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Gäste trinken an Heiligabend ein paar Bier vor einem Pub.

© Damien Storan/PA Wire/dpa

Die Panik-Kurve: Was in Irland passiert ist und welche Rolle das Turbo-Virus spielt

Angela Merkel sieht Irland als warnendes Beispiel. Doch dort führte nicht nur die Corona-Mutante zur Fall-Explosion. Sondern auch Lockerungen und Corona-Müdigkeit.

Wie konnte Irland das nur passieren? Noch am 10. Dezember wies das Land eine Corona-Inzidenz von nur 41 auf – am 10. Januar lag sie dann plötzlich bei 942.

Eine derartige und nahezu senkrecht ansteigende Kurve bei den Fallzahlen gibt es bislang in keinem Land. Weltweit blicken daher Forschende und Regierende voller Sorge nach Irland.

Nicht zuletzt Angela Merkel: Die Kanzlerin ist „extrem besorgt“. In der Bundesregierung vermutet man die neue und wahrscheinlich um 40 Prozent ansteckendere Coronavirus-Variante B.1.1.7 hinter dem explosionsartigen Anstieg. Und genau deshalb erwägt Merkel massive Lockdown-Verschärfungen in Deutschland, bis hin zum Herunterfahren des Öffentlichen Verkehrs.

Eine fatale Situation wie in Irland will man hierzulande auf jeden Fall vermeiden – selbst wenn nach dem senkrechten Anstieg der Scheitelpunkt bereits erreicht worden sein könnte. So sank die Sieben-Tage-Inzidenz in Irland laut der interaktiven Tagesspiegel-Karte zuletzt wieder:

  • am 1. Januar bei 194
  • am 5. Januar bei 513
  • am 10. Januar bei 942
  • am 12. Januar bei 871
  • am 13. Januar bei 783
  • am 14. Januar bei 729

Die reinen Neuinfektionen mögen fallen. Doch laut dem National Public Health Emergency Team (Nphet) wird es in Irland noch „bis weit in den Februar hinein“ dauern, bis die Krankenhäuser wieder in der Lage sind, eine größere Anzahl von Nicht-Covid-Patienten zu behandeln. Das Gesundheitssystem steht vor der Überlastung, das Limit für die Intensivstation ist erreicht.

Beim „Nphet“ hofft man, dass der jüngste Neuinfektionen-Rückgang auch zur Entlastung in den Krankenhäusern führt. Die Zahl der Covid-19-Patienten könnte von derzeit fast 1.800 bis Ende Januar auf 800 oder gar 650 fallen – „wenn es gut läuft“. Und die Zahl der Corona-Intensivpatienten von dem aktuellen Höchstwert von 169 wieder auf 120 oder gar 100 sinken. Sofern sich der jüngste Absturz bei den Fallzahlen tatsächlich fortsetzen sollte.

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„Unsere Teams arbeiten rund um die Uhr“, sagte Paul Reid vom Health Service Executive auf einer Pressekonferenz. Es ist ein Rennen gegen die Zeit, um Leben in all unseren Krankenhäusern zu retten.“

Und welchen Anteil an dem irischen Horrorszenario hat nun die neue Variante? Laut „Nphet“ macht sie inzwischen fast die Hälfte aller in irischen Labors genetisch sequenzierten Proben aus – 46 Prozent. Sie ist auf dem Weg, der dominierende Stamm zu werden. Zuerst nachgewiesen wurde sie in Großbritannien. Genau von dort kamen allein über die Feiertage etwa 1500 Passagiere am Dubliner Flughafen an.

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Die neue Variante dürfte also durchaus als Beschleuniger gewirkt haben – aber in Verbindung mit der Feiertagsöffnung des zuvor vergleichsweise hart abgeriegelten Landes. Dieser Weihnachtsverkehr dürfte umgekehrt die Verbreitung der neuen Variante beschleunigt haben. „Da waren all diese Menschen, die in beheizten Innenräumen nahe beieinander sind, und dann wurde noch die neue Variante in den Mix geworfen“, erklärt Karina Butler, Vorsitzende des National Immunisation Advisory Committee der „Irish Times“.

Und sie ergänzt noch eine Geschichte aus dem Bereich der anekdotischen Evidenz: In der Vorweihnachtszeit habe sie einen Tisch für ein Essen mit ihrem Mann in einem Restaurant reserviert. Als sie dann aber im Lokal angekommen sei, habe sie den Essbereich überfüllt und schlecht belüftet vorgefunden. „Es war keine gute Umgebung, also sind wir gegangen“, sagt sie. Butler wird da die Ausnahme gewesen sein.

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Viele Menschen beieinander, und dann noch die hohe Mobilität – dass Merkels Sorgen um die Ansteckungen in Bus und Bahn berechtigt sind, zeigen die Daten aus Irland: Der Verkehr könnte dort eine der Hauptursachen für den Corona-Senkrechtstart sein.

Entsprechende Ergebnisse des National Public Health Emergency Team stellte ihr Chef Tony Holohan diese Woche auf einer Pressekonferenz vor. Demnach stieg die Mobilität der Menschen auf dem Weg in die Geschäfte oder zur Freizeitaktivität aber auch der Verkehr generell auf ein Niveau, das es seit der Zeit vor der Pandemie nicht mehr gegeben hatte.

Einige Leute taten laut Holohan so, „als ob nichts passiert wäre.“

Auch Philip Nolan, Vorsitzender der Epidemiologischen Modellierungsgruppe am „Nphet“ sieht in der zu hohen Mobilität ein großes Problem. Laut seinen Ergebnissen war sie im Dezember fast so hoch wie im Sommer – viel höher als während des April-Lockdowns.

Und er legt den Fokus auf einen weiteren Aspekt, der ebenfalls in Deutschland heiß diskutiert wird: das Homeoffice. Mit Blick auf Irland warnt Nolan: Die Möglichkeit, dass mehr Menschen zurück zur Arbeit „driften“, stelle ein „reales Risiko“ dar.

Hinzu kommen zwei weitere Faktoren, die jedoch nicht nur für Irland oder Deutschland gelten. Der eine ist das kalte Wetter, das die Menschen in die Häuser treibt. Aerosole können sich so leichter verbreiten. Den anderen bringt Mike Ryan auf den Punkt, der aus Irland stammt. Der Nothilfekoordinator der Weltgesundheitsorganisation WHO meint: Die Menschen seien inzwischen bei Corona einfach „abgestumpft“.

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