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Wegen Drohnenvorfällen: CDU-Verteidigungspolitiker fordert Einsatz der Bundeswehr im Inneren
Ein Krisenstab der Regierung mit Merz an der Spitze befindet sich zwar erst im Aufbau. Doch nun soll er wegen der aktuellen Lage früher starten. Stimmen für eine entschiedene Bekämpfung werden derweil lauter.
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Drohnen legen Flughäfen lahm, fliegen über Rüstungsbetriebe oder Militäranlagen: Angesichts dieser Vorfälle fordert Thomas Röwekamp (CDU), Vorsitzender des Verteidigungsausschusses des Bundestages, dass die Bundeswehr zivile Einrichtungen gegen Drohnenangriffe verteidigen darf.
„Wir müssen gesetzlich klarstellen, dass die Bundeswehr im Wege der Amtshilfe gegen Drohnenangriffe verteidigen darf, egal ob sie eine militärische Einrichtung oder zivile Infrastruktur angreifen“, sagte Röwekamp dem Tagesspiegel.
Röwekamp sagte, dass das Luftsicherheitsgesetz und ein neu zu beschließendes Seesicherheitsgesetz die notwendigen Regelungen enthalten müssen. Deutschland müsse „sicherheitspolitisch erwachsen werden“, sagte er. Der Föderalismus und die Trennung von innerer und äußerer Bedrohung seien ungeeignet, um der Drohnenbedrohung gerecht zu werden. „Wir brauchen nicht 17 unterschiedliche Gesetze mit unterschiedlichen Verteidigungsfähigkeiten für die Bedrohung unserer militärischen Infrastruktur“, fügte er hinzu.
Wir müssen gesetzlich klarstellen, dass die Bundeswehr im Wege der Amtshilfe gegen Drohnenangriff verteidigen darf, egal ob sie eine militärische Einrichtung oder zivile Infrastruktur angreifen
Thomas Röwekamp, Vorsitzender des Verteidigungsausschusses (CDU)
Für die Drohnen-Abwehr gebe es bereits die notwendige Technologie und industrielle Möglichkeiten, um die erforderlichen Fähigkeiten zu entwickeln und „marktverfügbar zu kaufen“. „Deshalb müssen jetzt schnell die Zuständigkeiten geklärt, die gesetzlichen Grundlagen geschaffen und die Bestellungen ausgelöst werden“, sagte Röwekamp.
Er forderte zudem, dass die Nato ihre Fähigkeiten zur Luftverteidigung schnell und erheblich ausbauen müsse. Dabei seien die schnellen Innovationszyklen bei der Drohnenherstellung eine Herausforderung.
Nationaler Sicherheitsrat soll früher an den Start gehen
Ein neues Gremium soll in Deutschland künftig die Arbeit aller Sicherheitsbehörden bündeln. Der beim Kanzleramt angesiedelte Nationale Sicherheitsrat befindet sich noch im Aufbau. Wegen der Drohnensichtungen über Flughäfen, Häfen, Rüstungsbetrieben und Militäranlagen soll der ständige Krisenstab einem Medienbericht zufolge aber bereits jetzt aktiv werden, dies berichtet die „Bild“.
Allgemein angenommen wird bisher, dass Russland hinter den Drohnenvorfällen steckt, die unter anderem den Flughafen München lahmlegten. In dem Bericht heißt es dazu, Nachrichtendienste und Polizei könnten eine russische Urheberschaft derzeit „weder bestätigen noch ausschließen“. Teilweise sei nicht einmal klar, ob es sich tatsächlich um Drohnen oder um Kleinflugzeuge gehandelt habe.
Ein Drittel Trittbrettfahrer bei Drohnenvorfällen?
Das Blatt zitiert einen namentlich nicht genannten Drohnenexperten, der für Bund, Länder, Rüstungskonzerne und Bundeswehr arbeiten soll: „30 Prozent der Drohnensichtungen der vergangenen Tage gehen wohl auf das Konto von Trittbrettfahrern und gefährlichen Idioten. Aber in 70 Prozent der Fälle waren es wohl wirklich russische Akteure.“
Offiziell ist unklar, wie viele der Vorfälle eventuell auf das Konto von Privatpersonen gehen, wie zuletzt auch am Flughafen Frankfurt/Main.
Derzeit arbeiten dem Bericht zufolge mehrere Behörden an einem einheitlichen Lagebild: Der Bundesnachrichtendienst sammele Erkenntnisse aus Nachbarstaaten, das Bundesinnenministerium stimme sich mit Bundespolizei und Ländern ab und die Bundeswehr steuere eigene Informationen bei. Aus Regierungskreisen hieß es demnach, die Vielzahl der Meldungen unterstreiche, wie notwendig der Sicherheitsrat sei, der in den kommenden Wochen seine Arbeit aufnehmen soll.
Der neue Sicherheitsrat soll aus dem bislang schon bestehenden Bundessicherheitsrat hervorgehen. Zu dessen ständigen Mitgliedern zählen neben dem Bundeskanzler und dem Chef des Bundeskanzleramts noch die Ministerinnen oder Minister für Äußeres, Inneres, Finanzen, Justiz, Wirtschaft und Entwicklungszusammenarbeit.
Drohnen auch über Schleswig-Holstein
Zuletzt hatten zudem zahlreiche Überflüge von Drohnen unbekannter Herkunft über dänischen Flughäfen und Militäreinrichtungen für Aufsehen gesorgt. Auch über Schleswig-Holstein wurden vergangene Woche Drohnen gesichtet. Nach Ansicht von Experten ist die kritische Infrastruktur in Deutschland derzeit gegen solche Attacken nicht ausreichend geschützt.
