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Der russische Präsident Wladimir Putin nimmt per Videoanruf an einem Treffen mit US-Präsident Joe Biden teil.

© AFP/Mikhail METZEL/SPUTNIK

Update

Videogipfel am Dienstag: Biden will Ukraine bei russischer Invasion aufrüsten

Die USA warnen Russland vor weiterer Eskalation im Ukraine-Konflikt. Die Krise stand im Zentrum eines Videogipfels von US-Präsident Biden mit Kremlchef Putin.

US-Präsident Joe Biden will die Ukraine im Fall einer Invasion durch Russland nach Angaben des Weißen Hauses weiter aufrüsten. „Wir würden den Ukrainern zusätzliches Material zur Verteidigung zur Verfügung stellen, das über das hinausgeht, was wir bereits bereitstellen“, sagte Bidens Nationaler Sicherheitsberater Jake Sullivan nach einem Videogipfel des US-Präsidenten mit dessen russischem Kollegen Wladimir Putin. „Und wir würden unsere Nato-Verbündeten an der Ostflanke mit zusätzlichen Fähigkeiten ausstatten, um auf eine solche Eskalation zu reagieren.“

Biden habe Putin bei dem Gespräch am Dienstag erneut mit wirtschaftlichen Maßnahmen gedroht, „sollte Russland weiter in die Ukraine eindringen“, sagte Sullivan. Der US-Präsident habe Putin aber auch deutlich gemacht, dass es noch eine andere Option gebe: „Deeskalation und Diplomatie“. Biden sei im Gespräch mit Putin „glasklar“ über die US-Position gewesen.

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Das Weiße Haus teilte nach dem gut zweistündigen Gespräch am Dienstag mit, Biden habe „die tiefe Besorgnis der Vereinigten Staaten und unserer europäischen Verbündeten“ über die Krise zum Ausdruck gebracht. Er habe zugleich deutlich gemacht, „dass die USA und unsere Verbündeten im Falle einer militärischen Eskalation mit starken wirtschaftlichen und anderen Maßnahmen reagieren würden“.

Weiter teilte das Weiße Haus mit, Biden habe seine Unterstützung für die Souveränität und territoriale Integrität der Ukraine bekräftigt. Er habe zur Deeskalation und zur Rückkehr zur Diplomatie aufgerufen.

Putin forderte Stopp der Nato-Osterweiterung

Der russische Präsident Wladimir Putin hat hat hingegen bei dem Video-Gipfel seine Forderung nach einem Stopp der Nato-Osterweiterung bekräftigt. Russland wolle verbindliche juristische Garantien, dass sich das westliche Militärbündnis nicht nach Osten ausweite und dort Angriffswaffen stationiere, sagte Putin einer am späten Dienstagabend vom Kreml veröffentlichten Mitteilung zufolge.

Russland sieht sich von einem Vorrücken der Nato bedroht und will die Aufnahme der benachbarten Ex-Sowjetrepubliken Ukraine und Georgien in die Allianz verhindern. Putin hatte auch erklärt, dass eine Verlegung von militärischer Nato-Infrastruktur in die Ukraine aus russischer Sicht die Überschreitung einer „roten Linie“ darstelle.

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Putin und Biden hatten am Dienstag vor dem Hintergrund wachsender Spannungen im Ukraine-Konflikt gut zwei Stunden gesprochen. Der Dialog sei sachlich und offen gewesen, teilte der Kreml mit. Die Staatschefs beider Länder hätten betont, dass die USA und Russland eine besondere Verantwortung für die internationale Sicherheit und Stabilität hätten. Die Gespräche sollten fortgesetzt werden.

Putin und Biden sprachen nach Kreml-Angaben nach zahlreichen Hackerangriffen auch über die Cybersicherheit ihrer Länder. Die Gespräche auch dazu sollten fortgesetzt werden. Kreml bestätigt, dass der Ukraine-Konflikt den Großteil der Gespräche eingenommen habe.

Die USA werfen Russland seit Wochen einen Truppenaufmarsch unweit der Grenze zur Ukraine vor. Befürchtet wird im Westen demnach eine russische Invasion der Ex-Sowjetrepublik. Russland weist das zurück und wirft der Ukraine vor, mehr als 120.000 Soldaten an die Linie zu den Separatistengebieten verlegt zu haben.

