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Das Bundesamt für Verfassungsschutz in Köln.

© Oliver Berg/dpa

Verfassungsschutz: Haldenwang will weiter vertraulich mit AfD-Politikern sprechen

Auch der neue Verfassungsschutz-Chef will "vertraulich" mit AfD-Abgeordneten reden - und wehrt sich gegen einen Gerichtsbeschluss, der Transparenz verlangt.

Hans-Georg Maaßen tat es, der neue Präsident Thomas Haldenwang tut es jetzt auch: Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) hält es für seine gesetzliche Aufgabe, den Kontakt zu Abgeordneten der Parlamente in Bund und Ländern zu suchen. „Vertraulich“, heißt es, also ohne, dass etwas davon nach außen dringen soll. Trotz Einstufung der AfD als „Prüffall“ für eine mögliche Beobachtung durch das BfV sollen auch Treffen mit AfD-Politikern fortgesetzt werden. „Diese Gespräche dienen der Aufgabenerfüllung“, sagte ein Sprecher von Innenminister Horst Seehofer (CSU). Die „aktive Kommunikation“ soll Vertrauen schaffen, das durch die Affäre um die NSU-Morde verloren gegangen sei. Haldenwang habe solche Gespräche seit seiner Amtsübernahme bereits geführt - womöglich auch mit der AfD.

Maaßen wurde Nähe zur Partei vorgeworfen

Das wirkt erstaunlich, denn zu den Gründen, weshalb Hans-Georg Maaßen im Präsidentenamt politisch untragbar wurde, zählten seine Kontakte mit der Rechtspartei. Ex-Parteichefin Frauke Petry soll er dargelegt haben, wie die Partei einer Beobachtung entgehen könnte; bei einem Treffen mit AfD-Fraktionschef Alexander Gauland soll es um einen Spionageverdacht gegen ein Fraktionsmitglied gegangen sein. Sogar von einer politischen Nähe des CDU-Mitglieds Maaßen zu den Protagonisten war die Rede, da dieser die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung erklärtermaßen für falsch hielt. 

In der Opposition sieht man es kritisch, wenn Haldenwang an diese Tradition anknüpft. „Sollte die Spitze des BfV jetzt erneut vertrauliche, ja sogar geheime Gespräche mit Vertretern der AfD führen wollen, hätte es aus dem Maaßen-Skandal nichts gelernt“, sagte Linken-Fraktionsvize André Hahn, Mitglied des für das BfV zuständigen Parlamentarischen Kontrollgremiums (PKGr). Der Inlandsgeheimdienst geriete dann unweigerlich in den Verdacht, in internen Gesprächen womöglich den Prüffall AfD beratend lösen zu wollen. „Das ist definitiv nicht seine Aufgabe“, sagte Hahn.

"Informationsgespräche zum Prüfverfahren sind inakzeptabel"

„Informationsgespräche zu persönlichen Interessen und Fragen, die die Partei und das Prüfverfahren betreffen, wären natürlich inakzeptabel“, sagte Stephan Thomae von der FDP, ebenfalls Fraktionsvize und PKGr-Mitglied. Gespräche, die mit Mandatswahrnehmung zu tun hätten, müssten allerdings auch für AfD-Politiker möglich bleiben, in einem vertraulichen Rahmen, „auch wenn man ein natürliches Störgefühl dabei verspürt“. Es brauche auch und gerade bei den Nachrichtendiensten so viel Transparenz wie möglich, verlangt das grüne PKGr-Mitglied Konstantin von Notz. "Vertraulichkeit ist kein Selbstzweck, sondern muss in einem Rechtsstaat der Ausnahmefall bleiben und besonders begründet werden", sagte er. Armin Schuster von der CDU, der ebenfalls zu den Geheimdienstkontrolleuren im Parlament zählt, äußerte sich dagegen diplomatisch: „Alle Gespräche, die der Stärkung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung dienen, und das ist die Aufgabe des Bundesamtes für Verfassungsschutz, sind begrüßenswert.“

Dienen sie hier dazu? Im Zuge der Debatte um Maaßen kam heraus, dass der Ex-Präsident mit Rückendeckung des Bundesinnenministeriums seit Jahren bei prominenten Politikern vorsprach oder sie empfing. Beamtisch korrekt, wie Maaßen immer sein wollte, fertigte er Vermerke für die Dienstaufsicht. Sowohl Verfassungsschutz wie Ministerium sperren sich jedoch, nähere Angaben zu den Treffen mit Petry und Gauland zu machen. Auf Antrag des Tagesspiegels hat das Verwaltungsgericht Köln den Verfassungsschutz per Eilbeschluss im Dezember zu mehr Transparenz verpflichtet (Az.: 6 L 1932/18).

Ein Verfassungsschutz-Präsident kann nicht einfach "Vertraulichkeit" beanspruchen, sagen die Richter

Die Richter stellten dabei die "vertrauliche" Gesprächspraxis der Amtsleitung grundsätzlich in Frage. Es handele sich hier nicht um eine operative Tätigkeit des Amtes. Vielmehr fehle es insgesamt an einer Rechtsgrundlage: "Die Aufgaben ,Vertrauen stärken', ,Transparenz schaffen' bzw. ,Schaffung einer erfolgreichen und zielgerichteten Zusammenarbeit von Politik und Sicherheitsbehörden' finden sich im Verfassungsschutzgesetz nicht", heißt es deutlich. Schon gar nicht könne der Präsident aus eigener Kompetenz heraus Vertraulichkeit dafür beanspruchen.

Sollte die Gesprächspraxis künftig transparenter werden - und damit möglicherweise eingestellt werden müssen - sehen die Richter darin kein Problem: Damit wären "keine rechtlich relevanten Nachteile oder sonstige Beeinträchtigungen im Hinblick auf die Tätigkeit und die Aufgabenerfüllung des BfV verbunden". Zudem widerspreche die Beibehaltung des Gesprächsformats den Vorschriften über das Parlamentarische Kontrollgremium, wonach geheime Angelegenheiten ausschließlich dort zu erörtern seien.

Will Haldenwang auch - wie Maaßen - die Presse korrigieren lassen?

Das Bundesamt möchte den Beschluss nun vor dem Oberverwaltungsgericht (OVG) Nordrhein-Westfalen korrigieren lassen und hat Beschwerde eingelegt. Die Verfassungsschützer beharren darauf, mit Abgeordneten aller Parteien - auch der AfD - Vertraulichkeit vereinbaren zu dürfen. Sonst könne der Zweck der Gespräche, die "wechselseitige Information", nicht erreicht werden, erläutern die Rechtsanwälte der Bonner Kanzlei Redeker, die den Verfassungsschutz regelmäßig vertritt. Sollte das OVG den Beschluss der Vorinstanz jedoch bestätigen wäre er rechtskräftig.

Maaßen hatte stets erklären lassen, dass er die AfD in den Gesprächen nicht "beraten" habe. Das schließt jedoch nicht aus, dass er ihr dargelegt hat, welche Verhaltensweisen zu einer Beobachtung führen könnten. Das muss man ja nicht "Beratung" nennen. Es könnte auch eine "Darlegung" sein. Wie bekannt, legte der Ex-Verfassungsschutzpräsident großen Wert auf die richtigen Formulierungen. Stand über sein Amt oder ihn aus seiner Sicht Falsches in der Presse, schickte er gerne die Redeker-Anwälte los, um Korrekturen zu erwirken. Ob Nachfolger Haldenwang auch diese Tradition übernehmen möchte, ist bislang unbekannt.

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