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„Wir brauchen praktikable Lösungen“: Jobcenter-Chef fordert Sanktionen gegen unkooperative Bürgergeld-Empfänger
Der Geschäftsführer des Duisburger Jobcenters fordert eine „gerichtsfeste Möglichkeit“, Leistungen vorläufig einzustellen, wenn Betroffene wiederholt nicht zu Terminen erscheinen.
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Der Geschäftsführer des Duisburger Jobcenters plädiert für härtere Maßnahmen gegen unkooperative Bürgergeld-Empfänger. „Wenn jemand nicht zu einem Termin erscheint und zu einem zweiten auch nicht, wäre es hilfreich, wenn wir eine gerichtsfeste Möglichkeit hätten, die Leistungen vorläufig einzustellen“, sagte Frank Böttcher dem „Spiegel“
Böttcher unterscheidet seinen Vorschlag von regulären Sanktionen: „Wir spielen damit den Ball in die Spielfeldhälfte des Betroffenen. Wenn er dann erscheint und mit uns zusammenarbeitet, setzen wir wieder ein mit der Leistungszahlung.“ Der Jobcenter-Chef betonte, es gehe nur um einen sehr kleinen Anteil der Bürgergeld-Beziehenden. „Die meisten arbeiten gut mit uns zusammen.“
Komplizierte Rechtslage erschwert Sanktionen
Seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts im November 2019 und der Bürgergeld-Reform 2023 sei es „viel komplizierter geworden, überhaupt eine Leistungsminderung zu verhängen“, kritisierte Böttcher. „Wir brauchen praktikable Lösungen.“
Wenn jemand nicht zu einem Termin erscheint und zu einem zweiten auch nicht, wäre es hilfreich, wenn wir eine gerichtsfeste Möglichkeit hätten, die Leistungen vorläufig einzustellen.
Frank Böttcher, Geschäftsführer des Duisburger Jobcenters
Die Kritik kommt aus einer Stadt mit besonders hoher Bürgergeld-Quote: In Duisburg beziehen rund 72.000 der etwa 500.000 Einwohner Bürgergeld – ein mehr als doppelt so hoher Anteil wie im Bundesschnitt, berichtet der „Spiegel“. Duisburg ist zugleich die Heimatstadt von SPD-Co-Chefin Bärbel Bas, die als Ministerin für Arbeit und Soziales eine Reform des Bürgergelds vorantreiben muss.
Verschärfungen bereits in Vorbereitung
Die Forderungen des Jobcenter-Chefs treffen auf bereits laufende Reformpläne der Bundesregierung. Man habe unter anderem einen vollständigen Leistungsentzug vereinbart, wenn wiederholt Arbeit verweigert werde, geht aus einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Grünen hervor. Auch eine Verschärfung der Mitwirkungspflichten und Sanktionen werde geprüft, dabei sollen die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zur Wahrung des Existenzminimums beachtet werden.
Vizekanzler und Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) betonte, der Druck solle hochgefahren werden, gleichzeitig warnte er vor einer Gefährdung des Sozialstaats: „Wir sollten nicht so tun, dass wir den Sozialstaat nicht mehr brauchen.“
Bundesregierung kündigt Milliarden-Einsparungen an
Zudem kündigte Klingbeil erhebliche Einsparungen beim Bürgergeld an: 1,25 Milliarden Euro im kommenden Jahr, 2027 rund 2,5 Milliarden Euro und 2028 rund 3 Milliarden Euro. Für die Regelsätze sind für 2026 rund 28,1 Milliarden Euro veranschlagt, nach 29,6 Milliarden Euro im laufenden Jahr. Diese Verständigung habe er mit Bas getroffen.
„Die Bundesregierung erwartet eine allgemeine Belebung des Arbeitsmarktes“, heißt es im Haushaltsentwurf, den das Bundeskabinett am Mittwoch beschlossen hat. Das führe „zu einer sinkenden Anzahl“ an Menschen im Bürgergeldbezug.
Kritik an „schwarz-weißer“ Debatte
Jobcenter-Chef Böttcher kritisierte die gesellschaftliche Diskussion über das Bürgergeld als „oftmals schwarz-weiß. Entweder alle Empfänger haben sich angeblich bequem in der sozialen Hängematte eingerichtet und wollen nicht arbeiten. Oder es heißt, alle seien Opfer eines grausamen kapitalistischen Systems, und jede eingeforderte Mitwirkung ist ein Anschlag auf die Menschenwürde. Beides ist Blödsinn“, sagte der er dem „Spiegel“. „Diese Zuspitzungen sind Gift für die Gesellschaft.“
Das Bürgergeld für einkommensschwache Menschen war Anfang 2023 eingeführt worden und hatte die Hartz-IV-Leistungen abgelöst. Union und SPD hatten sich in ihrem Koalitionsvertrag auf eine Reform verständigt. Der Bundestag hatte bereits im vergangenen Jahr Verschärfungen beschlossen. (Tsp/KNA/epd)
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