Nach seinem Gespräch mit Putin wollte Biden sich mit der scheidenden Bundeskanzlerin Angela Merkel, dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron, dem britischen Premierminister Boris Johnson und dem italienischen Ministerpräsidenten Mario Draghi beraten, wie das Weiße Haus mitteilte.

Bei einem Gespräch am Vortag hätten die Verbündeten bereits vereinbart, „eng miteinander in Kontakt zu bleiben, um ein koordiniertes und umfassendes Konzept als Reaktion auf Russlands militärisches Aufrüsten an den Grenzen der Ukraine zu entwickeln“.

Biden zu Putin: „Gut, Sie wieder zu sehen“

Während das Weiße Haus zunächst keine TV-Bilder von dem Gipfel verbreitete, zeigte das russische Staatsfernsehen Putin am Dienstag an seinem Schreibtisch vor einem Bildschirm. „Gut, Sie wieder zu sehen“, sagte Biden zur Begrüßung. Leider sei der Kremlchef Ende Oktober nicht beim G20-Gipfel in Rom gewesen. Nächstes Mal wolle er Putin wieder persönlich treffen, sagte der US-Präsident.

Von dem Gipfel seien keine „Durchbrüche“ zu erwarten, hatte Kremlsprecher Dmitri Peskow betont. Es handele sich um „ein Arbeitsgespräch in einer sehr schwierigen Zeit“. Wenige Stunden vor der Schalte, die demnach über eine besonders geschützte und abhörsichere Leitung geführt wurde, waren mit Blick auf die Ukraine zudem noch einmal warnende Worte aus Moskau gekommen.

[Exklusiv für Abonnenten: Die Drohkulisse des russischen Präsidenten - Scheinriese Putin provoziert einen Krieg in der Ukraine]

„Russland hat nicht vor, irgendjemanden anzugreifen, aber wir haben unsere Befürchtungen und unsere „roten Linien““, sagte Peskow vor dem Videogipfel. In der vergangenen Woche hatte Putin erklärt, dass etwa die Verlegung von militärischer Nato-Infrastruktur in die Ukraine aus russischer Sicht eine solche „rote Linie“ darstellen könnte. Der Kremlchef sprach sich für ein schriftlich vereinbartes Ende der Nato-Osterweiterung aus.

Der designierte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zeigte sich besorgt über den russischen Truppenaufmarsch an der Grenze zur Ukraine. Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa setzten Prinzipien voraus, die in der Entspannungspolitik ausgehandelt worden seien und bis heute fortwirkten, mahnte Scholz. „Dazu gehört die Unverletzlichkeit und Unverletzbarkeit der Grenzen.“

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen drohte Moskau mit weiteren Sanktionen. Die Europäische Union werde auf weitere Aggressionen Moskaus regieren, sagte sie. Bestehende Sanktionsregime könnten erweitert oder neue Strafmaßnahmen ergriffen werden. Sie wolle noch einmal „die uneingeschränkte und unerschütterliche Unterstützung der EU für die Ukraine“ unterstreichen. Derzeit seien es Russlands bewusste Entscheidungen und aggressive Handlungen, die die Sicherheit Europas weiter destabilisierten.

Der ukrainische Verteidigungsminister Olexij Resnikow warnte in einem Interview des US-Senders CNN, dass ein russischer Einmarsch in die Ukraine ein „wirklich blutiges Massaker“ bedeuten würde. Moskau wiederum forderte von Kiew eine Garantie, die von den prorussischen Separatisten kontrollierten Gebiete im Donbass nicht anzugreifen. Im Falle eines Angriffs durch die Ukraine sähe Russlands Militärdoktrin klar einen Einmarsch vor - weil im Donbass auch viele russische Staatsbürger leben.

Als Staatschefs hatten sich Putin und Biden erstmals im Juni in Genf persönlich getroffen. Bei dem Videogipfel am Dienstag sollte es auch um die Cybersicherheit beider Länder sowie um das iranische Atomprogramm und weitere internationale Konflikte gehen. (dpa)

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