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Verteidigungsausgaben ohne Limit: Die Sicherheitslage drängt Union und SPD zu historischen Finanzreformen
In einer drastisch veränderten Sicherheitslage werden die deutschen Schuldenregeln angepasst. Auch in die Infrastruktur soll massiv investiert werden. Ein Überblick.
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Unter dem Eindruck der internationalen Sicherheitslage haben sich Union und SPD noch vor Abschluss ihrer Sondierungsgespräche über die Bildung einer neuen Regierung auf ein rekordverdächtiges Finanzpaket geeinigt. Wie der designierte Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) am Dienstagabend in Berlin bekanntgab, soll dafür die Schuldenbremse in drei Punkten geändert werden.
Die Fraktionen der beteiligten Parteien wollen dafür in der kommenden Woche entsprechende Anträge zur Änderung des Grundgesetzes in den Bundestag einbringen. „Wir sind uns der Dimension der vor uns liegenden Aufgaben bewusst“, sagte Merz mit Blick darauf, dass auch unter einer völlig veränderten US-Politik „die Verteidigungsfähigkeit unseres Landes und des europäischen Kontinents“ sichergestellt sein müssten.
Union und SPD verständigten sich deshalb darauf, alle Verteidigungsausgaben oberhalb von einem Prozentpunkt der Wirtschaftsleistung von den Regeln der Schuldenbremse auszunehmen. Der Wehretat könnte damit aktuell bis auf etwa 43 Milliarden Euro kreditfinanziert werden. Unionskanzlerkandidat Merz betonte ausdrücklich, dass damit ohne Limit Schulden aufgenommen werden können, um Deutschlands Sicherheit zu gewährleisten.
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„Whatever it takes“
Er zitierte dabei den früheren Chef der Europäischen Zentralbank in der Phase der Eurorettung: „Angesichts der Bedrohungen unserer Freiheit und des Friedens auf unserem Kontinent muss jetzt auch für unsere Verteidigung gelten: whatever it takes“, zu Deutsch: „Was immer nötig ist“.
Bisher war davon ausgegangenen worden, dass es ein sogenanntes Sondervermögen mit einer bestimmten Summe geben soll. Ein solches soll es nun in Höhe von 500 Milliarden für die Infrastruktur geben.
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Es soll auf zehn Jahre angelegt sein, um die Sanierung von Brücken, Bahntrassen oder Schulen sowie die Digitalisierung voranzutreiben. In dem Papier zur Einigung heißt es: „Dies umfasst insbesondere Zivil- und Bevölkerungsschutz, Verkehrsinfrastruktur, Krankenhaus-Investitionen, Investitionen in die Energieinfrastruktur, in die Bildungs-, Betreuungs- und Wissenschaftsinfrastruktur, in Forschung und Entwicklung und Digitalisierung.“
Söder spricht von „Deutschland-Paket XXL“
CSU-Chef Markus Söder sprach von einem „Deutschland-Paket XXL“. Ein Fünftel der Gesamtsumme, also 100 Milliarden Euro, sind für Länder und Kommunen reserviert. „Unser Land fährt auf Verschleiß“, so SPD-Chef Lars Klingbeil, der ausdrücklich begrüßte, dass nun die „Investitionsbremse gelöst“ werde.
Seine Co-Vorsitzende Saskia Esken sagte, dass in der neuen Konstellation nun gelingen, was in der alten mit der FDP leider nicht geschafft worden sei. Die Koalitionsgespräche seien damit zwar noch längst nicht abgeschlossen, aber sehr wohl „entscheidende Weichen gestellt“ worden.
Die dritte Änderung der Schuldenregeln in der Verfassung, die Union und SPD auf den Weg bringen wollen, betrifft die Verschuldung der Bundesländer. Anders als dem Bund ist ihnen bisher nicht gestattet, auch in „normalen“ Zeiten in begrenztem Umfang Kredite aufzunehmen.
Drei-Milliarden-Hilfspaket für Kiew geplant
Die Regel soll entsprechend angepasst werden. Eine umfassendere Reform der Schuldenbremse soll dann noch im Laufe des Jahres im neuen Bundestag vorgenommen werden. Die nun vorgeschlagenen Änderungen sollen noch mit den Mehrheitsverhältnissen des alten Parlaments beschlossen werden.
CDU-Chef Merz berichtete, dass er die Fraktionschefs der Grünen wie der FDP bereits über den gemeinsamen Vorschlag von Union und SPD unterrichtet habe und nun mit ihnen in Gespräche einsteigen wolle.
An diesem Mittwoch wollen Merz und Klingbeil Noch-Bundekanzler Olaf Scholz (SPD) über die Ergebnisse unterrichten, bevor dieser zum EU-Gipfel nach Brüssel geht, wo er nun die geplanten Milliardenbeschlüsse für eine größere europäische Verteidigungsbereitschaft unterstützen kann. Merz sagte zudem, er wolle Scholz davon überzeugen, ein bisher nicht freigegebenes Ukraine-Waffenhilfspaket mit einem Volumen von drei Milliarden Euro auf den Weg zu bringen.
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