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Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr sind angetreten.

© dpa/Klaus-Dietmar Gabbert

„Verfassungsrechtlich möglich“: Verteidigungsexpertin Strack-Zimmermann fordert Musterung auch für Frauen

Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Europaparlament kritisiert Teile des Wehrdienstgesetzes. Es gebe keinen Grund, bei der Tauglichkeitsprüfung auf eine Hälfte der Bevölkerung zu verzichten.

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Die Bundeswehr sucht dringend mehr Personal, die Regierung von Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hatte sich nach langem Streit auf ein zunächst freiwilliges Wehrdienst-Modell geeinigt, um zusätzliche Kräfte für die Truppe zu gewinnen. Pflichtelemente beinhaltet der Gesetzentwurf von Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) bisher nur für junge Männer, die sich wieder auf ihre Tauglichkeit untersuchen lassen müssen.

Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Europaparlament, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), hat sich nun dafür ausgesprochen, auch Frauen hierzu zu verpflichten. „Es gibt keinen Grund, auf die Hälfte der Bevölkerung zu verzichten“, sagte sie am Wochenende der „Welt“. „Ich halte es auch verfassungsrechtlich für möglich, die Frauen in die Musterung einzubeziehen.“

Die schwarz-rote Koalition hat sich nach langem Streit auf einen zunächst freiwilligen Wehrdienst geeinigt. Ab dem kommenden Jahr werden alle jungen Menschen – beginnend mit dem Jahrgang 2008 – ein Anschreiben bekommen, das über den freiwilligen Wehrdienst informiert. Den dazugehörigen Fragebogen müssen nur Männer ausfüllen. Für sie wird dann auch wieder die Musterung Pflicht, was nicht unumstritten ist.

Der Fragebogen (...) ist überflüssig. Stattdessen sollte es sofort die Musterung geben an den Schulen, Berufsschulen, Ausbildungsstätten.

Marie-Agnes Strack-Zimmermann, Verteidigungsexpertin (FDP)

Für Frauen bleiben die Beantwortung des Fragebogens und die Tauglichkeitsprüfung freiwillig. Insgesamt bekommen rund 700.000 junge Menschen jährlich einen solchen Fragebogen. Für 2026 wird mit rund 20.000 Freiwilligen für die Bundeswehr gerechnet, für 2030 mit 40.000.

Die FDP-Europapolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann spricht während eines Interviews.

© dpa/Kay Nietfeld

Den geplanten Fragebogen bezeichnete Strack-Zimmermann als „überflüssig“, da er das Verfahren unnötig verlängere. „Stattdessen sollte es sofort die Musterung geben an den Schulen, Berufsschulen, Ausbildungsstätten“, sagte sie. „Junge Menschen müssen direkt angesprochen werden. Attraktivität entsteht nicht durch Papier, sondern durch klare Angebote: Stipendien, Zuschüsse, echte Perspektiven.“

Ob die Pläne der Regierung ausreichen, um genug Personal für die Truppe zu rekrutieren, wird von etlichen Experten bezweifelt. Die Bundeswehr verfehlt schon ihre alte Zielmarke von 203.000 Soldaten deutlich, in Zukunft werden bis 270.000 Männer und Frauen benötigt.

Strack-Zimmermann sagte dazu: „Im Moment halte ich Freiwilligkeit für den richtigen Weg. Deutschland hat ohnehin zu wenig junge Menschen für den Arbeitsmarkt – wir müssen sie in der Tat für die Bundeswehr gewinnen.“ Richtig aber sei: „Es reicht nicht, einfach mehr Menschen zu rekrutieren, wir müssen auch die Strukturen umbauen. Zu viele Soldaten verbringen zu viel Zeit in der Kaserne und der Verwaltung.“

Wer Deutschland verteidigen solle, müsse das aus Überzeugung tun, weniger aus Zwang, sagte die FDP-Politikerin. „Bei rund 400.000 jungen Männern pro Jahrgang, abzüglich derer ohne deutschen Pass oder mit gesundheitlichen Einschränkungen, bleiben etwa 250.000 Musterungsfähige. Wenn wir zehn bis 15 Prozent davon gewinnen, ist der jährliche Aufwuchs erreichbar.“

Das Interesse sei mittlerweile groß, aber die Strukturen „entsetzlich langsam bis gar nicht vorhanden“. Strack-Zimmermann fordert: „Wir müssen schneller werden, ohne neue Bürokratie.“

Werden die vorgesehenen Ziele für den Aufwuchs der Bundeswehr nicht erreicht, könnte der Bundestag eine sogenannte Bedarfswehrpflicht beschließen, bei der auch ein Zufallsverfahren angewendet werden könnte. Das heißt, die Männer, die eingezogen werden sollen, würden per Los bestimmt.

Sollte der Bundestag den Spannungs- oder Verteidigungsfall feststellen, wofür eine Zweidrittelmehrheit erforderlich ist, tritt automatisch die im Grundgesetz verankerte allgemeine Wehrpflicht für Männer wieder in Kraft. Sie wurde im Jahr 2011 ausgesetzt, damit entfiel de facto auch der Zivildienst.

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