Wegen Drohnensichtungen im Umfeld und über dem Flughafen München war der Betrieb an Deutschlands zweitgrößtem Airport am Donnerstagabend eingestellt worden, knapp 3000 Passagiere waren nach Flughafenangaben betroffen. Am Freitagabend wurden erneut Drohnen gesichtet, der Betrieb musste erneut von Freitag auf Samstag unterbrochen werden. Diesmal waren 6500 Passagiere betroffen.
Pistorius verlangt Besonnenheit
Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) rief nach der wiederholten Sichtung von Drohnen über deutschen Flughäfen zur Besonnenheit auf. Er verstehe die Verunsicherung, eine solche Debatte habe es bisher noch nicht gegeben, sagte Pistorius dem „Handelsblatt“.
Es geht darum, zu provozieren, Angst zu machen, kontroverse Debatten auszulösen.
Boris Pistorius, Verteidigungsminister (SPD)
„Deswegen ist es umso wichtiger, die Lage nüchtern und ruhig zu betrachten: Bislang ging von den beobachteten Drohnen keine konkrete Bedrohung aus.“ Das Interview wurde dem Bericht zufolge vor den Vorfällen in München geführt.
Hessens Ministerpräsident Boris Rhein kündigte weitere Maßnahmen zur Drohnenabwehr an. Sein Bundesland sei gut vorbereitet, sagte der CDU-Politiker einem Bericht der Agentur dpa zufolge den VRM-Medien. „Klar ist aber auch: Wir müssen unsere Fähigkeiten zur Detektion und Abwehr von Drohnen erweitern. Und dafür werden wir auch Geld in die Hand nehmen.“
Rhein sieht Vorreiterrolle Hessens bei Drohnenabwehr
Rhein erklärte, es brauche zudem „ein abgestimmtes Vorgehen von Bund und Ländern. Das gilt sowohl für die Zuständigkeiten als auch für die technische Ausstattung“. Hessen habe in rechtlicher Hinsicht bei der Drohnenabwehr bereits jetzt eine Vorreiterrolle.

© dpa/Arne Dedert
Das Land habe im Polizeigesetz bereits 2024 wirksame Anti-Drohnen-Maßnahmen ermöglicht, damit die Polizei Drohen unschädlich machen kann. Abwehr und Bekämpfung militärischer Drohnen müssten weiterhin in der Zuständigkeit des Bundes bleiben, sagte der Ministerpräsident.
Auch Bayern plant inzwischen eine Neuregelung, damit die Landespolizei im Zweifelsfall auch Drohnen abschießen kann, wie Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) ankündigte.
Bayern will Befugnisse der Polizei erweitern
„Wir wollen die rechtlichen Möglichkeiten der bayerischen Polizei deutlich erweitern, damit sie sofort und effektiv gegen Drohnen vorgehen kann. Das bedeutet auch, dass die Polizei bei akuter Gefahr Drohnen sofort abschießen darf“, sagte Herrmann.
Aus Sicht von Pistorius zielt Russland mit Luftraumverletzungen und Drohnenüberflügen grundsätzlich darauf ab, Verunsicherung zu schüren. „Es geht darum, zu provozieren, Angst zu machen, kontroverse Debatten auszulösen. (Kremlchef Wladimir) Putin kennt Deutschland sehr, sehr gut, wie wir alle wissen. Er kennt auch die deutschen Instinkte und Reflexe.“
Der Städte- und Gemeindebund dringt angesichts er aktuellen Situation auf einen besseren Katastrophenschutz. „Die Drohnen-Sichtungen in den letzten Tagen zeigen deutlich, dass die Sicherheitslage sich verändert hat“, sagte Hauptgeschäftsführer André Berghegger den Zeitungen der Funke Mediengruppe.
Städte- und Gemeindebund fordert besseren Katastropenschutz
Es sei notwendig, schnell ein abgestimmtes Konzept gegen die zunehmenden Bedrohungen auf den Weg zu bringen. „Wir müssen Resilienz neu denken und Städte und Gemeinden in die Lage versetzen, die Menschen vor Ort bestmöglich schützen zu können.“
Konkret forderte Berghegger eine „Task Force Resilienz“ mit Vertretern aus Bund, Ländern, Kommunen, Sicherheitsbehörden und Feuerwehren. Die Zusammenarbeit zwischen Bevölkerungs- und Katastrophenschutz müsse auf allen Ebenen verbessert werden. Um die Bürgerinnen und Bürger wirksam zu schützen, müssten die Kommunen finanziell deutlich besser ausgestattet werden. Allein für den Zivilschutz seien zusätzliche zehn Milliarden Euro in den nächsten zehn Jahren erforderlich.
Auch die Zahl der Cyberangriffe sei seit dem russischen Überfall auf die Ukraine immens gestiegen. „Jede vierte Kommune in Deutschland ist im vergangenen Jahr Opfer einer Cyberattacke geworden“, hob der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes hervor.
Bei der Cybersicherheit seien Städte und Gemeinden „auf sich allein gestellt“, beklagte Berghegger. „Das ist nicht akzeptabel.“ Er forderte eine „koordinierte föderale Cybersicherheitsarchitektur mit regionalen Krisenreaktionsteams und klaren Zuständigkeiten“.
Die Ausnahme von der Schuldenbremse im Bereich Sicherheit müsse der Bund jetzt nutzen, so Berghegger, „um in nachhaltige Sicherheit überall in Deutschland zu investieren“.
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