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Dolkun Isa, Präsident des Weltkongresses der Uiguren.

© Foto: dpa/Kay Nietfeld

Vor Scholz’ Visite in Peking: Uiguren fordern Absage der China-Reise

Es sei nicht der richtige Zeitpunkt für einen Besuch in Peking oder Geschäfte in China - diese Ansicht vertritt der Präsident des Weltkongresses der Uiguren, Dolkun Isa.

Dolkun Isa hat eine eindeutige Meinung zum bevorstehenden China-Besuch von Kanzler Olaf Scholz (SPD). „Das ist nicht der richtige Zeitpunkt für einen Besuch in China oder Geschäfte mit China“, sagte der Präsident des Weltkongresses der Uiguren am Dienstag in Berlin.

Die Entscheidung des Kanzlers, am Ende dieser Woche eine Wirtschaftsdelegation mit nach Peking zu nehmen, führte Isa bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Vertretern von Menschenrechtsorganisationen als Beleg an, „dass für Deutschland der Profit weiterhin über den Menschenrechten steht“. Es werde ignoriert, dass deutsche Unternehmen über ihre Lieferketten mit uigurischer Zwangsarbeit in Verbindung stünden, sagte er weiter. Isas Mutter starb in einem der Lager, in denen Chinas Kommunistische Partei Angehörige der uigurischen Minderheit einsperrt. Wenn er schon nach China reise, dann müsse Scholz bei seiner Visite mit deutlichen Worten die Schließung der Lager fordern, verlangte Isa.

Die Uiguren leben vor allem in Xinjiang, der westlichsten Region Chinas. Die Pekinger Führung unterdrückt die Volksgruppe und andere überwiegend muslimische Minderheiten seit langem. Bei der UN-Generalversammlung im September hatte Scholz gefordert, den Empfehlungen der UN-Menschenrechtskommissarin zu folgen, welche die Unterdrückung der Uiguren anprangerten. Das chinesische Außenministerium hatte zuvor einen entsprechenden UN-Bericht als ein „Flickwerk von Falschinformationen“ zurückgewiesen.

Bundeskanzler Scholz (links) will am Freitag in Peking den chinesischen Präsidenten Xi Jinping treffen.
Bundeskanzler Scholz (links) will am Freitag in Peking den chinesischen Präsidenten Xi Jinping treffen.

© Foto: AFP/Jens Schlueter

Scholz dürfte also die Reaktion seiner Gesprächspartner aus dem chinesischen Machtapparat wie Staatschef Xi Jinping und Ministerpräsident Li Keqiang absehen, wenn er am Freitag in Peking auch das Thema der Menschenrechte anschneidet. Dies hat Regierungssprecher Steffen Hebestreit jedenfalls angekündigt. Nach dessen Worten werde es bei dem Besuch um „die ganze Bandbreite der Themen, die uns miteinander beschäftigen“, gehen – also neben den wirtschaftlichen Themen wie die Öffnung chinesischer Märkte für deutsche und europäische Unternehmen auch der Umgang mit ethnischen Minderheiten in China.

Zu den Firmenvertretern, die Scholz begleiten, gehören die Chefs von BASF, Deutsche Bank, Siemens, BMW, Volkswagen, Merck und Biontech. Im Vorfeld der Reise hatte VW-Chef Oliver Blume sein Festhalten an einem umstrittenen VW-Werk in Xinjiang verteidigt. Hanno Schedler von der Gesellschaft für bedrohte Völker sagte hingegen am Dienstag, dass VW und andere Firmen ihre Lieferketten genauer untersuchen müssten. Angesichts von Vorwürfen, dass in chinesischen Zulieferbetrieben deutscher Unternehmen Zwangsarbeiter eingesetzt würden, reiche die gegenteilige Versicherung der chinesischen Führung nicht aus, so Schedler.

Auch Sabine Ferenschild von der Menschenrechtsorganisation Südwind geht davon aus, dass es keinen Zulieferer in der Region Xinjiang gebe, „der nicht das Risiko von Zwangsarbeit beinhaltet“. Es gebe keine Möglichkeit für unabhängige Überprüfungen in den Fabriken. „Das ist alles unmöglich gemacht worden“, schilderte sie die Lage.

30
Prozent der weltweit produzierten Textilien stammen aus China

Ferenschild erinnerte daran, dass nicht nur die deutsche Automobil- und Chemieindustrie eng mit China verflochten sei, sondern auch die Textilbranche. Vor allem in der Textilindustrie gebe es eine große Intransparenz in der globalen Wertschöpfungskette. Mehr als 30 Prozent der weltweit produzierten Textilien stammten aus China, wobei ein wachsender Anteil auch in Xinjiang hergestellt werde.

Auch wenn Scholz nun mit seiner Visite der erste Regierungschef eines westlichen G-7-Staates sein wird, der seit dem Beginn der Pandemie die chinesische Hauptstadt besucht, ist man sich in der Bundesregierung der Risiken der Abhängigkeit von den Rohstoffen aus dem Reich der Mitte sehr wohl bewusst. Die Bundesregierung will künftig „diversifizieren“. Das heißt, es soll keine Abhängigkeit mehr von einem Staat bei Lieferketten oder der Versorgung mit Rohstoffen geben. Auch dies ist eine Lehre aus den politischen Folgen der bisherigen Abhängigkeit von russischem Öl und Gas.

Diese Aufnahme von 2018 zeigt ein Lager in Dabancheng in der Region Xinjiang.
Diese Aufnahme von 2018 zeigt ein Lager in Dabancheng in der Region Xinjiang.

© Foto: THOMAS PETER/REUTERS

Die Menschenrechtlerin Ferenschild glaubt allerdings nicht, dass es im künftigen Umgang mit China schon ausreicht, auf eine Minderung des Risikos zu setzen. Die Bundesregierung müsse das Problem der Zwangsarbeit bei den Importen aus China wirksam ansprechen, forderte sie.

Der Deutschland-Direktor von „Human Rights Watch“, Wenzel Michalski, erklärte, dass das ab Anfang kommenden Jahres geltende Lieferkettengesetz zeigen werde, wie ernst es Unternehmen mit Fragen der Menschenrechte sei. „Es wird dann sehr kompliziert, wenn man in Regionen wie Xinjiang Produktionsstätten hat, wo nicht geklärt werden kann, ob dort Zwangsarbeiter arbeiten“, sagte er. Umso befremdlicher sei es gewesen, dass die Bundesregierung kurz vor Inkrafttreten des Gesetzes eine Beteiligung des chinesischen Konzerns Cosco an einem Hafen-Terminal in Hamburg erlaubt habe.

Die Beteiligung der chinesischen Staatsreederei Cosco stieß nicht nur in der Ampel-Koalition bei Grünen und FDP auf Kritik, sondern wurde auch im EU-Ausland kritisch gesehen. Die Cosco-Beteiligung sei just zu einem Zeitpunkt beschlossen worden, zu dem die belgische Regierung chinesische Beteiligungen am Hafen von Antwerpen überdenkt, so Michalski.

In jedem Fall ist auch der Bundesregierung klar, dass verstärkte Handelsbeziehungen nicht zwangsläufig zur Demokratisierung bei den Wirtschaftspartnern führen – weder in Russland, noch in China. „Wandel durch Handel“ sei ein „Slogan von gestern“, sagte Michalski.

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