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„Unnötig und falsch“: Klingbeil rügt Spahns Aussagen über die AfD – und sieht Foulspiel gegen Merz
Der SPD-Co-Chef zeigt sich irritiert über die Forderung des Unionsfraktionsvize, mit den Rechten im Bundestag so umzugehen wie mit anderen Parteien. Wagenknecht nennt die Debatte „grotesk“.
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Unionsfraktionsvize Jens Spahn (CDU) hat mit dem Vorschlag, mit der AfD bei organisatorischen Fragen im Bundestag so umzugehen wie mit anderen Oppositionsparteien, eine heftige Kontroverse ausgelöst. Nun gibt es auch scharfe Kritik an den Aussagen des CDU-Politikers vom wahrscheinlichen Koalitionspartner SPD.
Der Co-Chef der Sozialdemokraten, Lars Klingbeil, kritisierte die aktuelle Debatte als unnötig. „Ich bin irritiert über diese Diskussion, die unnötig und falsch ist. Jens Spahn und andere in der Union sollten sich darauf konzentrieren, was wir für unser Land erreichen wollen“, sagte Klingbeil der Funke Mediengruppe.
Spahn hatte gesagt, er empfehle, „mit der AfD als Oppositionspartei so umzugehen in den Verfahren und Abläufen wie mit jeder anderen Oppositionspartei auch“. Die Politik müsse anerkennen, „wie viele Millionen Deutsche die AfD gewählt haben“.
Eine Normalisierung mit der AfD wird es von sozialdemokratischer Seite nicht geben.
Lars Klingbeil, Co-Chef der SPD
„Das ist übrigens auch ein Foulspiel gegen Friedrich Merz, wenn solche Debatten in der Union gestartet werden, kurz nachdem er mit uns einen Koalitionsvertrag ausgehandelt hat“, fügte Klingbeil hinzu. In der Union seien offenkundig noch nicht alle in dem Modus angekommen, dieses Land gestalten und regieren zu wollen.
„Eine Normalisierung mit der AfD wird es von sozialdemokratischer Seite nicht geben. Ich werde meine Hand im Bundestag nicht für einen AfD-Politiker heben“, sagte Klingbeil. „Das ist keine normale Partei. Die AfD spaltet dieses Land und macht Politik auf dem Rücken von Minderheiten.“
SPD-Politiker sieht Koalition in Gefahr
Der SPD-Bundestagsabgeordnete Ralf Stegner sieht wegen Spahns Vorschlag sogar die voraussichtlich künftige schwarz-rote Koalition in Gefahr. „Wenn Konservative das Verhältnis zur rechtsradikalen AfD normalisieren, also auf Deutsch gesagt, sich annähern wollen, legen sie die Lunte an eine mögliche Koalition mit der Sozialdemokratie“, sagte Stegner dem „Handelsblatt“.
„Mit rechtsextremen Demokratiefeinden macht man niemals, nirgendwo und aus keinem Grund gemeinsame Sache“, betonte der SPD-Politiker.
Seit dem Einzug der AfD in den Bundestag 2017 sind sämtliche ihrer Bewerber um das Amt eines Bundestags-Vizepräsidenten bei der Wahl durchgefallen. In der vergangenen Wahlperiode ging die Partei auch bei Ausschussvorsitzen leer aus.
Spahn, der als Vorsitzender der Unionsfraktion gehandelt wird, sagte zu der Debatte am Mittwoch im ZDF, es gebe Spielregeln im Parlament. Man könne sie ändern oder alle zwingen, nach den Regeln zu spielen. Er sei für Letzteres, um diese Partei nicht in eine Opferrolle zu bringen.
Spahn weist Vorwürfe zurück
Das CDU-Präsidiumsmitglied widersprach dem Vorwurf, er wolle den Umgang mit der AfD normalisieren. „Das Wort Normalisierung habe ich nicht benutzt“, sagte Spahn in der „Markus Lanz“.
