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Aus dem Parlamentarischem Kontrollgremiums dringt meist wenig nach außen.

© Michael Kappeler/dpa

Vertrauter von Scholz soll Posten bekommen: Ampel streitet über Geheimdienst-Kontrolleure

Die SPD reklamiert wichtige Posten im PKGr für sich, das die Geheimdienste überwacht. Die Grünen sehen die Unabhängigkeit des Gremiums in Gefahr.

Normalerweise dringt aus dem Parlamentarischen Kontrollgremium (PKGr) nichts an die Öffentlichkeit. Das Gremium mit im Moment neun Bundestagsabgeordneten tagt im vertrauten Kreis und überwacht die Arbeit der Nachrichtendienste.

Bundesnachrichtendienst (BND), Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) und Militärischer Abschirmdienst (MAD) - alle operieren selbst unter dem Radar der Öffentlichkeit. Das Parlamentarische Kontrollgremium erhält Einblicke, ist dafür jedoch zu höchster Verschwiegenheit verpflichtet. Doch wird ein Streit innerhalb des Gremiums bekannt, der die Ampel-Koalition in diesen Tagen schwer belastet.

Es geht um die Neubesetzung des Parlamentarischen Kontrollgremiums. Die Wahl der Mitglieder durch den Bundestag war eigentlich für den heutigen Donnerstag geplant. Doch der Tagesordnungspunkt wurde kurzfristig gestrichen - ohne Erklärung. Offen sprechen möchte darüber im politischen Berlin fast niemand, doch wer sich im Hintergrund umhört, bekommt einen Einblick in einen handfesten Machtkampf zwischen SPD und Grünen.

Strittig sind gleich mehrere Personalien. Im Zentrum aber steht die Frage, wer das Parlamentarische Kontrollgremium in Zukunft führt.

In den Koalitionsgesprächen wurde das Thema nicht verhandelt, doch als größter Fraktion im Bundestag hat die SPD traditionell das erste Zugriffsrecht. Damit käme wohl Ulrich Grötsch zum Zug, der bislang als einfaches Mitglied dem Gremium angehört. Der bayrische Sozialdemokrat sitzt seit 2013 im Bundestag, war davor als Polizist tätig und gehört den Geheimdienst-Kontrolleuren seit 2014 an. Fachlich wird er auch von den anderen Parteien geschätzt.

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Doch die Grünen - und auch FDP und Union - sehen es kritisch, dass ein SPD-Politiker oberster Kontrolleur von drei roten Häusern werden soll. Denn mit dem Bundeskanzleramt (verantwortlich für den BND), dem Innenministerium (verantwortlich für das BfV) und dem Verteidigungsministerium (verantwortlich für den MAD) sind in dieser Legislatur alle Geheimdienste indirekt unter Kontrolle der SPD.

Die Grünen drängen deshalb darauf, ihren eigenen Kandidaten an die Spitze zu heben. Mit dem Innenexperten Konstantin von Notz, der bislang Stellvertreter in dem Gremium war, haben sie einen versierten und allseits angesehenen Kandidaten.

Konstantin von Notz hat Ambitionen auf die Leitung des Parlamentarischen Kontrollausschusses.
Konstantin von Notz hat Ambitionen auf die Leitung des Parlamentarischen Kontrollausschusses.

© STEPHAN PRAMME

Doch das blockt die SPD ab. Die neue Parlamentsgeschäftsführerin der Sozialdemokraten, Katja Mast, sagt dazu: "Natürlich wollen wir als größte Fraktion im Deutschen Bundestag den Vorsitz im Parlamentarischen Kontrollgremium, aber das ist nicht das einzige Thema, zu dem wir mit unseren Partnern im Gespräch sind."

Bei den Grünen reagiert man hinter vorgehaltener Hand erbost über das Verhalten der SPD und wähnt die FDP an der Seite. Gemeinsam, so die grünen Hoffnung, sei man stärker als SPD. Eine Kampfabstimmung steht im Raum. Dass es dazu kommt, ist jedoch unwahrscheinlich. Es gibt Verhandlungsmasse, im Hintergrund geht es um weitere Posten.

