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Einfamilienhäuser in Baden-Württemberg.

© IMAGO/Bernd Leitner

Wieder mehr Baugenehmigungen: Ein paar Einfamilienhäuser machen noch keine Trendwende

Nach Jahren des Rückgangs wurden dieses Jahr erstmals etwas mehr Baugenehmigungen beantragt. Die Ursachen für den Mangel an bezahlbarem Wohnraum beseitigt das nicht. Schleswig-Holstein wagt ein Experiment.

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Sie sind der wichtigste Frühindikator für die Baukonjunktur: die Zahl der Baugenehmigungen. Nachdem der russische Angriff auf die Ukraine die Preise und die Zinsen in die Höhe getrieben hatte, ging es dabei jahrelang nur in eine Richtung: nach unten. Das ändert sich nun.

Nach langer Krise geht es im deutschen Wohnungsbau von niedrigem Niveau aus wieder bergauf. Die Zahl der Baugenehmigungen wuchs im ersten Halbjahr um 2,9 Prozent oder 3100 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum auf 110.000 Wohnungen, wie das Statistische Bundesamt diese Woche mitteilte. Allerdings war sie ein Jahr zuvor auf den niedrigsten Stand für die ersten sechs Monate seit 2010 gesunken.

Ist das die seit langem ersehnte Trendwende bei der Baukonjunktur? Ist die Krise am Wohnungsmarkt damit überwunden? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Wieso werden jetzt wieder mehr Baugenehmigungen beantragt?

Mehr Wohneinheiten als im Vorjahr werden bisher vor allem in einem Marktsegment geplant: bei den Einfamilienhäusern. Von Januar bis Juni stieg allein die Zahl der Baugenehmigungen für Einfamilienhäuser kräftig: Hier gab es ein Plus von 14,1 Prozent auf 21.300, wie das Statistikamt erklärte.

Bei den Zweifamilienhäusern gab es dagegen einen Rückgang von 8,3 Prozent auf 6000. Bei der zahlenmäßig stärksten Gebäudeart, den Mehrfamilienhäusern, stagnierte die Entwicklung nahezu. Hier wurden 57.300 Wohnungen genehmigt, ein Plus von 0,1 Prozent oder 31 Wohnungen.

Zuletzt zeigte der Trend bei den Genehmigungen deutlicher nach oben: Im Juni allein wurden Zusagen für rund 19.000 Wohnungen erteilt und damit 7,9 Prozent mehr als ein Jahr zuvor.

Wie bewertet die Baubranche die Marktentwicklung?

„Von einer Trendwende kann dennoch keine Rede sein“, sagte die Hauptgeschäftsführerin des Spitzenverbands der Immobilienwirtschaft ZIA, Aygül Özkan. „Bei den so dringend benötigten Mehrfamilienhäusern gibt es kaum Veränderung“, sagte Özkan zur Begründung.

Der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie sieht ebenfalls noch keinen Grund zum Jubeln. „Denn der enorme Wohnungsmangel in Ballungsgebieten und ihrem Umland hält trotz hohem Bedarf weiter an“, sagte Hauptgeschäftsführer Tim-Oliver Müller.

Für die Menschen, die auf bezahlbare Mietwohnungen angewiesen sind, gibt es keinerlei Entlastung.

GdW-Präsident Axel Gedaschko

Im Zangengriff weiterhin hoher Zinsen und Baukosten springe der Wohnungsbau bisher nicht an. „Eines der größten Hemmnisse für die Ausweitung des Wohnungsbaus ist – vor allem in den Ballungsgebieten – das nicht ausreichend zur Verfügung stehende und zu teure Bauland“, sagte Müller.

Mit deutlichen Worten warnt der Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GdW) die Politik. „Für die Menschen, die auf bezahlbare Mietwohnungen angewiesen sind, gibt es keinerlei Entlastung“, sagte GdW-Präsident Axel Gedaschko. „Damit verschärft sich die Lage auf den Wohnungsmärkten weiter. Der Mangel an Mehrfamilienhäusern gefährdet nicht nur den sozialen Frieden, sondern auch den wirtschaftlichen Erfolg unseres Landes.“

Welchen Ausblick gibt es beim Wohnungsbau?

Dass die Baugenehmigungen wieder leicht steigen, wird sich beim Baugeschehen nicht unmittelbar positiv auswirken. Denn bis die nun genehmigten Projekte umgesetzt werden, dürften mehrere Jahre vergehen. Viele genehmigte Projekte werden auch gar nicht gebaut. Experten rechnen damit, dass in diesem Jahr noch weniger Wohnungen als in den Vorjahren gebaut werden.

In Deutschland dürften im laufenden Jahr voraussichtlich 205.000 Wohnungen fertiggestellt werden und damit 19 Prozent weniger als 2024, wie die Forschergruppe Euroconstruct voraussagt. Zu ihr gehört das Münchner Ifo-Institut.

Im kommenden Jahr soll es einen weiteren Rückgang von zehn Prozent auf 185.000 geben. „In einem weiter sehr schwierigen Markt haben sich die Rahmenbedingungen – darunter Finanzierung, Reallöhne, Immobilienpreise, erzielbare Mieten – inzwischen etwas verbessert“, sagte Ifo-Bauexperte Ludwig Dorffmeister. Dennoch dürften die Fertigstellungen erst 2027 wieder steigen und dann auch nur auf rund 195.000 Wohnungen. Frühere Bundesregierungen hatten sich ein Ziel von 400.000 Wohnungen pro Jahr gesetzt.

Wie will die Bundesregierung gegensteuern?

Frische Impulse soll der sogenannte Bau-Turbo der Bundesregierung bringen. So sollen Kommunen die Möglichkeit erhalten, Genehmigungsverfahren zu straffen, indem sie von Bebauungsplänen abweichen können. Ziel ist es, dass schneller gebaut, nachverdichtet oder aufgestockt werden kann. Im Herbst soll der Bundestag das Gesetz beschließen. Experten rechnen aber vorerst mit einem überschaubaren Effekt.

Daneben plant Bauministerin Verena Hubertz (SPD) auch eine umfassende Reform des Baugesetzbuches. Dabei sollen viele städtebauliche Vorschriften vereinfacht werden.

Bauministerin Verena Hubertz kann in den kommenden Jahren mehr Geld für den sozialen Wohnungsbau ausgeben.

© dpa/Katharina Kausche

Laut der mittelfristigen Finanzplanung sollen auch die Mittel für den Sozialen Wohnungsbau steigen. Von 3,5 Milliarden Euro in diesem Jahr auf vier Milliarden Euro in 2026. Bis 2029 soll diese Summe sogar auf 5,5 Milliarden Euro steigen.

Wie ließe sich der Wohnungsbau noch stärker ankurbeln?

In Schleswig-Holstein fließt die Förderung für den sozialen Wohnungsbau nur noch in Bauprojekte, bei denen der einfachere Gebäudetyp E umgesetzt wird. Bei ihm sind Abweichungen von den gängigen Komfortstandards möglich – so können etwa Wände etwas weniger dick gestaltet werden, wodurch die Lärmbelästigung minimal steigt.

Mit derselben Fördersumme können so mehr neue Sozialbauten gebaut werden. Dieses Modell ließe sich bundesweit anwenden. (mit Reuters)

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