei bedauert diese Entscheidung.
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Der sächsische CDU-Politiker und ehemalige Ostbeauftragte der Bundesregierung, Marco Wanderwitz, will nicht erneut für den Bundestag kandidieren – dies teilte er im Gespräch der „Freien Presse“ mit. Auch die „Sächsische Zeitung“ berichtet darüber. Wanderwitz ist einer der prominentesten ostdeutschen Christdemokraten im Bundestag.
Als Grund nennt der 49-jährige Politiker die zunehmenden Anfeindungen gegen seine Person. „Die Angriffe der brutalen Schreihälse sind immer heftiger geworden“, sagte Marco Wanderwitz der „Freien Presse“. Auch der Einzug der AfD in die Parlamente würde hier eine große Rolle spielen – Hass und Bedrohungen gehören seither zum politischen Klima.
„Ich muss meine Familie und mich körperlich und seelisch schützen“, sagte der CDU-Politiker und beklagte mangelnde Rückendeckung: „Wir haben es als Zivilgesellschaft nicht geschafft, den Abgeordneten den Rücken zu stärken.“
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Sein anstehender 50. Geburtstag wäre nun ebenfalls Anlass für einen Neustart. „Das ist ein guter Zeitpunkt, an dem ich selbstbestimmt noch einmal etwas Neues anfangen kann“, sagt der Rechtsanwalt.
Unions-Parlamentsgeschäftsführer besorgt
Unions-Parlamentsgeschäftsführer Thorsten Frei (CDU) hat mit großer Sorge auf die Entscheidung des prominenten CDU-Abgeordneten reagiert. „Die Umstände seines Rückzugs aus dem politischen Leben sollten uns allen zu denken geben“, sagte Frei am Dienstag der Nachrichtenagentur AFP. „Wenn die Stimmung derart verroht, dass demokratisch gewählte Abgeordnete sich Sorgen um ihre körperliche Unversehrtheit machen, ist die gesamte Gesellschaft gefordert.“
Wanderwitz sei „eine starke Stimme Ostdeutschlands“, sagte Parlamentsgeschäftsführer Frei zu AFP. „Daher bedauere ich, dass er nicht mehr für den Bundestag kandidiert.“ Frei rief zu einer Stärkung der demokratischen Mitte auf: Die Neuwahl am 23. Februar sei „eine gute Gelegenheit, die demokratische Mitte unseres Landes zu stärken und Populisten Einhalt zu gebieten, die unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung verächtlich machen“.
SPD und Grüne ebenfalls besorgt
Auch in der SPD löste die Ankündigung von Wanderwitz Bestürzung aus. „Wenn Kollegen wie Marco Wanderwitz gehen, weil sie sich nicht mehr in unserer Gesellschaft ge- und ertragen fühlen, dann ist das nicht nur ein Verlust für die CDU und den Parlamentarismus“, schrieb der SPD-Bundestagsabgeordnete Michael Roth im Netzwerk X. „Das ist ein Scheitern der liberalen Demokratie vor ihren Feinden.“
Bundestags-Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt von den Grünen zeigte sich ebenfalls besorgt: „Es ist ein Warnzeichen, wenn er gehen muss, weil Demokraten wie er Angst haben müssen“, schrieb sie auf X.
Es ist ein Warnzeichen, wenn er gehen muss, weil Demokraten wie er Angst haben müssen.
Bundestags-Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (Grüne)
Wanderwitz sitzt seit 2002 für die Christdemokraten im Bundestag. Von 2020 bis 2021 war er Ostbeauftragter der Bundesregierung. Bei der Bundestagswahl 2021 hatte Wanderwitz das Direktmandat in seinem Wahlkreis nahe Chemnitz an den AfD-Kandidaten verloren, er zog aber über die Landesliste in den Bundestag ein.
Wanderwitz ist nicht der erste Bundestagsabgeordnete, der mit Verweis auf eine aggressive gesellschaftliche Stimmung auf eine Kandidatur verzichtet. Bereits im Juli gab die ebenfalls aus Sachsen stammende Bundestags-Vizepräsidentin Yvonne Magwas (CDU) – laut Medienberichten die Lebensgefährtin von Wanderwitz – ihren Verzicht bekannt. Es werde „gelogen, diskreditiert, gehetzt“, erklärte sie damals zur Begründung.
Die frühere Grünen-Chefin Ricarda Lang schrieb am Dienstag auf X: „Mit Wanderwitz und Yvonne Magwas verlassen zwei aufrechte Demokraten das Parlament.“ Dies sei „schade – aber dass sie es auch tun, um ihre Familie vor Bedrohungen zu schützen, ist unerträglich“, schrieb Lang.
Einsatz für ein AfD-Verbotsverfahren
Zuletzt hatte Wanderwitz einen Antrag für ein AfD-Verbotsverfahren mitorganisiert. Ihm zufolge wurde dieser von 113 Unterstützern aus verschiedenen Fraktionen unterzeichnet und kürzlich bei der Bundestagsverwaltung eingereicht.
„Wir sind nicht immer einer Meinung. Worin wir uns einig sind, ist unser klares Bekenntnis zu unserer Demokratie und unserem Grundgesetz“, heißt es in einer E-Mail, die die Unterzeichnenden an alle Abgeordneten verschickten.
Die AfD zeige immer offener ihre Menschen- und Demokratieverachtung. Die Voraussetzungen für ein Verbotsverfahren seien zu Recht hoch, räumt die Gruppe ein – und betont zugleich: „Wir sind davon überzeugt, dass sie im Fall der AfD gegeben sind.“ (Tsp/lum, AFP)
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