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Müssen mit immer mehr Milliarden jonglieren: Kanzler Olaf Scholz (SPD), Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), Finanzminister Christian Lindner (FDP).

© Kay Nietfeld/dpa-Pool/dpa

Wachsende Ausgaben, steigende Schulden: Wie die Ampel immer mehr Milliarden bewegt

Klimaschutzfonds, Bundeswehr-Sondervermögen, Entlastungspaket – und Pandemie ist auch noch. Ein Überblick über Milliarden-Vorhaben und Schuldenpläne.

So langsam geht der Überblick verloren. 100 Milliarden für die Bundeswehr und ein umfangreiches Entlastungspaket – mit zwei großen Ankündigungen hat die Ampel-Koalition auf die möglichen Folgen des Ukraine-Kriegs und die massiv erhöhten Energiepreise schon reagiert. Am Wochenende sprach Finanzminister Christian Lindner (FDP) zudem von einem Finanzpaket in Höhe von 200 Milliarden Euro, das bis 2026 für „die Transformation von Wirtschaft, Gesellschaft und Staat“ genutzt werden solle. Es summiert sich da etwas zusammen.

Lindners Ankündigung ist das Ergebnis einer Einigung mit Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) zur Nutzung des Energie- und Klimafonds. Über diesen sollen – demnächst unter dem Namen Klima- und Transformationsfonds (KTF) – viele der großen Klimaschutzinvestitionen der Ampel laufen. Lindner selbst nannte als Beispiele Programme für Ladesäulen für E-Autos oder zur Wasserstoff-Erzeugung. Neu ist das nicht: Sowohl die Maßnahmen, um die es geht, als auch das Vehikel des KTF sind im Koalitionsvertrag verankert.

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Aber der Finanzminister hat den Grünen jetzt noch einen ordentlichen Schuss mehr Geld versprochen. Genau gesagt sind es 30 Milliarden Euro, um die der KTF größer ausfallen wird als geplant. Noch von der „Groko“ waren mit dem Fonds Ausgabenpläne in Höhe von 110 Milliarden Euro in den kommenden Jahren verbunden worden. Mit ihrem Nachtragsetat für 2021 hatte die Ampel-Koalition dieses Volumen über Kreditermächtigungen in Höhe von 60 Milliarden Euro ausgebaut. Und nun werden nochmals 30 Milliarden hinzukommen, was die runde Summe von 200 Milliarden ergibt. Wie Lindner dies finanzieren will, ist vorerst unklar – doch könnten sie über Mehreinnahmen aus der CO2-Bepreisung und/oder dem EU-Emissionshandel finanziert werden.

Zuschlag für die Zustimmung

Offenkundig ist die nochmalige Aufstockung des KTF das Ergebnis des koalitionsinternen Streits um das von Kanzler Olaf Scholz (SPD) vor gut einer Woche angekündigte Sondervermögen zugunsten der Bundeswehr in Höhe von 100 Milliarden Euro. Den Grünen missfiel das, sie drangen darauf, das Geld nicht allein für direkte Rüstungszwecke, sondern auch andere sicherheitspolitische Ausgaben zu verwenden. Scholz und Lindner dagegen wollen allein die bessere Ausrüstung der Armee damit finanzieren, auch um dauerhaft das Zwei-Prozent-Ziel der Nato übererfüllen zu können – das hatte der Kanzler als Ziel angekündigt.

Wie die 100 Milliarden Euro konkret verwendet werden, ist noch nicht ganz klar – aber es sollen nur große Beschaffungsprojekte der kommenden Jahre damit finanziert werden. Am Montag war wieder von der Nachfolge für den „Tornado“-Kampfjet die Rede (mutmaßlich läuft es auf den Kauf der US-Maschine F35 hinaus), daneben der schwere Transporthubschrauber, bewaffnete Drohnen, der Ersatz für das G36-Gewehr.

Wie schafft die Ampel die Nato-Quote?

Unklar ist auch noch, wie das Zwei-Prozent-Ziel im Schnitt der kommenden Jahre übererfüllt werden kann – jährliche Wehrausgaben in Höhe von zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts sind ein Nato-Beschluss. Große Beschaffungsprojekte ersttrecken sich über mehrere Jahre und brauchen einen Vorlauf. Wie aber erfüllt man die Quote schon in diesem und im kommenden Jahr? Wird das Geld des Sondervermögens – das mit Kreditermächtigungen gefüllt wird – dafür herangezogen, und wenn ja, in welchem Umfang? Wie groß soll der Anteil an den höheren Wehrausgaben sein, die aus dem laufenden Etat finanziert werden sollen? Sicher ist nur, dass allein in diesem Jahr der Verteidigungshaushalt um 17 Milliarden wachsen müsste, in den kommenden Jahren dann um deutlich mehr als 20 Milliarden Euro. Das allein aus dem Sondervermögen zu finanzieren würde bedeuten, dass der Topf schon bald leer wäre.

