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Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD, l) und Friedrich Merz, CDU-Bundesvorsitzender und Fraktionsvorsitzender der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag

© dpa/Hannes P Albert

Viel versprechen, wenig halten?: Union und SPD riskieren große Enttäuschung nach der Wahl

Die Union will Steuern senken, die SPD will 95 Prozent entlasten, plus kostenloses Schulessen. Und wer soll das bezahlen? Die Versprechen können nach der Wahl zu allerhand Enttäuschung führen.

Daniel Friedrich Sturm
Ein Kommentar von Daniel Friedrich Sturm

Stand:

Den Einkommensteuertarif wollen CDU und CSU „schrittweise spürbar abflachen“, zudem regelmäßig an die Inflation anpassen. Die Unionsparteien wollen die Einkommensgrenze für den Spitzensteuersatz deutlich erhöhen, Unternehmens- und Stromsteuer senken, Rentner bis zu 2000 Euro steuerfrei arbeiten lassen, das Elterngeld verbessern.

Dieses Sammelsurium an Entlastungen findet sich im Programm-Entwurf der CDU/CSU für die Bundestagswahl am 23. Februar 2025. Am Dienstag soll das Papier offiziell vorgestellt werden.  

Auch die Sozialdemokraten wollen am Dienstag ihr Programm präsentieren; bisher ist es noch nicht öffentlich. Doch der designierte SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz hat schon ein paar Pflöcke eingeschlagen. Neben einem höheren Mindestlohn von 15 Euro verlangt er eine Entlastung von 95 Prozent der Steuerzahler, also 44 Millionen Menschen.

Das hatte die SPD schon Anfang Oktober verlangt (hat sie sich womöglich auf vorgezogene Neuwahlen vorbereitet?). Im Gegenzug will sie das oberste ein Prozent Einkommensbezieher, weniger als eine halbe Million Menschen, stärker belasten.

Kürzlich forderte Scholz, die Mehrwertsteuer für Lebensmittel um zwei Prozentpunkte zu senken. Außerdem will die SPD bundesweit kostenlose Schul-Mahlzeiten einführen.

Wer soll all das bezahlen? Die Forderungen von Union und SPD deuten auf einen Wahlkampf der Viel-Versprechen. Das Bündnis Sahra Wagenknecht, das sich an Sozial-Populismus nicht überbieten lassen will, wird da kräftig nachlegen müssen.

Die Union muss sich bei ihrem Wahlprogramm, das am Wochenende in die Öffentlichkeit drang, allerhand Fragen gefallen lassen. So lässt sie die Finanzierung der diversen, an sich ja sympathischen Entlastungs-Vorschläge vollkommen offen.

Traditionell pragmatisch und programmatisch weit weniger ambitioniert als die linken Parteien fällt bei der Union eine Leerstelle auf: Sie beschwört zwar die grundgesetzliche Schuldenbremse (was auch sonst?), schweigt aber zur Frage, ob sie zu deren Reform bereit ist. Führende Christdemokraten, die in den Ländern Verantwortung tragen, plädieren dafür.

Merz dürfte als Kanzler die Schuldenbremse reformieren

Sollte Markus Söder zulassen, dass Friedrich Merz Kanzler wird, mithin erstmals in seinem Leben ein Regierungsamt übernehmen wird, wird auch er dazu bereit sein, die Schuldenbremse zu reformieren. Etwa, um Investitionen oder Europa einen besseren Schutz vor Putin, Xi und anderen Schurken zu gewähren. Das wird in Deutschland, wie schon so oft geschehen, passieren nach dem Nixon-goes-to-China-Vorbild: Nur die politisch „Unverdächtigen“ können eine bestimmte politische Grundsatzentscheidung treffen.

Das Unions-Wahlprogramm kommt teilweise verbalradikal („Bürokratiewahnsinn“) daher, und wirkt nicht gerade wie die Ideensammlung zweier Parteien, die Deutschland in 16 der letzten 19 Jahren führend regiert haben. Es zeichnet das Bild eines dysfunktionalen Deutschlands. Es atmet die wirtschaftsliberale und migrationsskeptische Rhetorik von Merz und Carsten Linnemann, von Jens Spahn und Julia Klöckner.

Damit wird die Union interessant für einstige Wählerinnen und Wähler der FDP. Ob sie damit aber auch unter Wählern punkten kann, die noch 2021 Olaf Scholz gewählt haben? Durchaus fraglich. Klar ist: Unter einem Unions-Kanzlerkandidaten Hendrik Wüst, also dem Mann, der NRW souverän und erfolgreich regiert, wäre ein solches Programm nicht vorgelegt worden.

Dabei ist es ja gar nicht so, dass Merz der „neoliberale“ Merz des Jahres 2000 ist. Von einer Bierdeckel-Steuerreform ist im Programm nichts zu finden. Rentenkürzungen? Rente mit 70? Nicht mit der CDU/CSU. Zu groß ist die Wählerschaft der (baldigen) Rentner, zu groß das Verhetzungspotential jeder Reformidee durch die Sozialdemokraten, die Reformpartei a. D.

Kein Wort zum Taurus

Selbst in der Außenpolitik kommt die Union vergleichsweise samtpfötig daher. Nur langsam soll die Wehrpflicht eingeführt werden, von einem Drei-Prozent-Ziel zugunsten der Bundeswehr findet sich nichts. Wer das 79-seitige Dokument nach dem Stichwort „Taurus“ durchsucht, wird nicht fündig.

Wer auch immer nach der Wahl regieren wird, und mit wem: Die künftigen Koalitionsparteien dürften zu ihren Verhandlungen einen „Kassensturz“ machen und danach feststellen, wie wenig Geld da ist in Rezessions-Deutschland. Selbst bei einer Reform der Schuldenbremse wird die Enttäuschung der Bürger über die geweckten, aber unerfüllbaren Erwartungen von Union und SPD wohl groß ausfallen.

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