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Ein Tepco-Arbeiter misst an einem Rohr in Fukushima die Ortsdosisleistung. Das Foto hat die Firma einen Tag nach der Messung veröffentlicht. Nun soll geklärt werden, ob es weitere stark strahlende Stellen gibt.

© AFP

Fukushima-Katastrophe: Von Provisorium zu Provisorium

Die Kühlung der havarierten Atomkraftwerke in Fukushima funktioniert auch fünf Monate nach Beginn der Krise noch nicht richtig

Trotz der „tapferen und neuartigen“ Reaktionen auf die Atomkrise in Fukushima, hat die Betreiberfirma Tepco die Lage weiter nicht unter Kontrolle. Die Internationale Atomenergiebehörde (IAEO) beschrieb das Krisenmanagement der Tepco-Arbeiter in ihrem Bericht über die Katastrophe als „tapfer“ und „neuartig“. Trotzdem ist es Tepco bisher nicht gelungen, geschlossene Kühlkreisläufe in den drei havarierten Reaktoren herzustellen. „Das bleibt die wichtigste Aufgabe“, sagt Eberhard Grauf, Mitglied der Reaktorsicherheitskommission (RSK) in Deutschland und ehemaliger Kraftwerksleiter in Neckarwestheim.

In dieser Woche haben Tepco-Mitarbeiter an zwei Stellen Ortsdosisleistungen von mehr als zehn Sievert pro Stunde gemessen. Diese Radioaktivitätswerte sind so hoch, dass sie innerhalb weniger Minuten schwere gesundheitliche Schäden auslösen würden, die tödlich enden könnten. Tepco hat nun angeordnet, dass die Arbeiter mindestens drei Meter Abstand von dem Entlüftungsrohr halten müssen, das die beiden durchgeschmolzenen Reaktoren eins und zwei mit dem gemeinsamen Schornstein verbindet. Wie hoch die Strahlendosis tatsächlich ist, ist unbekannt. Das Messgerät, das die Tepco-Mitarbeiter verwendet haben, kann keine höhere Strahlung als zehn Sievert anzeigen. Es ist jedenfalls die höchste Strahlung, die bisher in Fukushima gemessen wurde.

Die Strahlung auf dem gesamten Anlagengelände ist dagegen weiterhin stabil. Größere Freisetzungen von Radioaktivität hat es offenbar seit einigen Wochen nicht mehr gegeben. Allerdings fließt immer wieder radioaktiv verseuchtes Wasser ins Meer. Das hat Tepco am Mittwoch bekanntgegeben, als bei neuen Messungen erneut zu hohe Werte festgestellt wurden. Der Grund dafür ist die nach wie vor nicht bewältigte „Wasserkrise“ in den drei zerstörten Reaktoren. Weil offenbar die Reaktorsicherheitsbehälter zumindest zweier, vermutlich aber aller drei Atomkraftwerke seit der Kernschmelze nicht mehr ganz dicht sind, fließt seit Beginn der Krise radioaktiv verseuchtes Kühlwasser in die Kabelschächte unter den Anlagen. Das stark kontaminierte Wasser wird zwar inzwischen abgepumpt und in provisorischen Behältern gelagert; zudem ist eine Dekontaminierungsanlage in Betrieb genommen worden. Doch angesichts der Mengen wird es Monate dauern, bis diese Krise ausgestanden sein wird. Im September will Tepco damit beginnen, eine Beton-Trennwand zwischen dem Meer und den Atomkraftwerken zu errichten.

Eberhard Grauf sieht den Hauptgrund für die langsamen Fortschritte in Fukushima darin, dass Erdbeben und Tsunami so starke Zerstörungen angerichtet haben, „dass der Schutt erst einmal beiseite geräumt werden muss“. Die Trümmerteile strahlen zum Teil aber so stark, dass diese Arbeit von Robotern erledigt werden müsste. „Für viele Arbeiten muss die Robotertechnik aber erst entwickelt werden“, sagt Eberhard Grauf. Erst dann sei es möglich, die Lecks in den Reaktordruckbehältern zu finden. Und erst auf der Basis dieses Wissens lasse sich ein geschlossener Kühlkreislauf aufbauen. Grauf geht davon aus, dass dann auch klar werden wird, ob schon das Erdbeben die Kernschmelze im Reaktor eins ausgelöst hat, oder erst der Tsunami. Diese Frage ist relevant, weil die Atomindustrie seit Monaten argumentiert, die Sicherheitssysteme der Reaktoren in Fukushima hätten funktioniert – nur auf den Tsunami sei Tepco nicht richtig vorbereitet gewesen. Der Atomexperte Mycle Schneider sagt mit Blick auf die ersten Bilder aus dem Reaktorgebäude eins, dass wohl schon das Erdbeben die Reaktorkatastrophe in Gang gesetzt habe.

Am Mittwoch beschloss das japanische Parlament einen Entschädigungsfonds für zehntausende Menschen einzurichten, die wegen der Reaktorkatastrophe ihre Häuser verlassen mussten. Goshi Hosono, zuständiger Minister für die Atomkrise in Fukushima, kündigte für den Herbst die Dekontaminierung einiger Bereiche in der 20-Kilometer-Sperrzone an. Zudem verlangt Hosono, dass die Atomaufsicht, die bisher im Wirtschaftsministerium angesiedelt war, ins Umweltministerium eingegliedert wird. Die Atomaufsicht musste sich zuletzt gegen den Verdacht verteidigen, die Atomindustrie nicht reguliert, sondern im Gegenteil vor öffentlicher Kritik geschützt zu haben.

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