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Die umstrittene Pipeline Nord Stream 2 - hier ein Hinweisschild in Lubmin - steht kurz vor der Fertigstellung.

© Hannibal Hanschke/Reuters

„Eine politische und militärische Bedrohung“: Wie die Ukraine auf die Einigung zu Nord Stream 2 reagiert

Die Regierung in Kiew kritisiert das Verhandlungsergebnis von Deutschland und den USA zur umstrittenen Pipeline - und will jetzt die EU einschalten.

Die Reaktion aus Kiew kam prompt. Kaum hatten die Regierungen in Washington und Berlin ihren Streit um die Gaspipeline Nord Stream 2 offiziell beigelegt, antwortete der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba in einer gemeinsamen Erklärung mit seinem polnischen Amtskollegen Zbigniew Rau. „Die Entscheidung zum Bau von Nord Stream 2, die 2015 nur Monate nach Russlands Invasion und illegaler Annexion von ukrainischem Territorium getroffen wurde, hat eine Sicherheits-, Glaubwürdigkeits- und politische Krise geschaffen.“

Nun werde die Krise dadurch vertieft, dass die Bemühungen um einen Stopp der Pipeline aufgegeben worden seien. „Diese Entscheidung hat eine politische, militärische und energiepolitische Bedrohung für die Ukraine und Mitteleuropa geschaffen, während sie Russlands Potenzial für eine Destabilisierung der Sicherheitslage in Europa erhöht und die Spaltung unter Nato- und EU-Staaten fortsetzt.“

Kiew war in die Gespräche nicht eingebunden

Die Außenminister aus Kiew und Warschau kritisieren indirekt auch, dass beide Staaten in die Gespräche zwischen Deutschland und den USA nicht eingebunden wurden. Es müsse Gespräche mit den Regierungen der Länder geben, die von den negativen Effekten von Nord Stream 2 am stärksten betroffen seien. Die von Berlin und Washington vorgelegten Vorschläge seien nicht ausreichend, um die mit Nord Stream 2 verbundenen Gefahren in Grenzen zu halten. „Wir rufen die Vereinigten Staaten und Deutschland auf, sich angemessen mit der Sicherheitskrise in unserer Region zu befassen, deren einziger Profiteur Russland ist.“

Nach langem Streit um die Pipeline hatten die USA ihren Widerstand gegen das Projekt aufgegeben. Deutschland verpflichtet sich im Gegenzug, „alle verfügbaren Einflussmöglichkeiten zu nutzen“, um eine Verlängerung des Gastransits zwischen der Ukraine und Russland zu erreichen. Das derzeitige Abkommen, das 2024 ausläuft, solle um „bis zu zehn Jahre“ verlängert werden, heißt es in der gemeinsamen Erklärung beider Staaten.

Deutschland sagte den USA außerdem zu, einen „Grünen Fonds für die Ukraine“ einzurichten, um die Energiewende in dem Land zu unterstützen. Mindestens 175 Millionen US-Dollar (etwa 148 Millionen Euro) sollen aus Bundesmitteln in den Fonds fließen. Darüber hinaus soll die Bundesregierung bilaterale Projekte im Bereich der erneuerbaren Energien fördern, dafür will Deutschland gemäß der Vereinbarung noch einmal knapp 60 Millionen Euro aufbringen.

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Russland begrüßte die Einigung. Bundeskanzlerin Angela Merkel telefonierte noch am Mittwoch mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin. Die Bundesregierung muss nun schnell handeln, denn sie hat sich gegenüber den USA verpflichtet, dass die Transit-Verhandlungen spätestens am 1. September beginnen.

Doch auf Zusagen aus Moskau will man sich in Kiew lieber nicht verlassen. Unmittelbar nach der Einigung zwischen Deutschland und den USA schaltete die ukrainische Regierung die Europäische Union ein. Die Ukraine beantrage offiziell Konsultationen mit der EU-Kommission und Deutschland, kündigte Außenminister Kuleba an. Nord Stream 2 bedrohe die Sicherheit der Ukraine und verletze das Diversifizierungs-Prinzip der europäischen Energieunion. Entsprechende diplomatische Noten, in denen sich die Regierung in Kiew auf das Assoziierungsabkommen mit der EU beruft, wurden bereits nach Brüssel und Berlin geschickt.

Merkel: Russland beim Wort nehmen

Die Vereinbarung mit den USA sieht auch Sanktionen für den Fall weiterer aggressiver Handlungen des Kremls gegen die Ukraine vor. Die russische Seite habe versichert, Energie nicht als Waffe einsetzen zu wollen, sagte Merkel am Donnerstag. „Dann nehmen wir sie beim Wort.“ Würden die Zusagen nicht eingehalten, „sind wir nicht vollkommen wehrlos“, betonte die Kanzlerin.

Auch bei der Opposition in Deutschland stieß die Einigung auf Kritik: „Die Regierung Angela Merkels hinterlässt einen Scherbenhaufen in den Beziehungen zwischen Deutschland und seinen östlichen Nachbarn“, sagte die FDP-Bundestagsabgeordnete Renata Alt. Polen, die baltischen Länder und die Ukraine fühlten sich zu Recht im Stich gelassen.

„Nutznießer dieser Entscheidung sind vor allem Putin und seine korrupten Strukturen“, erklärten die Grünen-Politiker Manuel Sarrazin und Oliver Krischer.

Lob für das Verhandlungsergebnis der Bundesregierung kam dagegen von den Linken. Dass Nord Stream 2 ohne weitere Sanktionsdrohungen der USA fertiggebaut werde, sei „ein Erfolg“, sagte der Linken-Abgeordnete Klaus Ernst.

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