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Da sehen sie noch fit aus, Martin Schulz, Horst Seehofer und Angela Merkel. Kein Wunder: Das Foto stammt von letzter Woche.

© Bernd von Jutrczenka/dpa

Union und SPD einigen sich auf Koalitionsvertrag: Weiter so! Warum auch nicht?

Union und SPD haben sich geeinigt. Nun kann es erneut zu einer großen Koalition kommen. Das ist gut, weil Deutschland regiert werden muss. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Malte Lehming

Es ist die Koalition der Ausgelaugten, der Erschöpften, der Wahlverlierer, der Zwangsverheirateten, der Geldausgeber, der Ambitionslosen. Außerdem steht sie immer noch nicht. Erst müssen die Mitglieder der SPD über das Resultat befinden, und ob die das dürfen, weiß nur das Bundesverfassungsgericht. Ein Elend ist das. Ach, hätten wir doch nur einen Emmanuel Macron, der mal richtig Leben in die Bude bringt, der die Sache aufmischt, die Menschen begeistert und euphorisiert. Die Deutschen dagegen – Angela Merkel und Martin Schulz. Man muss nur die Namen nennen – Angela Merkel und Martin Schulz. Sie verstehen schon.

Ja, es ist leicht, über das Ergebnis der Koalitionsverhandlungen einen Kübel Spott zu schütten. Waren die nächtlichen Inszenierungen nicht bloß ein Trick, um der Basis das Gefühl zu vermitteln, es sei wirklich hart gerungen worden, bis an die Schmerzgrenze und darüber hinaus? Dabei kennen sich Union und SPD in- und auswendig. Seit 2005 haben sie acht Jahre lang miteinander regiert. Da braucht es kein Abtasten und Ausloten mehr. Man versteht sich blind.

Weil die SPD diesmal eigentlich gar nicht mehr regieren, sondern sich in der Opposition erneuern wollte – und dies entsprechend vollmundig verkündet hatte -, genossen die Genossen in den Verhandlungen einen strategischen Vorteil. Schon ihr „Trotzdem Ja“ zur Aufnahme der Gespräche ließen sie sich teuer bezahlen. Deshalb haben die Sozialdemokraten relativ viel erreicht. Bildung, Pflege, Europa, Bauen und Wohnen: Viele Ergebnisse tragen eine soziale Handschrift. Hinzu kommen, laut ersten Meldungen, die wichtigen Ressorts Außen, Finanzen und Arbeit, plus Familie, Justiz und Umwelt. Das ist stark. Die Union punktet bei der Steuerentlastung, dem Kindergeld, der Mütterrente. Unentschieden geht das Gerangel bei den Themen Investitionen, Energie und Flüchtlingspolitik aus.

Kein Bedürfnis nach eruptiver Politik

Nun also: Weiter so! Warum auch nicht? In einem Land mit rund sechs Prozent Arbeitslosigkeit, sprudelnden Steuereinnahmen, florierender Exportwirtschaft und steigenden Löhnen hält sich die Sehnsucht nach revolutionärer Politik in Grenzen. Bis auf die Dänen, das glücklichste Volk der Welt, werden die Deutschen von allen anderen beneidet. Wer dennoch das Bedürfnis nach eruptiver Politik verspürt, möge sich zurückerinnern an Finanzkrise, Atomausstieg, Flüchtlingswelle, Brexit, Trump-Wahl. Bedürfnis gedeckt, oder?

Aber Emmanuel Macron und Sebastian Kurz, diese jungen, smarten, eloquenten, frischen Anpacker! Warum gibt es solche nicht bei uns (jetzt bitte nicht Jens Spahn erwähnen)? Ganz einfach: weil das bundesdeutsche Parteiengefüge trotz SPD-Krise und AfD-Aufstieg ziemlich robust ist. Gegen Verführer erweist es sich als erstaunlich immun.

Deutschland muss regiert werden: Aus dieser an sich banalen politischen Grundtatsache wurde nach dem jüngsten Bundestagswahlergebnis und der Jamaika-Blamage plötzlich ernst. Es ehrt die SPD, sich dem Gestaltungsauftrag erneut gestellt zu haben. Die

Angst vor Neuwahlen, gefolgt von weiteren Stimmenverlusten, mag ein zusätzliches Motiv gewesen sein, aber unter dem Strich zählt allein die Bereitschaft, sich auf das „starke und langsame Bohren von harten Brettern“, wie Max Weber das Wesen von Politik formulierte, einzulassen. Angela Merkel und Martin Schulz haben dies getan.

Dem Land dienen zu wollen, auch wenn das pathetisch klingt, ist der kleinste gemeinsame Absichtsnenner dieser nächsten sich abzeichnenden großen Koalition. Eine Zeitlang werden es sich deren Protagonisten noch gefallen lassen müssen, von einem paukenschlaggierigen Publikum als Triangelspieler verhöhnt zu werden. Aber das geht vorbei. Und damit zurück zu den Jusos.

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