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US-Präsident Donald Trump

© dpa/AP/Charlie Neibergall

Deutsche Furcht: Wer hat Angst vor Donald Trump?

Vor nichts haben die Deutschen mehr Furcht als vor US-Präsident Trump. Und es gibt neue Enthüllungen. Wie berechtigt ist die Sorge? Fragen und Antworten.

Neue Enthüllungen des legendären „Watergate“-Reporters Bob Woodward sowie der Brief eines Insiders in der „New York Times“ werfen ein beängstigendes Licht auf US-Präsident Donald Trump.

Was genau ist jetzt bekannt geworden?

Bob Woodward schildert einen Präsidenten, der sich für die nationalen Interessen der USA und die Motive der bisherigen Politik nicht interessiert; dem Verteidigungsminister James Mattis nach einer Strategiedebatte zu Nordkorea „die Aufnahmefähigkeit und das Verhalten eines Fünft- oder Sechstklässlers“ bescheinigt; den Stabschef John Kelly in Momenten großen Ärgers einen „Idioten“ nennt; und der seinerseits hohe Mitarbeiter mit Strafpredigten und Schimpfworten überzieht. Das hat man so ähnlich zwar schon in anderen Enthüllungsbüchern über die Trump-Präsidentschaft gelesen. Was Woodward schreibt, hat jedoch anderes Gewicht. Er hat mit Carl Bernstein den „Watergate“-Skandal ans Licht gebracht, der zu Präsident Nixons Rücktritt führte. Woodward genießt den Ruf, seine Darstellung exakt belegen zu können, weil er unzählige Gespräche mit Augenzeugen auf Tonband aufgenommen und interne Dokumente ausgewertet hat.

Zeitlich fallen die Vorabberichte über Woodwards Buch „Fear“ („Angst“) in der „Washington Post“ mit dem Bericht eines anonymen hohen Mitarbeiters von Trump in der „New York Times“ zusammen: Im Weißen Haus gebe es eine Gruppe, die „stillen Widerstand“ leiste, wenn Trump gefährliche Ideen entwickele; sie nehme Vorlagen mit riskanten Anweisungen von seinem Schreibtisch und tue alles, um das demokratische System der USA zu erhalten. Trumps Impulse richteten sich gegen die Demokratie, die freien Medien und den Freihandel. In der Außenpolitik zeige Trump eine Vorliebe für autoritäre Führer und Verachtung für Verbündete. Die Gruppe der „Erwachsenen“ im Weißen Haus setze dann eine Gegenrichtung durch, die Russland für die Einmischung in den Wahlkampf bestrafe und generell tue, was richtig sei, auch wenn der Präsident das nicht begreife. Diese Gruppe hege ihn ein, bis seine Präsidentschaft „auf die eine oder andere Weise endet“. Dabei spielt der Anonymus auf den 25. Verfassungszusatz an mit der Option, einen Präsidenten, der amtsunfähig sei, abzusetzen.

Wie reagiert Trump darauf?

Trump twitterte „Hochverrat?“ und warf dem anonymen Autor der „New York Times“ eine schwere Straftat vor. Die Zeitung müsse die Identität preisgeben. Auf Woodwards Buch reagierten Trump und seine Sprecherin Sarah Sanders wie üblich mit pauschalen Dementis: Die Schilderung der Stimmung im Weißen Haus sei „Fiktion“; die angeblichen Zitate des Stabschefs Kelly und des Verteidigungsministers Mattis seien „frei erfunden“. Kelly und Mattis bestritten, die negativen Aussagen über Trump gemacht zu haben. Woodward blieb bei seiner Darstellung.

Wie reagiert die amerikanische Politik?

Die politische Szene in Washington, einer Hochburg der Demokraten, delektiert sich an den Vorberichten zum Woodward-Buch und spekuliert, wer die anonyme Person in der „New York Times“ sei. Die höchsten Wetten wurden zunächst auf Vizepräsident Mike Pence abgeschlossen; er würde Präsident, wenn Trump stürzt. Pence hat inzwischen bestritten, den anonymen Artikel geschrieben zu haben; ebenso Außenminister Mike Pompeo.

Was fürchten die Deutschen an Trump?

Es war ein typischer Merkel-Satz: „Die Zeiten, in denen wir uns auf andere völlig verlassen konnten, die sind ein Stück vorbei“, sagte die Kanzlerin im vergangenen Jahr. Sie meinte damit das Verhältnis zwischen Berlin und Washington, das seit Trumps Einzug ins Weiße Haus deutlich schwieriger geworden ist. Merkel nahm damit etwas vorweg, das nun die Studie „Die Ängste der Deutschen 2018“ belegt: Zwei Drittel der Bundesbürger fürchten, dass Trumps Politik die Welt gefährlicher macht. Der USA-Experte Josef Braml von der Deutschen Gesellschaft für Außenpolitik kann das gut verstehen. „Für die deutsche Politik und Wirtschaft ist es höchste Zeit, den Ernst der Lage zu begreifen“, fordert Braml. Trump wolle die bestehende Weltordnung abschaffen, „weil sie nach seinem Weltbild nur Amerikas Rivalen, allen voran Europa und China, hilft“. Die negativen Folgen für EU, Nato und die ganze Welt werden noch lange zu spüren sein, ist Braml sicher. Es gebe daher viele Gründe, sich vor Trump zu fürchten.

Wie wird er in anderen Ländern gesehen?