Was ist, wenn die Wirtschaft einbricht?

Wie stark der Überfall Russlands auf sein Nachbarland die Weltwirtschaft nach unten zieht, ist noch nicht absehbar. Aber die Konjunktur wird sich mindestens in diesem Jahr abkühlen. Das wird Folgen auch für den Bundeshaushalt haben. Ein Einbruch der Wirtschaft, auch nur ein langsameres Wachstum wird zu Steuerausfällen führen. Andererseits droht Inflation, und höhere Preise bedeuten Mehreinnahmen über die Umsatzsteuer. Wenn diese aber wieder gesenkt wird – wie schon im ersten Jahr der Pandemie - oder gar ganz abgeschafft wird auch Öl und Gas, wie es die Union und Die Linke fordern, dann müsste Lindner wohl größere Löcher stopfen. Steuererhöhungen schließt die FDP aus. Noch mehr Schulden aber auch.

Enthalten in dem Deal über 200 Milliarden Euro ist die vorzeitige Abschaffung der EEG-Umlage für die Stromkunden – denn dieser Teil des unlängst angekündigten Entlastungspakets wird über den KTF finanziert. Das Ende der EEG-Umlage auf den Stromrechnungen kostet den Bund knapp sieben Milliarden Euro auf das Jahr gerechnet, wie das Institut der deutschen Wirtschaft in Köln errechnet hat. Im Entlastungspaket kommen noch hinzu der höhere Grundfreibetrag in der Einkommensteuer mit drei Milliarden und die höhere Werbekostenpauschale, die zunächst zu Mindereinnahmen von einer Milliarde Euro pro Jahr führt.

Vor neue Tatsachen gestellt

Scholz und seine Ministerriege sind mitten in ohnehin schwierigen Haushaltsaufstellungen vor neue Tatsachen gestellt worden. Drei Bundesetats sind zuletzt quasi parallel in der Mache gewesen. Mit dem im Januar beschlossenen Nachtragsetat für 2021 wurden im Vorjahr nicht genutzte Kreditermächtigungen in Höhe von 60 Milliarden Euro – vorgesehen zur Corona-Bekämpfung – in den Energie- und Klimafonds geschoben, mit der Begründung, Investitionen in den Klimaschutz dienten der Überwindung der wirtschaftlichen Delle durch die Pandemie.

Der Haushalt für 2022, im Entwurf noch vorgelegt von Scholz als Finanzminister im vorigen Jahr, muss nun zügig durch Kabinett und Parlament – das schuldenfinanzierte Sondervermögen für die Bundeswehr in Höhe von 100 Milliarden Euro wird mit diesem Etat auf den Weg gebracht. Da die Pandemie noch nicht vorbei ist, will die Bundesregierung die Bundesregierung 22er-Etat, der am 16. März vom Kabinett beschlossen werden soll, nochmals 100 Milliarden Euro an neuen Schulden aufnehmen, indem sie die Notlagenklausel der Schuldenbremse in Anspruch nimmt.

Auch 2023 geht's wohl nicht ohne neue Kredite

Und dann soll Lindner am 16. März noch die Eckwerte für den Haushalt 2023 vorlegen. Vom kommenden Jahr an will der Finanzminister die Schuldenbremse wieder einhalten. Völlig ohne zusätzliche Kredite kommt er aber auch nicht aus. Je nach Konjunkturlage – je schwächer, je mehr – erlaubt die Schuldenbremse im Grundgesetz eine höhere Nettoneuverschuldung als die 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, die der Bund ohnehin regelmäßig nutzen kann. Zuletzt war von Schulden in Höhe von bis zu 40 Milliarden Euro die Rede, die nochmals aufgenommen werden könnten. Es könnten auch noch mehr sein.

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Die Bundessschuld ist mittlerweile immens angewachsen. Die Ampel hat sie binnen kurzem um 260 Milliarden Euro erhöht – Bundeswehr, Klimaschutz, Pandemie. Nimmt man die möglichen Neukredite für 2023 hinzu, kommt man auf 300 Milliarden oder mehr. Die große Koalition hatte pandemiebedingt ebenfalls kräftig neue Schulden gemacht: 2020 waren es etwa 130 Milliarden Euro, im Vorjahr 155 Milliarden. Macht zusammen also einen Schuldensprung von 585 Milliarden Euro in zwei Jahren.

Ende 2019 hatte der Bund eine Gesamtschuld in Höhe von etwa 1,2 Billionen Euro. Das Plus läge 2023 somit bei fast 50 Prozent. Geschätzt wird, dass der Schuldenstand der Bundesrepublik dann wieder bei deutlich mehr als 80 Prozent des Bruttoinlandsprodukts läge. 2019 war die Quote erstmals seit der Finanzkrise wieder unter 60 Prozent gefallen. Immerhin: Im internationalen Vergleich stünde Deutschland immer noch relativ gut da.  

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