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Der neue Hauptstadtflughafen Berlin Brandenburg Willy Brandt in Berlin Schönefeld - kurz der BER - schlummert noch ...

© imago/Jürgen Ritter

Flughafen BER: Wie heikel ist die Lage des Flughafen-Neubaus?

Am BER geht es schon wieder um Termine und Finanzen. Auch der alte Vorschlag, einen privaten Gesellschafter zu beteiligen, kommt erneut auf.

Geschichte wiederholt sich manchmal doch – zumindest am unvollendeten Berliner Flughafen. Der wird seit zwölf Jahren gebaut. Erst vor wenigen Wochen, kurz vor Weihnachten 2017, hatte Flughafenchef Engelbert Lütke Daldrup einen neuen BER-Eröffnungstermin bekannt gegeben – nachdem in der Geschichte des Milliardenprojektes der staatlichen Flughafengesellschaft Berlins, Brandenburgs und des Bundes (FBB) fünf Start-Termine verschoben worden waren: Der Flughafen soll nun im Oktober 2020 in Betrieb gehen. Auch wenn der FBB-Aufsichtsrat an diesem Freitag tagt, wird es wieder um gerissene Termine gehen und um Geld, das benötigt wird – immerhin 770 Millionen Euro. Und auch eine alte Idee wird wieder diskutiert: Die Berliner CDU hat einen neuen Vorstoß gemacht, einen privaten Gesellschafter am Flughafen zu beteiligen, um das BER-Projekt endlich in den Griff zu bekommen.

Wäre ein Investor die Rettung?

Vor der Eröffnung wohl kaum, danach vielleicht. Alles hängt vom BER–Start ab. Eh der neue Airport in Schönefeld in Betrieb ist, werden private Kapitalgeber kein Geld geben – oder höchstens mit Garantiezusagen der drei Eigner. Als 2015/2016 das letzte 2,2-Milliarden-Euro-Paket der öffentlichen Hand geschnürt wurde, hatte die FBB intern bereits den Einstieg eines privaten Minderheitsgesellschafters (mit einem Anteil von rund 49 Prozent) durchkalkuliert. Das Ergebnis sah so aus, dass die öffentliche Hand dem Investor für einen Einstieg eine halbe Milliarde Euro hätte überweisen müssen, damit es sich lohnt. Ganz anders sieht das nach dem BER–Start aus: Infrastrukturprojekte gelten als lohnende Anlagen, für Fonds, für Versicherungen. Es gebe Interessenten, heißt es aus der FBB und Gesellschafterkreisen.

Nach Tagesspiegel-Informationen favorisiert Brandenburgs rot-rote Regierung unter Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) und seinem Vize, Finanzminister Christian Görke (Linke), schon länger den Einstieg eines vierten Gesellschafters, sobald das möglich und sinnvoll ist. Und zwar auch, um auf diesem Weg die Flughafengesellschaft zu professionalisieren. Auch der Bund zeigte sich offen für solche Modelle, während Berlin eine Teilprivatisierung bislang strikt ablehnt.

Flughafenchef Engelbert Lütke Daldrup will für das geplante BER-Erweiterungsprogramm des „Masterplans 2040“, mit dem der zu kleine BER gleich nach Eröffnung zügig um einige Terminals ausgebaut werden muss, ohnehin eine extra Bau- und Projektgesellschaft gründen. Das könnte den Einstieg von Privaten erleichtern oder sogar nötig machen; nämlich für den Fall, dass die FBB dieses Programm nicht aus eigener Kraft finanzieren kann. Das hat Lütke Daldrup bisher aber versichert. Dabei geht es um das nächste BER-Milliardenprojekt, geschätztes Volumen: 2,3 Milliarden Euro, und wieder sind die Termine eng.

Was ist aktuell auf der Baustelle los?

Lütke Daldrup ist inzwischen seit fast einem Jahr Chefmanager der Flughafengesellschaft. Und er war letzten Sommer stolz auf den neuen Fertigstellungs-Terminplan, der auf der Baustelle zum 1. September 2017 in Kraft gesetzt wurde – mit tausenden Detail-Meilensteinen, alle abgestimmt mit den Firmen, so solide wie keiner vorher, wie es damals hieß. Das entscheidende Ziel-Datum: Bis 30. August 2018 sollen alle Bauarbeiten im Teminal beendet sein. Jetzt, im Februar 2018, steht fest: Dieser Termin wird verfehlt. Nach ersten Verzögerungen bis Dezember haben sich Rückstände weiter angestaut. Das hat Folgen. Erst nach Bauende können die gefürchteten Wirk- und Prinzip-Prüfungen beginnen, bei denen die Techniksysteme im BER-Hauptterminal im Zusammenspiel reibungslos funktionieren müssen. Das wird die Stunde der Wahrheit. Statt wie geplant im September 2018 können diese Tests nun erst im ersten Quartal 2019 beginnen, wahrscheinlich im März, also ein halbes Jahr verspätet.