Seit Trumps Amtsantritt hat Amerikas Ruf in der Welt schweren Schaden genommen, zeigen unterschiedliche Umfragen. Laut dem amerikanischen Pew-Institut sind Trumps internationale Beliebtheitswerte verheerend. 37 Länder haben die Meinungsforscher 2017 untersucht, im Schnitt trauen nur 22 Prozent der dortigen Bürger dem US-Präsidenten eine erfolgreiche Politik zu. Vor allem die Bürger verbündeter Staaten zeigen sich in den Umfragen schwer enttäuscht, dass die Amerikaner Trump ins Weiße Haus gewählt haben. Auch in den europäischen Konzernzentralen sowie im Nato-Hauptquartier überwiegt inzwischen die Sorge, die Trump-Doktrin „America First“ könne langfristig negative Konsequenzen für die gesamte Weltordnung haben. Angst vor Trump ist also kein typisch deutsches Phänomen.

Was wird aus dem Verhältnis zu den USA?

Nicht nur Merkel, auch ihr Außenminister Heiko Maas (SPD) fordert, die Beziehungen zu Amerika neu auszurichten. Es sei keine Option, „diese Präsidentschaft einfach auszusitzen“, schrieb er vor kurzem im „Handelsblatt“. Europa müsse sich unabhängig machen von der bisherigen Schutzmacht auf der anderen Seite des Atlantiks. Der USA-Kenner Braml stimmt dem zu. Als Antwort auf Trump müssten die EU-Staaten näher zusammenrücken, fordert er. „Sollte Europa es nicht schaffen, aus der Wirtschafts- eine wehrhafte politische Union zu etablieren, bleibt es anfällig für innere und äußere Gefahren. Europa im globalen geopolitischen Wettbewerb aufzustellen, ist das Gebot der Stunde.“

Schaden die neuen Enthüllungen dem Präsidenten?

Die notorisch niedrigen Beliebtheitswerte Trumps in den USA gehen seit knapp zwei Wochen weiter zurück. Im Durchschnitt aller Umfragen waren am 24. August noch 43 Prozent der Amerikaner mit der Arbeit ihres Präsidenten zufrieden, heute sind es 41 Prozent. Gemessen allerdings an all den medialen Enthüllungen und Buchveröffentlichungen ist das ein erstaunlich hoher Wert. Zum Vergleich: Im Dezember 2017 waren es nur 37 Prozent. Trump legt also seit mehreren Monaten zu.

Woran liegt das?

Er selbst gebe sich die Bestnote, sagte der US-Präsident vor kurzem. Sein Vorvorvorgänger Bill Clinton hatte in seinem Wahlkampfbüro die Mahnung „It's the economy, stupid“ aufhängen lassen. So denkt auch Trump. Die US-Wirtschaft boomt. Die Arbeitslosigkeit ist auf einem historischen Tief. Der Aktienindex steigt. Im zweiten Quartal lag das Wachstum bei rekordverdächtigen 4,1 Prozent. Die Investitionen der Unternehmen steigen ebenso wie die Konsumausgaben. Offenbar profitieren die Unternehmen von Trumps radikaler Steuerreform, die den Steuersatz von 35 auf 21 Prozent gesenkt hat. Das treibt zwar das Haushaltsdefizit hoch, aber das merken erst künftige Generationen. Konsumfreudig zeigt sich auch der Verbraucher.

Hinzu kommt: Die heimische Rohölförderung erreicht ständig neue Rekordwerte und könnte bald bei elf Millionen Barrel pro Tag liegen. Saudi-Arabien (9,9 Millionen) wurde bereits überholt, demnächst dürften die USA an Russland (10,3 Millionen) vorbeiziehen. Trump brüstet sich damit, auch andere Wahlkampfversprechen eingelöst zu haben. Die illegale Einwanderung ist um mehr als die Hälfte zurückgegangen. Das Atomabkommen mit dem Iran wurde aufgekündigt, die Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem verlegt. Das kommt an, zumindest bei seinen Anhängern. Trumps Verbindung aus Patriotismus und Machtbewusstsein verfängt immer noch. Seine treuesten Anhänger – weiße evangelikale Männer – halten ihm die konservativen Neubesetzungen des Obersten Verfassungsgerichts zugute.

Kann Trump sein Image reparieren?

Ein Wandel in Auftritt und Politikstil würde wenig glaubwürdig wirken. Zu Trumps Rhetorik gehört es, sich über Wankelmut und Feigheit seiner Opponenten zu beschweren. Das könnte sich leicht gegen ihn selbst wenden. Was noch wichtiger ist: Trump will sein Image gar nicht verbessern, weil die diversen Vorwürfe seine Vorurteile über das Establishment voll und ganz bestätigen.

Trump wurde im Alleingang Präsident, gegen die Demokraten, gegen einen Großteil der Medien und sogar gegen die Präferenz vieler Republikaner. Den Erfolg verdankt er seiner Anti-Establishment-Propaganda. Demnach existiert in den USA eine übermächtige Schattenregierung, die ihre Herrschaft an der Verfassung und demokratisch legitimierten Organen vorbei ausübt. Dieser „deep state“ bestehe aus Wall Street, Silicon Valley, den Geheimdiensten, Teilen des Militärs, der Justiz, vor allem aber den meisten Medien. Juristen behinderten seine Einwanderungspolitik, Geheimdienstler fütterten die Medien mit brisantem Material über ihn, die Medien verschwiegen seine Leistungen. In dieses Narrativ fügt sich der anonyme hochrangige Mitarbeiter des Weißen Hauses, der sich in der „New York Times“ als Teil des Widerstands gegen Trump bezeichnet, perfekt ein.

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