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US-Angriff auf Irans Atomanlagen: Nie wieder war jetzt
Aus dem Einsatz muss Politik folgen. Kann sie auch – wenn die Mullahs einsehen, dass der Krieg auf Kosten ihres Volkes geht. Wenn nicht? Dann wird es noch schlimmer.

Stand:
Donald Trump klang bei der Ansprache ans amerikanische Volk martialisch, und das ist es auch. Die USA sind in den Krieg mit dem Iran eingetreten, mag der Präsident das einerseits groß, andererseits kleinzureden versuchen. Begrenzte Schläge, auch zeitlich? Das kann ein sehnlicher Wunsch bleiben.
Attacken mit modernsten Bombern, dicksten Bomben und smarten Marschflugkörpern auf die drei wichtigsten Standorte des iranischen Atomprogramms – keine Kleinigkeit. Weil auch noch 40.000 US-Soldaten in der Region am – Achtung, der Name – Persischen Golf stationiert sind, dazu zwei Flugzeugträgergruppen, kann daraus jederzeit noch mehr werden. Ob Trump, er zuvörderst, das bedacht, vom Ende her gedacht hat?
Zu hoffen ist es, zu wünschen auch. Richtig, das „Nie wieder“, also der Versuch, das Jüdische von der Welt zu tilgen, darf nie nur ein Satz sein, ein Slogan. Insofern war das „Nie wieder“ jetzt, angesichts der mehr als 40 Jahren währenden, sich verschärfenden Bedrohung durch den Iran.
Ob vier Tage, drei Wochen oder Jahre vor der nuklearen Bombe – wer weiß schon genau, was stimmt. Die Mullahs haben ihren Zeitplan nicht der Öffentlichkeit vorgelegt.
Wenn es darum das Ziel der USA war, die iranischen Kapazitäten zur Urananreicherung rechtzeitig zu zerstören, die nukleare Bedrohung zu beenden, dann hatte der Angriff seine eigene Zeit. Die Russen können nicht eingreifen, ihr Militär ist in einem anderen Krieg gebunden; die Chinesen werden es auch nicht tun, sie denken eher an Taiwan. So ist der weltweit größte staatliche Unterstützer des Terrors mindestens Jahre im Aufbau zerstörerischer Fähigkeiten zurückgeworfen.
Keine Endlösung auf Iranisch – das ist ein Dienst am Staat Israel, aber überhaupt an der internationalen Gemeinschaft. Denn die Raketen des Iran reichen weit, weiter als bis nach Israel. Ihr terroristischer Arm langt weit in die arabischen Nachbarstaaten und in die westlichen Zivilgesellschaften hinein. Das zu sehen, heißt, die zunehmende Gefahr zu erkennen. Der musste irgendwann wirksam begegnet werden.
Es gibt einen Ausweg aus der ganz großen Konfrontation
Aber jetzt: Der US-Präsident zeigt einen Ausweg aus der ganz großen Konfrontation. Teheran soll dafür den Weg des Friedens nehmen, schnell. Soll nicht wieder taktisch verzögern, um sich – und sei es ein kleines bisschen – vom Atomprogramm zu erhalten. Kommt die Bereitschaft zum Frieden, ist sie glaubwürdig, dann ist allen geholfen. Israel, den USA, weil sie sich nicht weiter einlassen müssen, dem Iran, weil er die ganz große Tragödie verhindert.
Messianischer Antrieb vergiftet alle Politik. Und Politik ist dringend nötig. Sie ist auch möglich.
Stephan-Andreas Casdorff, Editor-at-Large
Nicht, dass die vergangenen Tage keine seien, aber wenn die USA herausgefordert werden, dann gnade den Mullahs Gott. So klingen übrigens Trump, Benjamin Netanjahu und Ali Chamenei auch: Als stehe ein Religionskrieg an. Der aber muss unbedingt verhindert werden. Messianischer Antrieb vergiftet alle Politik. Und Politik ist dringend nötig. Sie ist auch möglich.
Die unbestreitbare Zerstörung iranischer todbringender Ambition sollte die Mullahs – wie auch Netanjahu – von einer Feuerpause überzeugen können. In der ist Zeit für Verhandlungen. Ob alle Seiten über genügend Einblick und Einsicht in die Lage verfügen?
Sollte das fehlen, kann aber auch Verblendung folgen. Eine Eskalation ist immer noch möglich. Man stelle sich vor, der Iran greift amerikanische Militärbasen an, in Bahrain, Katar, Kuwait. Sie sind nicht weit entfernt vom Iran – Luftlinie.
Auf der einen Seite nicht die zu stärken, die Blut an ihren Händen haben. Auf der anderen Seite die, die in Freiheit leben wollen. Und in Frieden. So gesehen war das Treffen der europäischen Außenminister mit dem Vertreter des Regimes nicht überflüssig: Weil sie ihm gesagt haben, dass der Krieg auf Kosten des iranischen Volkes geht.
Und weil das Treffen gezeigt hat, dass sich die demokratischen Kräfte sehr schnell sammeln können. Das ist zugleich eine Warnung an alle, die sie sonst noch herausfordern wollen. Nicht martialisch, sondern realistisch.
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