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Veröffentlichung kurz vor den Wahlen in Tschechien: Wie die Pandora Papers Premier Babis schaden könnten
Tschechiens Premier Andrej Babis lag in Umfragen lange Zeit vorn. Dann wurden geheime Immobilien-Geschäfte bekannt. Kostet ihn das die Wiederwahl?
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Für Andrej Babis, den amtierenden Regierungschef in Tschechien, kommen die Veröffentlichungen wohl zur denkbar ungünstigsten Zeit. Am Freitag und am heutigen Samstag wird im Land ein neues Parlament gewählt – wenige Tage, nachdem bekannt geworden ist, dass Babis 2009 über Offshore-Firmen millionenschwere Immobiliengeschäfte in Frankreich getätigt haben soll. Noch kurz zuvor lag Babis mit seiner selbst gegründeten populistischen Bewegung ANO bei Meinungsumfragen in Führung. Ob sich die Enthüllungen auf die Wahlergebnisse auswirken, war bis zuletzt offen. Der Premierminister selbst weist alle Vorwürfe zurück und beschuldigt „die Mafia“, hinter den letzten Veröffentlichungen zu stehen.
Die größten Oppositionsparteien in Tschechien haben sich zusammengeschlossen, um mit vereinten Kräften den Regierungschef abzusetzen – das ist ein Novum in der Geschichte des Landes. Vor allem Petr Fiala als gemeinsamer Spitzenkandidat des konservativen Lagers schneidet nach jüngsten Meinungsumfragen gut ab. Auch die liberal-konservative Wahlkoalition aus Piratenpartei und der Partei der Bürgermeister (STAN) könnte Babis gefährlich werden. Die Opposition wirft dem Premierminister unter anderem Versagen im Umgang mit der Corona-Pandemie vor. Tschechien zählt europaweit zu den Ländern mit den meisten Todesopfern. Es geht aber auch um Betrugsvorwürfe und einen Interessenkonflikt. Beides hat Babis lange vor Bekanntwerden der Pandora-Papers begleitet.
Die Politik wird oft als altbacken und bremsend empfunden
Vor seinem Eintritt in die Politik baute er einen milliardenschweren Konzern auf, der stark in der Lebensmittel- und Landwirtschaftsbranche vertreten ist. Der Konzern gehört zu den größten privaten Empfängern von EU-Subventionen in der gesamten Europäischen Union – und über deren Mittelverteilung entscheidet Babis jetzt als Premierminister mit. Er selbst bestreitet einen Interessenkonflikt, weil er tschechischen Gesetzen genüge getan und den Konzern an einen Treuhandfonds übergeben habe.
Vor der Wahl zeigte sich vor allem ein Aufeinandertreffen der Generationen. Der 67-jährige Babis, der noch in Zeiten des Kommunismus aufgewachsen ist, wird vor allem von Rentnern gewählt, die er in der Vergangenheit mit sozialen Wohltaten überhäuft hat. Die Oppositionsparteien haben inzwischen allesamt ein jüngeres Spitzenpersonal. Die meisten von ihnen sind erst nach dem Fall des Eisernen Vorhangs erwachsen geworden, haben im Ausland studiert und fordern ein modernes Tschechien ein. „Geben wir unserem Land die Zukunft zurück“, lautet deshalb zum Beispiel der Slogan der Piraten, die in Tschechien eine der stärksten Parteien sind und deren Vorsitzender Ivan Bartos selbstbewusst als Regierungschef kandidiert. „Es geht darum, dass an der Spitze des Landes jemand steht, der die anderen nicht schikaniert und mit autoritärer Hand regiert. Sondern jemand, der eine Vision mitbringt und alles dafür tut, dass sie zur Wirklichkeit wird“, sagt Bartos.
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Tatsächlich hat sich Tschechien in den vergangenen Jahren deutlich verändert: Internet-Unternehmen spielen eine große Rolle, die Arbeitslosenzahlen sind niedriger als im Rest der EU und der Wohlstand im Land steigt stetig. Die Politik hingegen wird oft als altbacken und bremsend empfunden. Und viele aus der jungen Generation empören sich über Politiker, die wenig Bildungskonzepte haben, aber dafür regelmäßig die Renten erhöhen und großzügige Bahn-Rabatte für Senioren einführen. Und die sich außenpolitisch nach Russland und China orientieren, während sie die EU allenfalls als Sündenbock benötigen.
Für Babis könnte es bei der Wahl knapp werden
Für Babis wird es bei der Wahl voraussichtlich eng, selbst wenn er mit seiner Bewegung die meisten Wählerstimmen bekommt – denn sein bisherigen Koalitionspartner, die Sozialdemokraten, könnten nach bisherigen Meinungsumfragen an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern. Für den Fall, dass er keine Regierungsmehrheit zusammenbekommt, hat Babis schon seinen Rückzug aus der Politik bekanntgegeben. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich auf der Oppositionsbank sitzen werde“, sagte er in dieser Woche in einem Interview: „Ich bin kein Politiker, der große Reden hält. Und vor allem könnte ich nichts ändern.“
In Tschechien rückt jetzt kurz vor der Wahl Präsident Milos Zeman in den Fokus. Wen er nach der Wahl mit der Regierungsbildung betraut, kann er selbst entscheiden. Bereits im Vorfeld gab Zeman zu verstehen, dass er Babis dafür auswählen wird – unabhängig vom Wahlergebnis. Der 77-jährige Präsident hat somit auf die Regierungsbildung einen großen Einfluss. Nachdem er kurz vor der Wahl allerdings mehrere Tage im Krankenhaus verbrachte, gibt es in Tschechien Spekulationen darüber, ob der schon zuvor von Krankheiten gezeichnete Zeman überhaupt in der Lage sein werde, sein Amt auszuüben.
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