Die größten Probleme machen nach wie vor die Sprinkleranlage, die Brandmeldeanlage und weitere Sicherheitssysteme – während die Automatiktüren inzwischen weitgehend funktionieren. Der Siemens–Konzern, für die Steuerung der Brandmelde- und Entrauchungsanlage zuständig, fängt nach Tagesspiegel-Informationen mit der Programmierung von zentralen Komponenten jetzt noch einmal vorn an: Alles war zu langsam, die Systemlaufzeiten waren zu hoch. Zudem verändert sich die Hardware, die gesteuert werden soll, durch Umbauten immer wieder. Auch dieses Problem sollte längst geklärt sein: Beim Brandschutz zwischen dem unterirdischen Flughafenbahnhof und dem BER-Terminal darüber gibt es erneut Probleme. Das Eisenbahnbundesamt hat Bedenken angemeldet. Ohne den Stempel dieser Behörde kann vom Bauamt des Kreises Dahme–Spreewald auch der Bauantrag 6.1 für nötige Einbauten nicht genehmigt werden ...

Ist die Eröffnung im Oktober 2020 denn noch zu schaffen?

Es ist wieder einmal ein Wettlauf mit der Zeit. Angeblich ist der Eröffnungstermin „nicht in Gefahr“, erklärt der Flughafen auf Anfrage. Es gebe lediglich in einzelnen Gewerken Verzögerungen, die aber beherrschbar seien. Lütke Daldrup und Terminal-Bauleiter Rolf Hermann zeigen sich auch gegenüber Aufsichtsräten zuversichtlich, alles im Griff zu haben. Und trotzdem wird es nach Tagesspiegel-Recherchen immer knapper, um den Oktober 2020 zu schaffen: Für den Zeitraum vom Beginn der Wirkprinzipprüfungen bis zur BER–Eröffnung hat der Flughafen selbst „vierzehn Monate“ einkalkuliert, davon rund sechs Monate für den Probetrieb. Selbst nach dieser Rechnung gibt es allenfalls noch ein, zwei Monate Puffer, wenn überhaupt.

Und reicht das Geld?

Die Finanzen werden die Sitzung des Aufsichtsrates dominieren. Jeder Monat ohne BER-Eröffnung kostet rund 25 Millionen Euro. Das Management hat einen neuen Businessplan vorgelegt, um die Finanzkrise infolge der auf 2020 verschobenen Eröffnung zu entschärfen. Das Lösungsmodell sieht so aus: Ein 1,1-Milliarden-Kredit, der für die Erweiterung nach BER–Start auf Abruf bereitsteht, soll sofort für die Fertigstellung und die Überbrückung bis Oktober 2020 verwendet werden dürfen. Für die Politik hätte dieses Szenario den Vorteil, dass zunächst kein neues Geld überwiesen werden müsste. Dafür ist die Bereitschaft im Berliner Abgeordnetenhaus, im Brandenburger Landtag und im Bundestag ohnehin gering.

Allerdings würde damit zwar die jetzige Finanzlücke geschlossen, aber eine neue gerissen. Das Geld fehlt dann später. Die Flughafengesellschaft braucht nach dem Businessplan für die Jahre 2020 bis 2025 – die erste Zeit nach dem BER-Start – weitere 370 Millionen Euro von den Eignern. Der Finanzbedarf von 770 Millionen Euro werde hälftig „durch Gesellschaftermittel und unverbürgtes Fremdkapital gedeckt“, so der Vorschlag. Danach sind Banken bereit, 2018 der FBB ein unverbürgtes Darlehen über 400 Millionen Euro zuzusagen, die aber erst nach BER-Start ausgezahlt würden.

Kalkuliert der neue Businessplan auch Risiken ein?

Das gehört dazu. Allerdings ist darüber bislang nichts bekannt geworden. Der letzte BER-Businessplan stammt aus dem Oktober 2016. Damals hatte man noch das offizielle Ziel, den neuen Airport im zweiten Halbjahr 2017 zu eröffnen. Auch damals gab es Finanzierungsprobleme: Es war ein 2,2-Milliarden-Paket geschnürt worden, das die EU in Brüssel später genehmigte. „Unter Berücksichtigung von Sensitivitäten kann sich der Finanzierungsbedarf signifikant erhöhen“, hieß es im Plan.

So wurde für eine „Verschiebung Inbetriebnahme (+1 Jahr)“ ein Finanzierungsbedarf von 409 Millionen Euro angesetzt. Nun sind es drei Jahre geworden. - Und noch ein Risiko war in Flughafen-Papieren vom Oktober 2016 aufgeführt: „Air Berlin Exit Anfang 2018.“ Das wurde eine Punktlandung.

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