Er erlebe ganz persönlich Hass und Hetze sowie teilweise schwulenfeindliche Sprüche, wenn er an den Reihen der AfD-Abgeordneten vorbeigehe. „Mir muss echt keiner erzählen, was für Typen in deren Reihen sitzen. Das weiß ich“, betonte Spahn.
Widerspruch gegen Spahns Aussage kam nun auch von einem Parteikollegen. Der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) ist dagegen, die AfD so zu behandeln wie andere Parteien. Im Interview mit der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ sagte er: „Es darf keine Form der Zusammenarbeit mit der AfD geben, da sind wir klar.“ Das stehe auch sehr deutlich in dem von Union und SPD ausgehandelten Koalitionsvertrag.
„Die AfD ist zwar demokratisch gewählt. Aber wenn sie offen gegen unsere Verfassung arbeitet, dann ist sie auch keine Partei wie jede andere“, sagte Günther.
Der CDU-Politiker Philipp Amthor aus Mecklenburg-Vorpommern forderte eine stärkere inhaltliche Auseinandersetzung mit der AfD gefordert. „Die Leute erwarten von uns, dass wir die AfD mit den besseren Argumenten schlagen“, sagte Amthor am Freitag dem Nachrichtenportal web.de. Man dürfe vor der AfD „nicht wie das Kaninchen vor der Schlange“ sitzen.

© dpa/Jens Büttner
„Einige Politiker und politische Beobachter verfallen ja gelegentlich in eine Schockstarre und sagen: Wenn wir es jetzt nicht richtig machen, gewinnt in vier Jahren die AfD die absolute Mehrheit“, führte Amthor aus. „Da frage ich mich: Was ist das für eine mutlose Einstellung?“
CDU-Politiker Amthor fordert inhaltliche Debatte mit AfD
Dem CDU-Politiker zufolge gilt für seine Partei weiterhin, dass sie „mit Gegnern unserer demokratischen Institutionen keine Zusammenarbeit“ eingehe und mit der AfD „keine gemeinsamen Anträge“ stelle. Der Begriff der Brandmauer ist aus seiner Sicht allerdings „missverständlich“.
„Richtig daran ist zwar, dass die AfD im wahrsten Sinne des Wortes brandgefährlich für das Vertrauen in unser politisches System und für die Stabilität der parlamentarischen Demokratie ist“, sagte Amthor. Allerdings müsse mehr „über das notwendige Löschen des schwelenden Brands hinter der Mauer“ gesprochen werden, sagte er. „Dafür braucht es eine inhaltliche Debatte.“
Die Debatte um die Äußerungen von Jens Spahn zum Umgang mit der AfD ist grotesk.
Sahra Wagenknecht, Co-Bundesvorsitzende des BSW
Die Co-Bundesvorsitzende des BSW, Sahra Wagenknecht, kritisierte die aktuelle Diskussion über den Umgang mit der AfD kritisiert und forderte Bundestagsämter für die Partei. „Die Debatte um die Äußerungen von Jens Spahn zum Umgang mit der AfD ist grotesk. Keinen Wähler wird man dadurch zurückgewinnen, dass man der AfD im Bundestag weiterhin wichtige Ämter und andere formale Rechte vorenthält“, sagte Wagenknecht der „Welt“. „Seit acht Jahren hält man an dieser Idiotie fest.“
Es sei ein Irrweg, der am Ende nur der AfD helfe, weil ihre Wähler das zu Recht als Ohrfeige empfinden würden, sagte Wagenknecht.
„Der AfD zum Beispiel seit Jahren einen Vizepräsidenten im Bundestag vorzuenthalten, ist kein antifaschistischer Coup, sondern einfach mangelnder Respekt vor demokratischen Regeln.“
Auch dieser Umgang habe dazu beigetragen, dass sich die AfD in den letzten Jahren verdoppelt habe, kritisierte Wagenknecht. Bei der Bundestagswahl erreichte die AfD 20,8 Prozent der Stimmen. In aktuellen Umfragen liegt sie noch höher.
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