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Ein Taurus-Flugkörper auf der Internationalen Luft- und Raumfahrtausstellung - nun wird erneut über eine Lieferung an die Ukraine debattiert.

© dpa/Bernd von Jutrczenka

„Wir dürfen keine Sekunde mehr zögern“: CDU verteidigt Merz‘ Taurus-Vorstoß – SPD reagiert verhalten

Wenige Wochen vor seiner möglichen Kanzlerwahl hat CDU-Chef Friedrich Merz sein grundsätzliches Ja zur Lieferung deutscher Marschflugkörper an die Ukraine bekräftigt. Wie kommt das an?

Stand:

Die von Noch-Kanzler Olaf Scholz (SPD) abgelehnte Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern der Bundeswehr an die Ukraine, die sein wahrscheinlicher Nachfolger Friedrich Merz (CDU) gerade erneut öffentlich befürwortet hat, ist am Montag unterschiedlich aufgenommen worden – im In- wie im Ausland.

Am Rande eines Außenministertreffens begrüßte die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas die Initiative. „Ich denke, die Botschaft ist sehr klar“, sagte sie der Deutschen Presse-Agentur einen Tag nach einem schweren Angriff Russlands auf die Stadt Sumy mit mehr als 30 Toten: „Wir müssen mehr tun, damit die Ukraine sich selbst verteidigen kann.“ Der polnische Minister Radoslaw Sikorski nannte Merz’ Vorstoß „sehr gut“, sein niederländischer Amtskollege Caspar Veldkamp bezeichnete ihn als „ganz wichtiges Signal, wie Europa in dieser Situation steht“.

Moskau warnt nach Eskalation vor Eskalation

Nachdem der CDU-Chef am Sonntagabend in der ARD-Sendung Caren Miosga seine Position bekräftigt hatte, dass „Deutschland sich daran beteiligen“ sollte in Abstimmung mit Verbündeten, die schon Marschflugkörper liefern, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow, Merz unterstütze „diverse Maßnahmen, die zu einer neuen Eskalation führen können und unweigerlich dazu führen werden“.

Der CDU-Chef hatte auch die Krimbrücke als mögliches Ziel genannt, um die Nachschubwege der russischen Armee zu unterbrechen. Deren militärischer Wert gilt jedoch inzwischen nicht mehr als ganz so groß wie zu Beginn des Krieges, da die russische Seite inzwischen Eisenbahnverbindungen in die von ihr besetzten ukrainischen Gebiete ausgebaut hat.

Wir dürfen keine Sekunde mehr zögern. Alles Zaudern der vergangenen Jahre, jedes Zurückhalten von Material, hat am Ende Putin nur ermutigt. Diesen Fehler werden wir nicht fortsetzen.

Johann Wadephul, Unionsfraktionsvize, zur Ukraine-Politik der künftigen Bundesregierung

Unionsfraktionsvize Johann Wadephul verteidigte Merz‘ Haltung. „Es war immer die Position der CDU, dass alle Optionen auf dem Tisch liegen müssen“, sagte er dem Tagesspiegel: „Wir müssen vor die Lage kommen und dürfen nicht immer nur auf neue Moskauer Aggressionen und Kriegsverbrechen wie am Wochenende in Sumy reagieren.“ Das Zaudern der vergangenen Jahre, sagte der als Außenminister gehandelte Wadephul, „hat am Ende Putin nur ermutigt. Diesen Fehler werden wir nicht fortsetzen“. Er versicherte jedoch zugleich, es werde „keinen Einsatz deutscher Soldaten an Waffensystemen geben, die wir der Ukraine überlassen“.

Linke befürchtet „Hineinziehung Deutschlands in den Krieg“

Unter der Annahme, dass die sensiblen Geodaten der Taurus-Marschflugkörper ohne Hilfe der Bundeswehr gar nicht programmiert werden können, wollte Scholz der Ukraine das weitreichende Waffensystem bisher nicht zur Verfügung stellen.

„Die Bundeswehr wäre an der Zielkoordinierung direkt beteiligt und Taurus-Raketen würden Moskau in Reichweite der ukrainischen Armee bringen“, sagte Linksfraktionschef Sören Pellmann dem Tagesspiegel. Scholz habe eine Lieferung bisher „zu Recht“ abgelehnt, da er „keine Eskalation und keine Hineinziehung Deutschlands in den Krieg“ wolle: „Merz scheint diese Gefahr völlig egal zu sein.“

Die AfD hatte im Zuge früherer Debatten eine Taurus-Lieferung ebenfalls stets abgelehnt. „Herr Merz wäre der gefährlichere Kanzler“, hatte Parteichef Tino Chrupalla im Herbst einmal gesagt.

Als „unklar“ bezeichnete der Linke Pellmann die Haltung von Merz’ potenziellem sozialdemokratischen Koalitionspartner zu dieser Frage. Der außenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Nils Schmid, verwies dazu auf den Koalitionsvertrag, der keine Absprachen zu Taurus-Lieferungen enthält.

Im Koalitionsvertrag haben wir festgehalten, dass wir die Unterstützung der Ukraine auf allen Ebenen fortsetzen – politisch, humanitär, wirtschaftlich und militärisch. Dieses Bekenntnis gilt.

Nils Schmid, außenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion

Dort sei, sagte er dem Tagesspiegel, „festgehalten, dass wir die Unterstützung der Ukraine auf allen Ebenen fortsetzen – politisch, humanitär, wirtschaftlich und militärisch“. Dieses Bekenntnis gelte, zugleich werde aber auch eine neue Bundesregierung „weiterhin alle Schritte eng abstimmen und verantwortungsvoll handeln – im Sinne der Sicherheit Europas und der Ukraine“.

Der CDU-Politiker Wadephul bestätigte, dass es noch keinen Lieferbeschluss gibt. Entscheidungen dieser Art würden „erst nach der Regierungsübernahme in enger Absprache mit unseren Verbündeten und dem Koalitionspartner“ getroffen. Die Wahl von Merz zum Bundeskanzler – so Union und SPD dem Koalitionsvertrag endgültig zustimmen, ist für den 6. Mai geplant.

Kurz vor Beginn des Mitgliedervotums der Sozialdemokraten kritisierte der SPD-Linke Ralf Stegner Merz’ Äußerungen. „Die öffentliche Erörterung solcher Fragen wie des Einsatzes einzelner Waffensysteme war, ist und bleibt unvernünftig“, sagte er dem Tagesspiegel: „Im Übrigen sollten die Anstrengungen den Krieg so bald wie möglich zu beenden und zu einem tragfähigen Friedensschluss zu kommen, erste Priorität haben.“

Unterstützung für Merz kommt dagegen von den Grünen. „Angesichts der schrecklichen Angriffe Putins auf Zivilisten in der Ukraine am vergangenen Wochenende ist die Lieferung von Flugabwehr und weiteren Waffen die einzig richtige Antwort“, sagte Anton Hofreiter, im alten Bundestag Vorsitzender des Europaausschusses, dem Tagesspiegel: „Viele EU-Staaten warten nur darauf, dass Deutschland entschlossen handelt.“ Die europäische Abstimmung dürfe daher „kein Ablenkungsmanöver von Merz sein, sondern sollte zügig erfolgen“.

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