Allen voran das Amt des Ständigen Bevollmächtigten. Dieses wird nicht von einem Parlamentarier besetzt, sondern gilt als Vollzeitposten. Der Bevollmächtigte überprüft im Auftrag des Kontrollgremiums ausgewählte Sachverhalte der Nachrichtendienste und fertigt Berichte an - eine zentrale Rolle im Hintergrund also.

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Seit 2017 ist der Verwaltungsjurist Arne Schlatmann auf diesem Posten. Er ist CDU-Mitglied und gilt als kluger und versierter, wenn auch schwer zugänglicher Innenexperte. Schlatmann war früher Büroleiter von Ex-Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) und hat auch schon unter Wolfgang Schäuble und Thomas de Maizère (beide CDU) im Innenministerium gearbeitet. Seine reguläre Amtszeit endet in diesen Tagen. Einmal könnte sie noch für fünf Jahre verlängert werden, doch das gilt wegen seiner Verbindungen zur Union als ausgeschlossen.

Ein Vertrauter von Scholz soll den Posten bekommen

Und auch auf diesen Posten haben es bislang die Sozialdemokraten abgesehen. Doch zum Unverständnis aller anderen Partei hat die SPD mit Matthias Bartke einen fachfremden Sozialdemokraten ins Auge genommen. Bartke gilt als Sozialpolitiker, hat in der vergangenen Legislatur den Ausschuss für Arbeit und Soziales geleitet. Schlimmer wiegt für die anderen Parteien jedoch, dass Bartke als Vertrauter von Kanzler Olaf Scholz gilt. Beide kennen sich seit Jahrzehnten aus Hamburg, wo Bartke seinen Wahlkreis hatte, den er 2021 an eine Grünen-Politikerin verlor.

Wie viel Einfluß hat Olaf Scholz auf die Arbeit des Parlamentarischen Kontrollgremiums?
Wie viel Einfluß hat Olaf Scholz auf die Arbeit des Parlamentarischen Kontrollgremiums?

© REUTERS

Duzfreunde seien Scholz und Bartke, heißt es von den anderen Parteien. Sie zweifeln Bartkes Unabhängigkeit an. Ein Vertrauter von Scholz könne womöglich nicht frei kritische Berichte über eine Behörde verfassen, die zum Zuständigkeitsbereich von Scholz und seinem Kanzleramtsminister Wolfgang Schmidt gehöre.

Das Gremium könnte größer werden

Dass die SPD dennoch mit beiden Personalien durchkommen könnte, liegt mit einem dritten Kniff zusammen. Das Parlamentarische Kontrollgremium, das derzeit neun Mitglieder hat, soll erweitert werden. Der Kandidat der AfD, Joachim Wundrak, hat wohl keine Aussichten, gewählt zu werden. Das Gremium würde dann auf acht Personen schrumpfen und nur noch die Union wäre als Oppositionskraft vertreten.

Deswegen soll auch die Linke einen Platz erhalten, außerdem Grüne und FDP einen zweiten Platz. Käme es zum Elfer-Gremium könnte die FDP sich für den Extra-Posten revanchieren und der SPD im Gegenzug ihre Wünsche erfüllen. Doch auch ein 13ner-Gremium ist im Gespräch, so könnte die SPD einen vierten - und damit einen Sitz mehr als die Union - erhalten. Damit hätte die Ampel in dem Gremium aber eine Zweidrittelmehrheit. Auch über diese Pläne gibt es Empörung.

Die Fronten sind inzwischen so verhärtet, dass die Besetzung wohl zur Chefsache wird. Vermutlich müssen am Ende Kanzler Scholz und Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) eine Lösung finden. Solange profitiert ausgerechnet die CDU. Mit Roderich Kiesewetter leitet ein über alle Parteigrenzen hinweg angesehener Außen- und Innenexperte das Gremium vorerst weiter. Bei einer Neubesetzung gilt Kiesewetter als sicherer Stellvertreter.

Doch bislang stehen die Zeichen auf Sturm. Frühestens Ende Januar, in der nächsten Parlamentswoche, wird mit einem neuen Wahlgang gerechnet. Solange haben die Ampel-Parteien Zeit für Verhandlungen für die Neubesetzungen im Parlamentarischen Kontrollgremium - idealerweise im Verborgenen. (Mitarbeit: Hans Monath)

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